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Warum Selbstregulation für neurodivergente Menschen so anstrengend ist

Stell dir vor, jeder einzelne Aspekt deines Lebens wäre Arbeit – keine angenehme Routine, sondern eine endlose Abfolge von Aufgaben, die ständige Anstrengung erfordern. Genau so fühlt sich das Leben für viele neurodivergente Menschen an. Selbst einfache Dinge wie Aufstehen, Essen zubereiten oder an das Bezahlen von Rechnungen zu denken, können zu massiven Herausforderungen werden. Warum ist das so? Warum gibt es für viele Menschen mit ADHS, Autismus oder anderen neurodivergenten Traits keine "Normalität", die einfach nur "sein" erlaubt?

Selbstregulation: Die stille Energiekrise

Selbstregulation bezeichnet die Fähigkeit, die eigenen Gedanken, Emotionen und Handlungen so zu steuern, dass sie den aktuellen Anforderungen entsprechen. Das klingt einfach, ist es aber nicht – besonders nicht für neurodivergente Menschen. Unser Gehirn ist darauf ausgelegt, Prioritäten zu setzen, Abläufe zu automatisieren und flexibel zwischen Aufgaben zu wechseln. Doch bei ADHS oder Autismus sind genau diese Prozesse oft gestört. Das führt dazu, dass selbst grundlegende Dinge ständig aktive mentale Energie erfordern. Es ist, als würde dein Gehirn immer im "Notfallmodus" laufen.

Ein Beispiel aus dem Alltag:

Ein neurotypischer Mensch wacht auf und startet in den Tag: Aufstehen, Zähneputzen, Frühstücken – alles in einer vertrauten Routine. Eine neurodivergente Person hingegen muss jeden dieser Schritte bewusst überlegen: "Habe ich Zahnpasta? Wie viel Zeit habe ich? Wo sind meine Hausschuhe?" Die Energie, die andere sparen, weil vieles automatisch läuft, wird hier bereits am Morgen aufgebraucht.

Warum die einfachen Dinge so schwer sind

  1. Automatisierungen fehlen Für viele Menschen sind alltägliche Aufgaben wie Zähneputzen oder Essen kochen Automatismen. Für neurodivergente Menschen sind es jedoch oft bewusste Entscheidungen, die jedes Mal neu überlegt und geplant werden müssen. Das gilt auch für einfache Routinen wie das Packen einer Tasche. Ein Beispiel: Ein Autist mit sensorischen Problemen muss vor jedem Schritt abwägen, welche Kleidung sich angenehm anfühlt – etwas, das neurotypische Menschen kaum bemerken.

  2. Exekutive Funktionen sind beeinträchtigt Neurodivergente Gehirne haben oft Schwierigkeiten mit den sogenannten exekutiven Funktionen – den Prozessen, die für Planung, Impulskontrolle und Organisation zuständig sind. Das bedeutet, dass es enorm viel Energie kostet, sich an Aufgaben zu erinnern, diese zu priorisieren und dann auch noch auszuführen. Ein Beispiel: Jemand mit ADHS weiß, dass die Stromrechnung bezahlt werden muss, aber der Gedanke daran verschwindet inmitten anderer Reize. Wenn die Mahnung kommt, ist die Scham umso größer.

  3. Overload durch sensorische und emotionale Reize Menschen mit Autismus oder ADHS sind oft anfälliger für sensorische Überreizung oder emotionale Überflutung. Diese Überforderung macht es schwer, sich auf einfache Aufgaben zu konzentrieren. Ein Beispiel: Im Supermarkt müssen nicht nur Produkte ausgewählt, sondern auch Licht, Geräusche und Menschenmengen ausgeblendet werden. Das Einkaufen wird so zu einer Marathonaufgabe.

  4. Perfektionismus und Selbstzweifel Viele neurodivergente Menschen haben gelernt, dass sie "nicht genügen" oder "anders" sind. Dieser Druck führt dazu, dass selbst kleine Aufgaben von übertrieben hohen Erwartungen begleitet werden. Beispiel: Statt eine schnelle E-Mail zu schreiben, verbringt jemand Stunden damit, jedes Wort zu perfektionieren, aus Angst vor Kritik.

  5. Energiemanagement Neurodivergente Menschen starten den Tag oft schon mit einem halb leeren "Akku", da ständige Selbstüberwachung und Anpassung an die Umwelt kräftezehrend sind.

Warum "Normalität" so oft unerreichbar scheint

Das Konzept von "Normalität" basiert auf der Idee, dass es einen Zustand gibt, in dem alles von selbst läuft. Doch für neurodivergente Menschen gibt es diesen Zustand kaum. Selbst Momente der Entspannung müssen oft aktiv geschaffen werden. Es fühlt sich an, als würde man einen Berg besteigen, während andere auf einer Rolltreppe stehen.

Beispiele:

  • Freundschaften pflegen: Ein kurzes Telefonat oder eine Verabredung kann enorme mentale Energie erfordern, weil die sozialen Codes und Erwartungen ständig reflektiert werden müssen. Eine Autistin beschrieb es einmal so: "Ich muss jedes Mal ein Skript schreiben, bevor ich telefoniere, damit ich nichts Falsches sage."

  • Hygiene: Regelmäßig zu duschen oder Zähne zu putzen ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein bewusster Akt der Selbstfürsorge, der leicht überfordert. Ein junger Mann mit ADHS sagte: "Ich weiß, dass ich duschen muss, aber es fühlt sich an wie ein riesiger Berg, den ich besteigen muss."

  • Schlaf: Einschlafen und durchschlafen ist oft ein Kampf gegen Gedankenkarusselle und innere Unruhe. Eine Betroffene erzählte: "Ich plane meinen Schlaf so sehr, dass ich am Ende vom Planen wach bleibe."

Der gesellschaftliche Druck

Unsere Gesellschaft setzt voraus, dass Selbstregulation eine Selbstverständlichkeit ist. Doch für neurodivergente Menschen bedeutet dieser Druck oft zusätzliche Belastung. Sie müssen nicht nur die Aufgaben des Alltags bewältigen, sondern auch ständig erklären, warum das so schwer ist. Die ständige Erklärungsnot kostet zusätzliche Energie und verstärkt das Gefühl, nicht "normal" zu sein.

Beispiel:

Eine Mutter mit ADHS wird von anderen kritisiert, weil sie die Kinder immer "zu spät" zur Schule bringt. Niemand sieht, wie viel Energie sie bereits investiert hat, um die Kinder überhaupt fertig zu machen. Dieser Druck, "normal" zu sein, nimmt ihr die letzte Kraft.

Was hilft?

  1. Radikale Akzeptanz Zu verstehen, dass es okay ist, anders zu funktionieren, ist der erste Schritt. Es geht nicht darum, "normal" zu werden, sondern die eigenen Bedürfnisse anzuerkennen. Beispiel: Statt ständig Ordnung zu halten, kann es helfen, bestimmte Bereiche bewusst "chaotisch" zu lassen.

  2. Hilfsmittel nutzen Apps, Reminder und Checklisten können helfen, mentale Energie zu sparen. Beispiel: Eine Autistin nutzt farbige Kästchen, um ihre Aufgaben visuell zu organisieren.

  3. Unterstützung suchen Buddy-Systeme, Coaching oder Selbsthilfegruppen bieten wertvolle Ressourcen. Beispiel: In einer ADHS-Gruppe berichtet ein Mitglied von seiner Strategie, Aufgaben durch gemeinsame "Pomodoro-Sessions" zu erledigen.

  4. Kleine Schritte und Routinen Statt großer Pläne hilft es, kleine machbare Ziele zu setzen und diese in einfache Routinen zu überführen. Beispiel: Ein Mann mit ADHS führt eine Regel ein: "Ich mache jeden Morgen nur das Bett – alles andere kommt später."

  5. Selbstmitgefühl entwickeln Sich selbst zu vergeben, wenn nicht alles klappt, kann enorm entlastend sein. Beispiel: Eine Frau mit ADHS schreibt abends drei Dinge auf, die sie geschafft hat, statt sich auf das zu fokussieren, was nicht lief.

Fazit

Für neurodivergente Menschen ist das Leben oft kein einfacher Fluss, sondern ein ständiger Kampf gegen die Strömung. Doch mit der richtigen Unterstützung, Akzeptanz und passenden Werkzeugen können sie nicht nur überleben, sondern auch ihren eigenen Weg finden, der vielleicht nicht "normal", aber dafür umso wertvoller ist.

LG Martin 🧠💡🌈🛦️🗣️✨↔️🎨💬🚀
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