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Gesellschaft.

Über die Wichtigkeit der richtigen Gesellschaft in stürmischen Zeiten und Stillstand. Und: neueste Erkenntnisse.

In dieser Woche besuchte ich ein Seminar zum Thema “Sichtbarkeit mit meiner Kunst”. Es war voll ausgebucht und ich stand zunächst auf der Warteliste. Als ich die Nachricht erhielt, dass ich nachrücken darf, machte sich Zuversicht in mir breit. Genau das ist der Ort, an dem ich jetzt sein muss, dachte ich mir. Zwei Tage mit Menschen, denen ich nichts erklären oder beweisen muss, ein Raum, in dem es nicht darum geht, sich und seine Kunst zu verkaufen, sondern mit ihr zu wachsen. Schwachstellen offenbaren. Keine Leistung erbringen, sondern spüren, zuhören, Gedanken teilen, neue Denkanstöße annehmen. Was ich mir erhofft hatte, wurde übertroffen. Pures Wohlwollen unter Menschen mit ebenso feinen Antennen wie ich sie habe. Im Alltag oft erschlagen von Meinung, Erwartung und irgendwie auch immer ein bisschen verstecken, um nicht dauernd in Erklärungsnot zu geraten. Gemeinsames Fühlen. Ich staune immer wieder, mit welcher Selbstverständlichkeit in solchen Runden innerhalb kürzester Zeit eine Dynamik entstehen kann wie diese. Die Seminarleitung fand einen, wie ich finde, wunderbaren Ausdruck: Wir sind alle Kompliz:innen.

Ich ging nicht nur mit leichterem Gedanken-Gepäck aus dem Seminar, sondern auch mit einer Erkenntnis, die mir liebevoll einen Schubs über die Grenzen meiner persönlichen und schriftstellerischen Komfortzone gab, den ich nachhaltig spüre. Die Frage kam auf: Was tue ich denn schon, um mich mit meinem Schreiben zu zeigen? Entgegen meiner Ansicht viel zu zurückhaltend zu sein, tue ich schon so einiges dafür. Mehr als ich auf dem Schirm hatte, sogar halbwegs regelmäßig. Warum fühlt es sich dann trotzdem an, als würde nichts vorangehen und das auch noch viel zu langsam? Mein erster Gedanke dazu war: Es ist nicht genug, ich muss einfach mehr schaffen. Mehr leisten. Mehr tun. Beim Gedanken daran schreibe ich in meinem Inneren bereits Zeitpläne und weiß, dass ich sie niemals alle einhalten kann. Und an dieser Stelle steht auf einmal die Frage im Raum: mehr wovon eigentlich? Mehr von dem, was mich bis hier hinbrachte, aber nun nicht mehr so funktioniert, wie ich das gern hätte - weil meine Ziele sich geändert haben. Ein roter Vorhang aus schwerem Samt fällt direkt vor meinen Augen zu Boden. Wie konnte ich das vergessen? Meine Ziele als Schriftstellerin wurden größer, aber ich ging weiterhin auf meinem kleinen Weg, der mich nur bis zur ersten Gabelung bringen sollte. Das tat er, doch ich habe meinen Fortschritt einfach nicht gesehen und blieb auf dem gewohnten Pfad, der mir mittlerweile so vertraut ist. Die nächsten Schritte sind für Menschen, die schon viel weiter sind, denke ich. Aber ich bin zu einem dieser Menschen geworden, eine Autorin, die schon so weit ist. Es ist an der Zeit, die Komfortzone zu verlassen und neue Wege zu gehen, die jetzt noch so groß und furchteinflößend aussehen wie der Senden-Button für meine Bewerbung an der Freien Journalistenschule vor fast acht Jahren oder das Teilen meiner ersten Kurzgeschichte, die nun schon lange veröffentlicht ist. Oder dieser Newsletter.

Genau darum ist es so wichtig, sich immer wieder auszutauschen und in neue Gesellschaft zu bringen. Denn natürlich tut es uns gut, wenn Freund:innen und Familie uns zeigen, dass sie das, was wir tun, toll finden. Doch erst, wenn wir selbst in die Situation kommen, wirklich einmal bewusst aufzuzählen, was wir eigentlich tun und vor allem: wenn ungewohnte Fragen gestellt werden, dann müssen wir uns bewusst machen, wo wir stehen. Manchmal heißt das zu erkennen, dass noch ein Stück des Weges vor uns liegt, manchmal aber auch, dass wir einen Weg schon mehrmals gegangen sind und es Zeit ist, die nächste Ausfahrt zu nehmen.

In meinem konkreten Fall heißt das, unter anderem auch offline mit meinem Schreiben nach Draußen zu gehen. Lesebühnen. Mich mit meinen eigenen Texten einem realen Publikum stellen und mich nicht hinter einem Post verstecken, den ich jederzeit wieder löschen kann, wenn niemand darauf reagiert. Vor den Berliner Lesebühnen habe ich zweifellos Respekt und gleichzeitig kann ich es kaum erwarten, sie kennenzulernen und an ihnen zu wachsen. Es wird unangenehm, ich mache mich damit angreifbar und riskiere auch negative Kritik. In gleichem Maße ermögliche ich mir damit aber auch aufregende und positive Gefühle, Rückmeldungen, die mich besser werden lassen und Begegnungen, die Türen öffnen. Ich habe mir vorgenommen, Angst und Freude exakt das gleiche Gewicht zuzusprechen, denn ich glaube weiterhin, dass beides seine Daseinsberechtigung hat. Die Angst ist nicht der Feind, sondern eher ein Indikator dafür, dass wir schon den Mut gefunden haben, etwas Neues in unser Leben zu lassen, das kleine und große Veränderungen mit sich bringen kann, die wir insgeheim schon lange herbeisehnen.

Bis nächste Woche!

Alles Liebe

deine Sarah

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