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Alles fing mit einer Gabel an

Eine Woche lang schaute ich beim Fotografieren nach unten, auf die Straße – und entdeckte auf einmal Dinge, die ich jahrelang übersehen hatte. Außerdem lernte ich, warum Schwarzweißfotos brutzeln müssen.  

Ende Mai fand ich auf meiner täglichen Fototour in Berlin-Kreuzberg eine Gabel. Kreuzberg ist mein Heimat-Kiez, der an manchen Stellen nicht mit Blumen, sondern mit Müll übersät ist. 

Ich bin das gewohnt – und habe das bisher für nicht fotogen gehalten. Doch dann fand ich an einer Auffahrt zu einem Dach-Parkplatz diese Gabel – und machte mit dem Handy einen Schnappschuss. 

Ich öffnete das Foto in Snapseed, meiner Bildbearbeitungsapp und machte eine knackige, kontrastreiche Schwarzweiß-Version daraus. Mir gefiel das Minimalistische, denn die Gabel hob sich wunderbar vom grauschwarzen Hintergrund ab. 

Am Tag darauf schaute ich öfter nach unten – und fand jedes Mal etwas interessantes. Weiße, sich schlängelnde Straßenmarkierungen, umgekippte Fahrräder und sich im Regenwasser spiegelnde Passanten. 

Mir war sofort klar, dass sich daraus ein kleines Fotoprojekt machen wollte. Die folgenden Abende ließ ich also die Kamera zu Hause liegen, knispte vor mich hin. Nach ein paar Tagen schickte ich einem Freund ein paar Fotos und bat ihn, mir zu sagen, welche er rauswerfen, kicken würde. 

Und so hörte ich zum ersten Mal, dass Schwarzweißfotos „brutzeln“, wenn sie kontrastreich sind. Ich musste lachen, fand die Beschreibung aber treffend.  

Kontrastreich in der Fotografie bedeutet, dass die dunklen Bereiche des Bildes bis zu schwarz und die hellen Stellen bis hin zu weiß sind. Details verschwinden, dafür wirkt ein Foto knackiger. Es fällt auf. Und oft sind es die hellen Linien im Bild, die das Auge führen, wie bei dieser Aufnahme. 

Viele Menschen schauen beim Spazieren – oder Laufen zur Arbeit – auf den Boden. Wie auch ich. Doch wir schauen nicht wirklich hin, weil wir meistens in Gedanken mit irgendetwas beschäftigt sind. 

Und so sehen wir nicht, was da ist. Vielleicht gefiel mir gerade deshalb, das zu fotografieren, was viele sehen, aber wenige entdecken.  

Beim Fotografieren beschränkte ich mich nicht darauf, zu zeigen, was auf dem Boden ist, sondern erlaubte mir, die Kamera so weit zu kippen, dass der Horizont nicht zu sehen war. 

Die nächsten zwei Aufnahmen drehte ich im Nachhinein um 180 Grad. 

An der folgenden Stelle war ich zuvor unzählige Male vorbeigelaufen – doch den „Fehler“ der gestrichelten Linie muss ich übersehen haben. Doch als ich ihn letzte Woche sah, musste ich laut auflachen. Und diese Aufnahme machen.

An dieser Stelle werde ich auf Bildunterschriften und -erklärungen verzichten – und die Aufnahmen für sich selbst sprechen lassen. Mein Lieblingsfoto zeige ich ganz zum Schluss. 

Ich musste grinsen, als ich den Handschuh neben der dreckigen Plane am Rande einer Baustelle entdeckte. Denn ich wusste, dass dies mein bestes Foto der Serie war. Ich habe mich nicht geirrt. 

Wenn du eine dieser Aufnahmen an deine Wand hängen möchtest, schreibe mir gerne an: martin@krautreporter.de.