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Vorurteile und Unwissen zu ADHS in der Öffentlichkeit 

Psychische Gesundheitskompetenz umfasst Wissen und Überzeugungen über psychische Gesundheit, einschließlich Ätiologie, Risikofaktoren, wirksame Behandlungen und Interventionen, sowie darüber, wie man angemessene Hilfe und Informationen sucht, um die Erkennung und das Verständnis psychiatrischer Störungen zu erleichtern.

In einer Gesellschaft, in der die meisten Erwachsenen kaum den Unterschied zwischen Psychiater und Psychologen kennen, ist Unwissenheit über psychische Gesundheit leider eher die Regel als die Ausnahme.

Ansätze der Neurodiversität bei ADHS oder Autismus mit selbstwertförderlichen Sichtweisen sind ja selbst Fachleuten bzw. Sozialpädagogen, Erziehern oder Lehrern, aber leider auch Psychiatern oder Psychologen suspekt, da vielmehr defizit-orientierte Modelle dominieren.

Leider führen aber gerade die lebenslangen negativen (Selbst-)Zuschreibungen zusammen mit frustranen behavioralen (oder gar psychoanalytischen) Ansätzen und lange Wartezeiten auf störungsspezifische Hilfen eines multiprofessionellen Therapienangebotes dazu, dass sowohl die Kindern und Jugendlichen, ihre Therapeuten wie auch die Öffentlichkeit eine sehr negative und ausgrenzende Sicht auf das ADHS- und Autismusspektrum verfestigen.

In einer  systematischen Übersichtsarbeit wurden neuere Studien untersucht, die sich mit der Einstellung zu ADHS in einer breiteren Gruppe von Erwachsenen befassten.

Die Ergebnisse zeigen, dass die berichteten Einstellungen sowohl gegenüber Jugendlichen als auch gegenüber Erwachsenen mit ADHS im Allgemeinen eher negativ sind. Sie beschreiben die Wahrnehmung, dass ADHS überdiagnostiziert wird, dass Unsicherheit hinsichtlich der Akzeptanz der Behandlung von ADHS mit verschreibungspflichtigen Medikamenten besteht, was im Widerspruch zu evidenzbasierten Leitlinien steht, dass Menschen mit ADHS eher schlechtes Verhalten an den Tag legen und dass allgemein der Wunsch besteht, soziale Distanz zu denjenigen zu wahren, die ADHS-Verhalten zeigen.

Man könnte also sagen / schreiben : Die üblichen Verdächtigungen und Mythen bzw. Vorurteile haben sich im Laufe der letzten Jahre nicht positiv verändert, sie sind eher verhärtet zu finden.

Zwar wurden die Auswirkungen dieser Einstellungen in den vorgestellten Studien nicht untersucht, doch haben bestehende Untersuchungen gezeigt, dass eine negative Einstellung in der Öffentlichkeit mit der Nichtinanspruchnahme der klinischen Versorgung sowie einer schlechteren Funktionsweise und einem geringeren Selbstwertgefühl von Menschen mit ADHS zusammenhängt.

Anders ausgedrückt : Wenn man selber keine Hilfe erwartet bzw. auch nicht realistisch erwarten kann, wird man selber für sich oder sein Kind keine Hilfe suchen. 

Und leider muss man auch feststellen : Bei den Wartezeiten (und veralteten Angeboten) auf eine Diagnostik oder Therapie und dem unübersichtlichen und häufig kaum erreichbaren Zugang zu Therapie werden diese negativen Einstellungen ja eher in der Realität bestätigt als widerlegt. 

Selten machen die Betroffenen hier die Erfahrung von wertschätzender Unterstützung, echte Integration und individualisierte Hilfestellung.

Nicht nur im Therapiesystem, sondern natürlich dann auch in der Öffentlichkeit  wird dann aber gerne die Verantwortung für diese Chronifizierung der Familie (bzw. den Müttern) zugeschrieben bzw. eben Verhaltensauffälligkeiten als Beweis einer moralischen Schuld fehlattribuiert.


Daher wäre es wichtig, Wege zu finden, um negative Einstellungen in der breiteren Öffentlichkeit gegenüber Menschen mit ADHS zu minimieren. 

Positiv zu vermerken ist, dass die Studien in der aktuellen Übersichtsarbeit allgemein darin übereinstimmten, dass Wissen, Anerkennung und Vertrautheit mit ADHS tendenziell vor negativen Einstellungen schützen, ebenso wie die Tatsache, jünger zu sein und/oder eine höhere formale Bildung genossen zu haben.

Diese Ergebnisse veranlassten die Autoren zu dem Vorschlag, dass Ansätze, die das Wissen über ADHS in Bezug auf die psychische Gesundheit erhöhen und falsche Vorstellungen über ADHS in der breiteren Öffentlichkeit abbauen, eine Möglichkeit darstellen könnten, die Einstellung gegenüber Menschen mit ADHS zu verbessern. Dies wird durch die Studien gestützt, die den Wunsch nach sozialer Distanz untersuchten und zeigten, dass nicht so sehr die Symptome die Akzeptanz beeinflussen, sondern vielmehr die Frage, ob sie der Person oder der ADHS selbst zugeschrieben werden oder nicht.

Die frühere Übersichtsarbeit kam zu ähnlichen Schlussfolgerungen in Bezug auf die potenzielle Rolle der psychischen Gesundheitskompetenz durch eine stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit und ein größeres Wissen über ADHS bei der Korrektur von Fehlwahrnehmungen und dem Abbau negativer Einstellungen gegenüber ADHS in der Allgemeinheit.

Jüngste Meta-Analysen zur Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen psychischen Gesundheitskompetenz haben gezeigt, dass solche Maßnahmen das Wissen deutlich verbessern und stigmatisierende Einstellungen verringern können.

Es wird vorgeschlagen, dass zur Verbesserung des Wissens und der Überzeugungen über ADHS und seine Behandlung auf Bevölkerungsebene Forschungsarbeiten durchgeführt werden sollten, die sich an die allgemeine Erwachsenenbevölkerung richten, um den aktuellen Stand des Verständnisses und der Stigmatisierung in der Gemeinschaft zu ermitteln und Maßnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit im Zusammenhang mit ADHS zu entwickeln und umzusetzen (Bisset et al.

Die Forschung deutet darauf hin, dass es wichtig ist, dass solche Interventionen Folgendes beinhalten:

Verbesserung des Wissens über ADHS-Verhaltensweisen und deren Unterscheidung von entwicklungstypischen Verhaltensweisen; 

angemessene Erklärungen zur Ätiologie und zum Risiko; 

und Informationen darüber, wie man Hilfe für ADHS sucht, 

sowie über die verschiedenen verfügbaren Behandlungen und deren Wirksamkeit.


Leider erlebe ich nicht, dass hier eine wirksame Durchdringung in der breiten Öffentlichkeit zu verzeichnen wäre. Selbst die Stellen, die dann vielleicht erstmal eine Beratung mit organisieren könnten (neben den Kinder- und Jugendärzten/ - psychiatern), die Unabhängigen Teilhabeberatungsstellen, sind wohl gänzlich unbekannt, oder ?

Ja leider noch nicht einmal dort, wo sich die Kinder und Jugendlichen und ihre Familien aufhalten (müssen) oder wo man nun Aufklärungsarbeit leisten könnte.

Die Vorurteile der letzten 20 Jahre sind jedenfalls noch so zu finden, wie zu Beginn meiner Beschäftigung mit ADHS 1998.

Sowas macht schon traurig und wütend. Dennoch sollte und darf man da in der Öffentlichkeitsarbeit nicht aufgeben.

Welche Ideen hast DU, damit man ein positiveres Bild von ADHS und Autismus in der Öffentlichkeit verbreiten könnte?

Wie könnte man die tollen Seiten von ADHS und Neurodiversität bekannter machen ? 

Wie werden positive Modelle von ADHSlern mit erfolgreichen Lebensläufen bzw. gelungenen Anpassungen und Nischen bekannter bzw. trauen sich Leute, diesbezüglich ein "Outing"?

Wie kann man die Versorgungsvielfalt bzw. überhaupt ein Angebot für Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus dem Neurodiversitäts-Spektrum verbessern?

DANKE für DEINE Unterstützung von ADHSSpektrum über die Förderbeiträge, den Newsletter, Teilen und Kommentieren oder sonstige Formen der moralischen Hilfe!




Bisset, M., Winter, L., Middeldorp, C. M., Coghill, D., Zendarski, N., Bellgrove, M. A., & Sciberras, E. (2021). Recent Attitudes toward ADHD in the Broader Community: A Systematic Review. Journal of Attention Disorders, 108705472110036. doi:10.1177/10870547211003671

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