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Gib mir Kunst!

Über meinen außerordentlichen Durst nach kulturellem Input, wie es mit dem Output gerade läuft und was der nahende Sommer in Berlin mit meinem Schreiben macht.

Konzerte, Museen, Podcasts, Lesungen, Bücher, Musik… Ich kann im Moment einfach nicht genug von all dem bekommen. Kennst du solche Phasen auch? Es gibt diese Zeiten, in denen meine Antennen weit ausgefahren und höchst empfindsam für kleinste Details sind. Ich sauge die Kunst auf wie ein Schwamm. Ich fühle Melodien mehr als sie zu hören, denke darüber nach, wie anders der gesungene Text eines Liedes mit einer anderen Stimme klingen würde und staune über die Zartheit der Worte eines Autors, die ich mich gerne trauen würde. Es ist keine große Neuigkeit, dass ich Kunst anders erlebe, wenn ich mich auch mit den Hintergründen der Künstler:innen befasse. Entweder merke ich, dass mir dieser Mensch hinter der Kreativität so unsympathisch ist, dass ich seine Werke auf einmal gar nicht mehr so interessant finde, was durchaus schon vorkam, aber eher selten der Fall ist. Oder das Gegenteil tritt ein und die Zuneigung für die Arbeit einer Person, die ich ohnehin verspüre, wird noch intensiver. Verhält es sich nicht genau so auch im Leben abseits der Kunst? Je besser wir einen anderen Menschen oder auch uns selbst kennenlernen, desto deutlicher wird, was wir von ihm oder uns halten. Man hat zu Beginn bereits ein Bauchgefühl, das sich entweder bestätigt und positive Gefühle intensiviert oder in einer kleinen bis astronomisch großen Enttäuschung mündet.

Jedenfalls könnte man den Eindruck bekommen, die Autorin in mir sammelt gerade emsig Stoff für neue Projekte. Sie nimmt so viele Eindrücke, Emotionen und unscheinbare Kleinigkeiten auf, wie sie nur kann und bunkert sie in einem imaginären Raum, wo ich das Ganze dann bald sortieren und zuordnen darf. Aber nicht zu ordentlich, selbstverständlich. Diese kulturellen Frühlingsgefühle schreibe ich zu großen Teilen auch dem nahenden Sommer in Berlin zu. Wer hier lebt, weiß, dass diese Stadt mit Sonnenschein und 23 Grad nicht nur ein völlig anderes Gesicht zeigt, sondern auch eine Persönlichkeit an den Tag legt, die nichts mit der des winterlichen Berlins zu tun hat. So sehr ich diese Zeit genieße, was man unbedingt tun sollte, um davon in den grauen Wintermonaten zehren zu können, so stellt sich mir die Frage: Wann soll ich denn bloß schreiben?

Denn inmitten dieser Vielfalt kann es von Zeit zu Zeit schwerfallen, den Fokus zu behalten. Gestern lauschte ich einem Podcast, in dem der seit über 40 Jahren erfolgreiche Liedermacher Reinhard Mey, den ich seit meiner Kindheit für seine Wortgewandheit bewundere. Er lebt ebenfalls in Berlin und erklärte dem Host, dass er stets am 1. September mit dem Schreiben neuer Musik beginne, wenn die Tage kürzer werden, mehr Dunkelheit herrscht und der Lichtkegel seiner Lampe nur das Wesentliche beleuchtet. Im Mai, wenn die Bäume wieder in ihr satt-grünes Outfit steigen, wagt auch er sich mit seinen frischen Werken wieder ans Licht. Die eigene Kreativität mit den Jahreszeiten zu leben halte ich für eine wunderbare Idee. Ich selbst möchte allerdings das ganze Jahr über schreiben und schaffe das auch ohne mich in irgendeiner Form eingeschränkt zu fühlen, denn das Schreiben ist für mich pure Freiheit. Dennoch kann die Konzentration etwas auf der Strecke bleiben, wenn so vieles im Außen passiert. Da hilft dann nur noch die Abschottung in Form von Flugmodus und zugezogenen Vorhängen.

So sehr ich mein kreatives Chaos auch brauche, so sinnvoll ist es in solchen Phasen für mich, mir eine gewisse Struktur zu schaffen. Es klingt herrlich unromantisch, wenn Künstler:innen erzählen, dass sie von 9 bis 17 Uhr schreiben, Musik machen oder zeichnen und auch ich habe mit dieser Vorstellung so meine Schwierigkeiten, denn schließlich möchte ich mich frei fühlen beim Schreiben. Und dennoch… mit einer gewissen Form von Struktur fahre auch ich erstaunliche Ergebnisse ein. Ich verwende ungern das Wort „Disziplin“, es klingt in meinen Ohren mehr wie eine Drohung oder ein Schimpfwort, das ich nur hinter vorgehaltener Hand aussprechen würde. Lieber umschreibe ich zarte Seele es mit „Schreiben ist ein Tu-Wort“ und da kann ja wohl niemand widersprechen. Sich an den Schreibtisch im abgedunkelten Arbeitszimmer zu setzen und genau jetzt kreativ zu sein, während draußen das Leben tobt, ist für mich auch keine besonders attraktive Vorstellung, obwohl ich so gerne schreibe und die Ergebnisse am Ende immer ein gutes Gefühl geben. Entgegen der Ratschläge vieler Schreibcoaches hilft es mir sehr, diese Zeit zu romantisieren. Nicht das Schreiben an sich, nur die Tatsache, dass ich mir jetzt genau dafür Zeit nehme. Dann sperre ich die Sonne und den blauen Himmel aus, schalte meine Lichterketten ein, zünde eine Duftkerze an, öffne eine Schreib-Playlist auf Spotify und kuschle mich mit meinem Laptop ins Bett. Und dann wird geschrieben. Egal was dabei herauskommt, diese feste Zeit wird zum Schreiben genutzt. Punkt. Disziplin kann auch romantisch sein.

Das Ergebnis dieser aktuellen Situation zwischen unersättlichem Verlangen nach Kunst und dem Versuch der Disziplin ist ganz solide, würde ich sagen. Wie du siehst, halte ich mich an meine Ordnung, was diesen Blog angeht und wer mich auf Instagram verfolgt, sieht vielleicht auch die Regelmäßigkeit der Bearbeitung des Montagswortes bei @prosa_ist_innen. Was ihr nicht seht, ist die neue Routine, mir abends gegen halb 10 den Laptop zu schnappen und eine halbe Stunde im Bett zu schreiben, denn das ist meine ideale Zeit für Großstadtkurzgeschichten, die ihr bald wieder vermehrt lesen könnt. Dieses Schaffen fühlt sich für mich aktuell sehr gut an und wird in den kommenden Wochen durch die Teilnahme am diesjährigen Young Storyteller Award ergänzt. Die letzten beiden Wettbewerbe haben meine Kreativität auf eine so erfüllende Weise aus der Reserve gelockt, dass ich keinesfalls auf diese Gelegenheit verzichten möchte und es kaum erwarten kann, diesen Prozess wieder mit anderen Schreibenden zu zelebrieren.

Übrigens werde ich schon sehr bald auch wieder beruflich schreiben und einer redaktionellen Arbeit nachgehen. Ich bin sehr dankbar für den Teilzeitjob, der mir während der letzten Monate das ausgiebige kreative Schreiben und ein Durchatmen ermöglicht hat, doch es fühlt sich nicht mehr richtig an. Geld zu verdienen, um meine Miete zu zahlen ist natürlich ein außerordentlich guter Grund, auch mal etwas zu tun, was keinen großen Spaß macht. Aber ich genieße den Luxus, hier die Wahl zu haben und mich für den Moment voll und ganz für das Schreiben und die Arbeit als Journalistin entschieden. Denn das bin ich nun mal, ganz gleich, welche Verlockungen an anderer Stelle warten, ich kehre immer wieder dorthin zurück und komme mir selbst mit jedem Schritt näher. Ich weiß, dass nicht jede:r von uns diese Möglichkeiten hat, wie sie mir heute offenstehen, ich selbst hätte als Arbeiterkind aus der baden-württembergischen Provinz auch niemals daran geglaubt, mir einmal so frei aussuchen zu können, was ich mit meiner Zeit anstelle und habe auch andere Situationen hinter mir. Aber ich habe es bis hier hin geschafft und diese Dankbarkeit ist für mich die größte Motivation.

Mit diesem Gedanken verabschiede ich mich in den Sonntag und wünsche dir eine wundervolle Zeit, mit was auch immer du sie füllen möchtest.

Bis nächste Woche!

Alles Liebe

deine Sarah

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