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Trumpism ist nicht nur eine Ursache, sondern auch eine Folge

Ein Kommentar zur Notwendigkeit des Paradigmenwechsels

Gestern in der Welt aufzuwachen war wahrlich keine Freude, und es ist verständlich, dass viele sich hilflos fühlen und es schwerfällt, aus diesem Gefühl wieder herauszufinden. Die Wahl wirkt sich mittelbar auch auf uns aus und davon abgesehen ist „Trumpism“ ein Phänomen, das sich längst nicht mehr auf die USA beschränkt. 

Trumpism bezeichnet eine politische Bewegung, die durch Populismus, Nationalismus und Autoritarismus gekennzeichnet ist. Sie setzt auf eine starke, oft provokative Rhetorik, eine Ablehnung von etablierten Institutionen und eine politische Agenda, die gegen Einwanderung, für wirtschaftlichen Nationalismus und konservative Werte ist. 

Die Ausbreitung von Trumpism ist der Grund, den USA und Trump den Fokus möglichst schnell wieder zu entziehen und unsere Aufmerksamkeit auf das zu richten, was in unserem unmittelbaren Einflussbereich liegt. Denn Trumpism ist nicht nur eine Ursache, sondern auch eine Folge.

Schauen wir mal auf Berlin – da wohne ich und bekomme am meisten mit. Hier werden ständig Sozialausgaben gekürzt. Aktuell gibt eine vollständige Haushaltssperre für 2025. Das bedeutet:

Personal- und Sachkosten von sozialen Einrichtungen werden nicht mehr gedeckt, Beratungs- und Hilfsangebote fallen weg, Kinder bekommen keine Zuschüsse mehr für Klassenfahrten, das kostenlose Mittagessen in den Grundschulen steht auf dem Spiel, während gleichzeitig die Zahl finanziell armer Menschen stetig zunimmt, auch weil Inflation, Mieten und Lebenshaltungskosten weiter steigen.

Das ist die Basis für politische Versprechen, die über Angst funktionieren: ein gesellschaftliches Klima, in dem sich niemand mehr sicher sein kann, dass er oder sie nicht plötzlich, ohne jeden Support, Hunger leidet oder auf der Straße landet, wenn er oder sie einen Unfall hat, jemand aus der Familie krank wird, oder irgendetwas Unvorhergesehenes passiert. Wenn wir uns nicht mehr sicher sein können, dass wir aufgefangen werden von einem sozialen Netz, von einer Gemeinschaft, dann schafft das die Voraussetzungen für Populismus, der auf Angst setzt. 

Wer in einer Gesellschaft lebt, in der Sorgearbeit, Krankheit, Behinderungen oder Schicksalsschläge den ultimativen sozialen Abstieg bedeuten, ist ständig in Gefahr. Je stärker die Welt in oben und unten geteilt ist, in Gewinner*innen und Verlierer*innen, desto größer wird die Angriffsfläche. Je präsenter das Verlieren und die Verlierer*innen in unserem Alltag werden, desto stärker wächst die begründete Angst vor dem Abstieg und damit die Offenheit für populistische Parolen. Das gilt für die USA ebenso wie für Deutschland, auch wenn der christlich-fundamentalistische Anteil hierzulande geringer ist.

Und damit die Gewinner*innen dieser Verhältnisse nicht gefährdet werden, erzählen wir uns, zusammen mit allen (!) demokratischen Parteien, fleißig weiter den Mythos von der Leistungsgerechtigkeit und der eigenen Schuld der Verlierer*innen. So gut und so unhinterfragt erzählen wir diese Geschichte, dass selbst diejenigen, die zu den Verlierer*innen gehören, den Fehler bei sich suchen.  

Deswegen: Macht jetzt den Blick wieder weit. Schaut euch in eurer Nachbarschaft um, in euren Dörfern und in euren Städten. Wer lebt hier auf wessen Kosten?

Wenn Abstiegsangst bei mangelhaftem gesellschaftlichen Zusammenhalt der Nährboden für Populismus ist, sollten wir dafür sorgen, dass alle, deren Lohnarbeitspotential nicht dem eines gesunden, bio-deutschen cis Mannes ohne Care-Verantwortung entspricht, ein menschenwürdiges Leben führen können.

Entweder das – oder mehr Autoritarismus.

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