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ADHS: Digitaler Wahnsinn oder genetisches Schicksal?

Die Wahrheit zwischen Bildschirm und Biologie

Ist unsere Bildschirmzeit schuld an der ADHS-Welle?

Die Zahl der ADHS-Diagnosen ist in den letzten zwei Jahrzehnten drastisch gestiegen. Liegt das an besserer Diagnostik und höherem Bewusstsein – oder daran, dass unsere Gehirne durch ständige Reizüberflutung aus den sozialen Medien schlicht ausbrennen?

Ein neuer Artikel im British Journal of Psychiatry wirft eine brisante These auf: Es gibt nicht nur das klassische, genetisch bedingte ADHS (Typ I), sondern möglicherweise auch eine umweltbedingte Form (Typ II), die durch übermäßige digitale Mediennutzung entsteht oder verstärkt wird. Eine Hypothese, die kontrovers diskutiert werden muss.

Genetik von ADHS: Warum es definitionsgemäß angeboren ist

ADHS ist eine hochgradig erbliche, neurobiologische Entwicklungsstörung, die auf einer polygene Genetik basiert. Genetische Studien zeigen, dass ADHS zu etwa 70–80 % vererbt wird (Faraone & Larsson, 2019). Das bedeutet, dass viele verschiedene Gene zusammenspielen und das Risiko für ADHS beeinflussen. Dabei gibt es keine einzelne „ADHS-Mutation“, sondern eine Vielzahl von genetischen Variationen, die gemeinsam die Entwicklung der exekutiven Funktionen und der Dopaminregulation im Gehirn beeinflussen.

ADHS wird daher definitionsgemäß angeboren. Die Unterschiede in der Gehirnentwicklung und Neurotransmitterregulation bestehen bereits in der frühen Kindheit. Allerdings können Umweltfaktoren wie Stress, Schlafmangel oder Mediennutzung die Symptomatik verstärken oder modifizieren – ohne dass ADHS „verursacht“ wird. Vielmehr kann es durch Umweltfaktoren früher sichtbar werden oder schwerer ausgeprägt sein.

Korrelation oder Kausalität? Was wir wirklich wissen

Längsschnittstudien zeigen, dass Jugendliche mit hohem digitalen Medienkonsum über die Zeit mehr ADHS-Symptome entwickeln (Ra et al., 2018; Wallace et al., 2020). Gleichzeitig belegen Neuroimaging-Studien auffällige Parallelen zwischen exzessiver Bildschirmnutzung und ADHS: Veränderungen in der Dopaminregulation, geringere Gehirnvolumen in exekutiven Kontrollzentren und eine verstärkte Reaktion des Belohnungssystems auf soziale Medien-Interaktionen (Westbrook et al., 2024; Marciano et al., 2020).

Aber: Korrelation ist nicht Kausalität. Bedeutet das, dass TikTok, YouTube & Co. ADHS verursachen? Oder nutzen Menschen mit ADHS einfach häufiger soziale Medien, weil sie impulsiv sind und schnelle Dopamin-Kicks suchen? Die Autoren schlagen vor, ADHS als Spektrum zu betrachten, in dem Umweltfaktoren wie digitale Überstimulation eine zunehmende Rolle spielen könnten.

Das Dopamin-Dilemma: Ist das digitale Leben eine ADHS-Fabrik?

ADHS ist bekanntlich mit geringerer Dopamin-Synthese im Striatum verbunden – genau jene Gehirnregion, in der laut einer PET-Studie von Westbrook et al. (2024) übermäßiger Social-Media-Konsum die Dopaminproduktion dämpft. Dies könnte bedeuten, dass die permanente Reizüberflutung durch digitale Medien eine Art "ADHS-ähnliche" Gehirnstruktur erzeugt oder die Symptome verschärft.

Zugleich zeigt eine fMRT-Studie (Moisala et al., 2016), dass Menschen, die häufig zwischen digitalen Aufgaben wechseln (Multitasking), schlechter in der Lage sind, Ablenkungen zu unterdrücken. Ihr präfrontaler Kortex – das Kontrollzentrum für Aufmerksamkeit – muss härter arbeiten, um fokussiert zu bleiben. Der Preis: Mehr Erschöpfung, weniger kognitive Kontrolle.

Digitale Überstimulation: ADHS oder ADHS-ähnlich?

Es gibt eine wichtige Unterscheidung: Digitale Medien können eine ADHS-ähnliche Symptomatik erzeugen, aber sie machen niemanden im genetischen Sinne „krank“. Kinder oder Erwachsene, die keine genetische Disposition für ADHS haben, könnten durch übermäßige Mediennutzung Schwierigkeiten mit Konzentration, Impulskontrolle und Motivation entwickeln – aber das ist keine ADHS, sondern eine funktionelle Anpassung des Gehirns an ständige Reizüberflutung.

Für Menschen mit echter ADHS kann die Mediennutzung jedoch als externer Verstärker fungieren: Sie verstärkt impulsive Verhaltensweisen, verkürzt die Aufmerksamkeitsspanne und verschärft Probleme mit exekutiven Funktionen. Das könnte erklären, warum viele Menschen mit ADHS besonders anfällig für die „Sogwirkung“ sozialer Medien sind.

Was heißt das für Betroffene und Eltern?

Sollten wir Kindern und Jugendlichen also alle Bildschirme verbieten? Nein – aber Maß und Bewusstsein sind entscheidend. Die Forschung deutet darauf hin, dass:

  • Exzessive digitale Mediennutzung die ADHS-Symptomatik verstärken kann – insbesondere bei genetisch vorbelasteten Menschen.

  • Strategien zur Medienregulation (wie bewusste Nutzung, Pausen und klare Offline-Routinen) helfen können, Aufmerksamkeitsprobleme zu reduzieren.

  • Psychotherapie und Coaching für „Typ-II-ADHS“ möglicherweise effektiver sein könnten als Medikamente – ein Ansatz, der in der Forschung noch vertieft werden muss.

ADHS als Spiegel der digitalen Gesellschaft?

Ob digitale Medien tatsächlich ADHS „verursachen“ oder nur verstärken, bleibt offen. Doch klar ist: Unsere Art zu leben verändert unser Gehirn. Während klassische ADHS-Formen stark genetisch bedingt sind, zeigt sich zunehmend, dass unser digitales Zeitalter Aufmerksamkeitsprobleme verschärfen kann. Wer hier klug gegensteuert, schützt sein Gehirn – und das seiner Kinder.

ADHS-Kinder und wir Erwachsene sind da quasi Indikatoren für strukturelle Störungen bzw. Entwicklungen, die sowohl ADHSler wie auch neurotypische Menschen betreffen.

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Quelle : Kudlow P, Treurnicht Naylor K, Abi-Jaoude E. Genes and screens: attention-deficit hyperactivity disorder in the digital age. Br J Psychiatry. 2025 Mar 13:1-3. doi: 10.1192/bjp.2025.15. Epub ahead of print. PMID: 40079895.


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