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Wort-Dock #8

Buch- und Ausstellungstipps für den Juli 2024. Immer am 15. des Monats.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

vor einigen Tagen habe ich einen Mann nahe einer viel befahrenen Straße sitzen sehen, keine Fußgänger weit und breit, neben sich ein Getränk, versunken ein Buch. Den Verkehr schien er gar nicht wahrzunehmen. Bücher können uns in andere Welten entführen, wo auch immer man sie liest.

In der Juli-Ausgabe meines Newsletters „Wort-Dock“ stelle ich Euch einen Briefroman vor, der uns auf ein Frachtschiff mitnimmt. Dazu kommt ein Beispiel für Kunst im öffentlichen Raum in Hamburg und ein (sommerlicher) Surftipp für diejenigen, die Pop Art von zuhause aus genießen möchten.

Viel Spaß beim Lesen!

Vergnüglicher Briefroman

Roman "Die Concierge ist auf See" von Magali Desclozeaux, erschienen bei Maro.

Titel: Die Concierge ist auf See

Autorin: Magali Desclozeaux

Verlag: MaroVerlag

Originaltitel: Une loge en mer

Aus dem Französischen übersetzt von: Merle Struve

Deutsche Erstveröffentlichung: 18.03.2024

Gebundene Ausgabe: 168 Seiten, 22 Euro

Inhalt: Die ehemalige Concierge Ninon Moineau aus Paris hat ihre schmale Rente gegen Kost und Logis auf einem Containerschiff eingetauscht. Nachdem sie darauf jahrelang mitgefahren ist, möchte sie ans Festland zurückkehren und wieder ihre Rente beziehen. Doch ihr Vertragspartner antwortet nicht mehr. Ninon findet heraus, dass sie auf einen Finanzhai hereingefallen ist. Sie gibt nicht auf, sondern wehrt sich vom Frachter aus – und bekommt dabei Hilfe…

Hauptteil: Magali Desclozeaux ist nach Verlagsangaben Schriftstellerin und Übersetzerin aus dem Italienischen. „Die Concierge ist auf See“ ist ihr dritter Roman. Bei der Recherche hat sie selbst eine Frachtschiffreise unternommen.

Der Roman schlägt einen Bogen zwischen den Themen Globalisierung, Finanzjongleuren, Steueroasen und Altersarmut. Es handelt sich hier um einen Briefroman in fünf Kapiteln, der aus fiktiven Briefen besteht. In den bitterbösen, grotesken Ereignissen rund um die betrogene Rentnerin ist der Mensch praktisch zur Ware verkommen. Gleichzeitig entspinnt sich in Ninons Briefwechsel eine tiefe Menschlichkeit.

Fazit: Ein vergnügliches Stück Kapitalismuskritik, das ich sehr gerne gelesen habe. Das gilt vor allem in der heutigen Zeit der E-Mails und Textnachrichten, in der kaum noch Briefe geschrieben werden.

Kunst im öffentlichen Raum

Diesen gelb leuchtenden Schriftzug „die eigene GESCHICHTE“ habe ich schon sehr häufig vom Abteilfenster der S-Bahn aus gesehen. Er befindet sich an der Stützwand zur Hamburger Kunsthalle neben den Gleisen des Hauptbahnhofs – und zwar in Zugrichtung blickend auf der linken Seite, wenn man zum Bahnhof Dammtor fährt.

Schriftzug „die eigene GESCHICHTE“ von der Konzeptkünstlerin Barbara Schmidt Heins aus dem Jahr 1994. Angebracht an der Stützwand zur Hamburger Kunsthalle neben den Gleisen des Hauptbahnhofs.

Die Arbeit „die eigene GESCHICHTE“ aus dem Jahr 1994 stammt von der Konzeptkünstlerin und zweimaligen Documenta-Teilnehmerin Barbara Schmidt Heins (geboren mit ihrer Zwillingsschwester Gabriele 1949 in Rellingen, Schleswig-Holstein). Der Schriftzug befand sich ursprünglich an drei Orten entlang der S-Bahn- und Fernbahn-Linie zwischen den Hamburger Bahnhöfen Altona und Harburg: an der oben gezeigten Stützwand zur Hamburger Kunsthalle, an der Mauer des Zentralen Busbahnhofs Harburg neben den Gleisen – der Busbahnhof wurde übrigens vor Kurzem abgerissen und soll neu gebaut werden – und an dem (nicht mehr existierenden) Telekomgebäude beim Fernsehturm.

Dies sind die beiden verbliebenen Schriftzüge:

Schriftzug „die eigene GESCHICHTE“ von der Konzeptkünstlerin Barbara Schmidt Heins aus dem Jahr 1994. Angebracht an der Stützwand zur Hamburger Kunsthalle neben den Gleisen des Hauptbahnhofs.

oben: Blick auf den Schriftzug bei der Hamburger Kunsthalle beim Hauptbahnhof

Schriftzug „die eigene GESCHICHTE“ von der Konzeptkünstlerin Barbara Schmidt Heins aus dem Jahr 1994. Angebracht an der Mauer des Zentralen Busbahnhofs Harburg neben den Gleisen.

oben: Blick auf den Schriftzug beim Harburger Busbahnhof

Es gibt das Sinnbild von der Zugfahrt als Zug des Lebens. So hat zum Beispiel der Schriftsteller Erich Kästner (1899 - 1974) im Jahr 1931 „Das Eisenbahngleichnis“ verfasst, dessen erste zwei Zeilen lauten:

„Wir sitzen alle im gleichen Zug und reisen quer durch die Zeit.“

Barbara Schmidt Heins‘ Schriftzug „die eigene GESCHICHTE“ lädt zum Nachdenken ein. Was bedeutet er für Reisende, die ihn aus ihrem Abteilfenster sehen? Was bedeutet er für mich persönlich? Warum hat die Künstlerin genau diese Worte gewählt? Warum diese Schreibweise? Warum diese Orte? Und weshalb die Farbe Gelb? Wer sich darauf einlässt, kann interessante Antworten finden.

Surftipp: Kunst von zuhause aus entdecken

Sommerurlaub. Strandtage. Badezeit. Bikinistreifen auf nackter Haut. Eis am Stiel. Beach Boys… Auf der Internetseite des Wilhelm-Hack-Museums in Ludwigshafen am Rhein könnt Ihr den 360-Grad-Rundgang einer Ausstellung erkunden, die dort vom 6. Juni bis zum 13. September 2020 gelaufen ist: „Good Vibrations: Sommer in der Pop Art.“ Die Ausstellung behandelt das Lebensgefühl der 1960er und 1970er Jahre und stellt amerikanische, britische und deutsche Künstler einander gegenüber. Zum Beispiel Dieter Asmus, Werner Berges, Peter Blake, Dieter Glasmacher, Gerald Laing, Roy Lichtenstein, Dieter Reick, Robert Stanley und Andy Warhol.

Die Grafiken und Objekte dieser Ausstellung stammen übrigens größtenteils aus der Sammlungsschenkung des Düsseldorfer Rechtsanwalts Heinz Beck.

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