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Alle zusammen…?

Hallo,

wo stehen wir anderthalb Wochen nach den Enthüllungen von Correctiv zum Treffen von Potsdam. Ich würde sagen, irgendwo zwischen Hoffnung und Verzweiflung.

Positiv stimmt mich, wie viele große, spontane Demonstrationen gegen Rassismus es in den vergangenen Tagen gab. Der gute Tadzio vermutet, dass wir bei den Demonstrationen die “Umrisse eines neuen gesellschaftlichen Subjekts gesehen” haben, dass er vorläufig “die vielfältige Gesellschaft” (Opens in a new window) nennen möchte.

Leider sehe ich die Gefahr, dass der antifaschistische Aufbruchsmoment ganz schnell schon wieder vorbei sein kann. In Wuppertal und Dortmund etwa gibt es jeweils zwei Kundgebungen, die es vor allem gibt, weil bürgerliche Kräfte nicht mit Linken demonstrieren wollen. Aber es gibt auch andere Debatten. In Potsdam haben der Bundeskanzler und die Außenministerin an einer Kundgebung teilgenommen. Viele Linke haben sich danach geärgert und erklärt, man könne mit denen nicht demonstrieren, weil ihre Abschiebepolitik sich nicht von den Plänen der AfD unterscheide. (Opens in a new window) In Köln wiederum gab es Aufregung über einen Redebeitrag der Migrantifa. Die Gruppe hatte zu zahlreichen Anti-Israel-Demos aufgerufen.

Das mit dem “Alle zusammen gegen den Faschismus!” funktioniert also nicht so gut. Ich denke, progressive Menschen sollten trotzdem an den Demonstrationen teilnehmen. Es ist (Floskelalarm!) wirklich fünf vor zwölf. Die AfD könnte in Sachsen oder Thüringen, wenn es sehr gut für sie läuft, alleine regieren. Sie wird dann direkt mit dem Umbau des Staates anfangen. Ich habe Ulrich Siegmund, der beim Treffen in Potsdam war, und Fraktionsvorsitzender in Sachsen-Anhalt ist, diese Woche in einem rechten Podcast gehört. Er sagte da, eine AfD in Regierungsverantwortung müsse direkt Maßnahmen ergreifen, “die man im Straßenbild sieht”. Ich glaube solche Aussagen machen deutlich, dass es Zeit ist, Banden zu bilden, Bündnisse zu schmieden, Netzwerke zu erweitern, nennt es wie ihr mögt. Es gibt gerade die Möglichkeit Menschen mit den Themen Antifa und Antira anzusprechen. Die Möglichkeit sollte man nutzen.

Ganz doll ans Herz legen mag ich euch diese Woche einen Text von mir, in dem ich mich tiefgehender mit der Strategie der extremen Rechten beschäftige:

Theorie & Pop für ein weißes Europa (Opens in a new window)

Ansonsten gab’s noch ein paar Zeilen über die Bauernproteste (Opens in a new window) und Alice Weidels ehemaligen persönlichen Referenten Roland Hartwig (Opens in a new window).

Am Dienstag habe ich die aufkommende Protestbewegung zusammengefasst (Opens in a new window). Dafür habe ich Essen stellt sich quer (Opens in a new window), drei Fragen gestellt, von denen es nur Auszüge in den Artikel geschafft haben. Im Newsletter also das Bonusmaterial, mit den vollständigen Antworten von Christian Baumann, einem Sprecher von ESSQ.

Wie ist euer Impuls zur Demo gekommen?

Ausgehend von der Recherche von CORRECTIV, bei der bekannt geworden ist, dass sich AfD-Politiker mit der Identitären Bewegung, Personen aus der Werteunion und einem Milliardär im Rücken getroffen haben, um über die millionenfache Deportation hier Lebender zu beratschlagen, gab es innerhalb unseres Bündnisses den Drang, ein Zeichen gegen den Hass und die Hetze der Partei zu setzen. Es ist abermals klar geworden, dass sie nicht nur im Flügel faschistisch ist, sondern auch in ihrem Kern. Zudem haben sich viele Menschen über diverse Wege an uns gewandt und uns gefragt, ob wir etwas auf die Beine stellen können. Da der Anlass und der Zeitpunkt sich sehr richtig anfühlten, haben wir uns kurzerhand entschlossen, binnen kürzester Zeit auf der Straße zu stehen.

Wie überrascht wart ihr, dass die Demonstration so groß geworden ist?

Das Wetter am 15.01. war nicht optimal; die Temperaturen nah am Gefrierpunkt, Schneegestöber den ganzen Tag über und nur knapp zwei Tage Vorlaufzeit für die Mobilisierung: Wir haben anfangs 300 Menschen zu unserer Versammlung erwartet und haben dann, als wir mitbekommen haben, dass die Beiträge auf Social Media sehr gut angenommen werden, auf 500 erhöht. In Duisburg waren am vorhergehenden Samstag 1200 Menschen statt erwarteter 150 erschienen. Da es in Essen, anders als beim Neujahrsempfang der AfD in Duisburg, keinen Anlass für einen direkten Gegenprotest gab, haben wir die 500 unter den beschriebenen Umständen für realistisch eingeschätzt und insgeheim gehofft, dass wir vielleicht doch mehr werden. Mit den 7000 Personen, die gestern mit uns auf der Straße waren, hätten wir aber niemals gerechnet und sind äußerst dankbar dafür, gemeinsam eine der größten Demonstrationen der letzten Jahrzehnte in Essen auf die Beine gestellt zu haben.

Was waren aus eurer Sicht so die wichtigsten Botschaften, die von der Demo oder aus Reden vermittelt wurden?

Ganz generell ist das wichtigste Zeichen von der Demo, dass sich ganz viele und unterschiedlichste Menschen, ob alt, ob jung, als Familie, oder allein, Nachbarinnen und Nachbarn, in dem einen Punkt zusammenfinden können: Die AfD ist brandgefährlich und steht für eine Politik der Zersetzung, der Hetze und der Menschenfeindlichkeit. Viele, die bislang nicht ihre Stimme erhoben haben, haben das auf der Demo – teils auch zum ersten Mal – getan und werden es hoffentlich weiter tun.

Die Prüfung eines Verbotsverfahrens für die AfD ist das Gebot der Stunde, wie in den Redebeiträgen von CORRECTIV und dem Volksverpetzer übereinstimmend gesagt wurde. Während die NPD noch zu klein und unbedeutend war, um sie verbieten zu können, ist das bei der AfD ganz klar nicht der Fall. Ein Verbotsverfahren beendet nicht das faschistische Treiben ihrer Mitglieder. Aber es stört sie empfindlich, indem Finanzströme unterbrochen und Strukturen zerschlagen werden. Es gibt dieses Mittel; wir sollten es nutzen. Gerade im Pott, dem Schmelztiegel Deutschlands, wissen die Menschen, dass es nur miteinander, niemals gegeneinander geht.

Als Bündnis hat uns besonders am Herzen gelegen zu vermitteln, dass wir gemeinsam ein starkes Zeichen mit so einer Versammlung setzen, aber es auch ein Morgen und ein Übermorgen ohne derartige Großdemonstration gibt und es daher wichtig ist, den Spirit von Montag mit nach Hause und das nächste Gespräch mit Freund*innen, Nachbar*innen oder am Arbeitsplatz zu nehmen. Aktiv gelebte Demokratie beginnt im Kleinen, im Alltäglichen, im Zwischenmenschlichen und: Im Leisen, ohne große Aufmerksamkeit. Die Energie, die wir gespürt haben, hält hoffentlich noch länger an.

Dinge, auf die ich euch noch aufmerksam machen mag:

Es gab in NRW 2024 ja schon zwei Todesfälle bei bzw. nach Polizeieinsätzen. In Mülheim und Aachen sind deshalb auch heute Menschen auf die Straße gegangen und haben Aufklärung gefordert. Dazu hoffentlich bald mehr. Der Todesfall in Mülheim war jedenfalls schon Thema im Landtag (Opens in a new window).

Die Wölfin Gloria darf nicht abgeschossen (Opens in a new window) werden.

Und zum Abschluss ein Zombie-Hörspiel. Nein, das WDR-Stadtgespräch (Opens in a new window) zum Thema Castor-Transporte von Jülich nach Ahaus. Das Thema wird wohl noch öfter aus der Gruft klettern.