Mitten in der Bewegung – Recovery Walk 2025
von Mika
Seit einigen Wochen spüre ich ein Flirren in der deutschen Sobriety-Szene – es ist in mir und um mich herum. Der Eindruck verdichtet sich: Nach Jahren kleiner, stetiger Veränderungen stehen wir an einer Schwelle. Ich glaube, wir sind kurz davor, eine kritische Masse zu erreichen – kurz davor, zu einer richtigen sozialen Bewegung zu werden.
Nun ist es so, dass wir jeden Januar einen Ausschlag in Downloadzahlen sehen und sich die Leute für punktuelle Nüchternheit interessieren. Das ist nicht unbedingt überraschend. Doch derzeit passiert noch mehr: Immer mehr Menschen mit Suchtgeschichte schließen sich zusammen. In Hamburg wird das Nice Dry organisiert (Opens in a new window), in Leipzig veranstaltet das Pink Cloud Kollektiv (Opens in a new window) Soberpartys. Gruppen, die sich über OAMN (Opens in a new window) und SodaKlub (Opens in a new window) gefunden haben, tauschen sich lebhaft aus und erscheinen als gut gelaunte Legionen bei Mias Lesungen. Und auch in der Fachwelt bewegt sich was: Letztes Jahr öffnete sich sogar der Deutsche Suchtkongress für die Beteiligung von Betroffenen (Opens in a new window). Das alles ist neu – und richtungsweisend.
Diese flirrende Energie war auch spürbar, als ich am Donnerstag in einer Videokonferenz mit den Verantwortlichen des schottischen Recovery Walks saß. Es war dieselbe Energie, als die CEO der Organisation erzählte, dass »Recovery« in Schottland kein böses Wort mehr sei. Und als sie sagte: »Sorry, ich bremse mich mal – ich könnte ewig darüber reden«, wusste ich: Wir haben da was gemeinsam.
Ich liebe das Konzept von Recovery, weil es eine bessere Geschichte erzählt. Bisher wurde uns eine lebenslange Problemidentität angeboten – ein Stempel, der uns zwingt, im Kranksein zu verharren. Alkoholiker:innen, ob trocken oder nass, ist am Ende zweitrangig. Man bleibt, was man war. Wie unsexy kann man Genesung bitte machen? Recovery, auf der anderen Seite, basiert auf der Idee, dass Menschen ihr Leben aktiv und eigenverantwortlich gestalten können. Dass Sucht eine Erfahrung ist, die uns zwar prägt, aber mit der wir lernen können zu leben, die wir bearbeiten und integrieren können. Recovery bietet einen Rahmen, der Platz hält für individuelle Wege der Heilung, für Selbstbestimmung, Resilienz und soziale Teilhabe.
Genau darauf bauen die schottischen Recovery Walks auf. Die Organisation (Opens in a new window) unterstützt lokale Gruppen, sich zu vernetzen und zu strukturieren. Manche Gruppen wachsen und werden zu eigenständigen Charitys. Im September gibt es dann zahlreiche Aktionen rund um Recovery, die mit einem großen gemeinsamen Walk enden – letztes Jahr kamen rund 2.000 Menschen in Glasgow zusammen. Das Beste daran? Alles liegt in den Händen von Menschen, die selbst betroffen waren und sind.
https://www.youtube.com/watch?v=CJ-KIpA3Ero&ab_channel=ScottishRecoveryConsortium (Opens in a new window)Das alles ist fantastisch. Das alles brauchen wir auch in Deutschland ganz dringend, um Betroffene, Angehörige, Fachleute und Interessierte zusammen zu bringen, um sich zu vernetzen, denen zu gedenken, die wir verloren haben, und um Genesung zu feiern, Mut zu stiften und Stigmatisierung abzubauen.
Deshalb: Recovery Walk im September 2025 in Leipzig
Ein Team formiert sich bereits, um dieses Ziel umzusetzen. Wir suchen Unterstützung – ideell und irgendwann auch finanziell. Aktuell geht es aber vor allem darum, ein Organisationsteam aufzubauen. Es gibt einiges zu klären: Welche Behördengänge sind notwendig? Welche Orte in Leipzig eignen sich für das Rahmenprogramm? Müssen wir einen Verein gründen? Woher bekommen wir Förderungen? Wer übernimmt die Buchhaltung (ich schon mal nicht)? Welche Kanäle nutzen wir, um möglichst viele Menschen zu erreichen? Und wie wollen wir nach außen wirken?
Es ist viel Arbeit – und noch mehr zu lernen. Doch es macht unheimlich viel Spaß, Teil einer Bewegung zu sein. Und ich bin fest davon überzeugt: Wir sehen uns im September in Leipzig.
Am 29. Januar wird es einen Kennenlern-Call geben. Wenn du Interesse hast, mitzuwirken, schreib mir eine E-Mail an: mika@sodaklub.com (Opens in a new window)
Vielleicht sehen wir uns auch hier:
31.01. - 2.2. in Hamburg auf dem Nice Dry (Opens in a new window) im Kultur und Gut
31.03 in Aschaffenburg (Infos folgen)
9. 08 in München auf dem OAMN-Sommerkongress