Schöne Aussicht: Mechmalerei von Jakub Rozalski
Ich habe großen Respekt vor Künstlern, die mit ihren Zeichnungen, Illustrationen und Malereien die Fantasie anregen und damit manchmal erst die Tore öffnen, durch die Storywriter, Programmierer und viele andere gehen, um eine ganze Welt daraus zu formen. Manchmal schaut man ein Bild an und sieht schon ein Abenteuer vor sich - oder wünscht sich eines.
Bei diesem hier, vom polnischen Künstler Jakub Rozalski (Opens in a new window), ging der Wunsch vor einigen Jahren sogar in Erfüllung. Denn es zierte das Cover des Brettspiels Scythe von Jamey Stegmeier (Viticulture, Charterstone), das 2016 bei Stonemaier Games erschien und aktuell auf Deutsch bei Feuerland Spiele (Opens in a new window) erhältlich ist.
(Opens in a new window)Kaum hatte ich diese Szene damals gesehen, diese friedliche Bauernidylle vor kriegerischem Stahlgewitter, war es quasi um mich geschehen - ich musste dieses Brettspiel einfach haben. Es traf mit seinem Gemäldestil meinen ästhetischen Nerv und machte sofort neugierig. Eine Fülle an widersprüchlichen Motiven wie Ernte und Tod, Mensch und Maschine, Pferde und Mechs, Lanzen und Maschinengewehre stellte umgehend Fragen nach der dargestellten Welt und Zeit.
Der Spieler in mir wollte wissen, ob es da vielleicht um Tabletop-Schlachten geht. Und der Historiker in mir wollte wissen, ob die rotweißen Wimpel der Reiter an der rechten Flanke, die auf diese roten Flaggen auf der linken Seite galoppieren, irgendwas mit Polen gegen Russland zu tun haben könnte?
Wie sich damals herausstellte, hatte Jakub Rozalski eine ganze (wunderbare!) Reihe an Illustrationen namens "1920+" angefertigt und tatsächlich eine pseudohistorische Alternativwelt für Europa erschaffen. Inspiriert hatte ihn der Krieg zwischen Polen und der Sowjetunion, der von 1918 bis 1921 tobte, in dem übrigens Polen und Ukrainer gemeinsam gegen die Rote Armee kämpften, und in dem eine der letzten großen Kavallerie-Schlachten der Neuzeit ausgetragen wurde.
Das Brettspiel Scythe knüpft daran an, ist aber kein Wargame mit Truppenfokus, sondern inszeniert als Aufbaustrategie einen Konflikt für einen bis fünf Spieler, der nach dem Ersten Weltkrieg stattfindet. Polen, Sachsen, Skandinavier, Tartaren und Russen müssen ihre Basis und das Gebiet mit Rohstoffen, Gebäuden und Mechs ausbauen, um immer weiter ins Zentrum vorzustoßen - darin erinnert es ein wenig an die 4X-Strategie Eclipse, aber Scythe hat genug eigene Ideen. Man verliert z.B. Ansehen, wenn man Zivilisten vertreibt, und es entsteht über kleine Aufträge etwas Rollenspielflair.
Es steht schon seit vielen Jahren ganz weit oben in meinem Regal - fast wie ein Gemälde. Und das, was die Cover-Illustration an visuellen Reizen verspricht, wird vom Spielplan über die Karten bis zu den Miniaturen weiter gehalten - ach so: Tiger, Bären, Wölfe & Co sind hier mythische Gefährten. Das Brettspiel Scythe gibt es auch als digitale Umsetzung für PC, iOS und Android, außerdem bildete die Spielwelt 1920+ den Hintergrund für die PC-Strategie Iron Harvest aus dem Jahr 2020.
Das ganze Portfolio von Jakub Rozalski findet ihr hier (Opens in a new window). Es gibt bereits einige "Schöne Aussichten" im Archiv, ich werde versuchen sie alle zwei Wochen anzubieten.
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