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Heft 6 - Das spirituelle Zentrum der keltischen Mönche: Die Insel Iona

Inselausflug •• Museumsbesuch •• Religion •• Wanderung

Im kleinen Fährhafen Fionnphort ducken sich die Häuser vor dem nächsten Atlantik-Tief in den Fels. Vor den Küsten schwimmen Orcas und Walhaie (Basking sharks). Dunkelgraue Steine liegen im Wasser. Sie sehen aus wie Finger, die sich in Richtung Amerika strecken. Fionnphort ist der Fährhafen für Besucher, die von der Insel Mull auf die Insel Iona übersetzen wollen, und so stehen wir am nächsten Morgen an dem kleinen Fähranleger in Fionnphort. Iona liegt vor uns im morgendlichen Dunst.

„Heimat der Träume“, hat der schottische Schriftsteller William Sharp (1855-1905) die Insel Iona genannt. Sie war jahrhundertelang das wichtigste, religiöse Zentrum Schottlands, nachdem irische Mönche im 6. Jahrhundert an der Ostseite der Insel ein erstes Kloster gebaut hatten. Von Iona aus erfolgte die Christianisierung von weiten Teilen Schottlands und Nordenglands. Auf dem kleinen Friedhof mit den längst verwitterten Gabsteinen wurden seit dem frühen Mittelalter die keltischen Könige Schottlands beigesetzt. Die Verbreitung des Christentums schuf neue Kontakte und brachte wichtige kulturelle Einflüsse aus Rom und Byzanz nach Schottland.

Im Jahr 563 erreichte der irische Mönch Columba die Insel. Er gilt als Gründer der Abtei. Schon vom Wasser aus ist sie zwischen den kleinen Häusern im Dorf zu sehen. Die Architektur wirkt massiv und untersetzt, aber nicht plump. Vom Fähranleger sind es dann nur wenige Schritte bis zum Kloster. Am Wegesrand steht ein rund drei Meter hohes keltisches Kreuz mit einem Ring um den Schnittpunkt und reichen Verzierungen, die in den Stein geritzt sind. Vielleicht war dies der Weg, den Columba kurz vor seinem Tod ging, einen weinenden Schimmel an seiner Seite. So berichtet es jedenfalls die Legende.

In der Kirche der Abtei fällt das Sonnenlicht direkt durch das spitz zulaufende Fester hinter dem Altar. Trotzdem ist der Raum schattig und kühl. Die wenigen Besucher unterhalten sich im Flüsterton. Es gebe nur wenige Orte auf der Welt, die man heilig nennen könnte, schreibt Sharp. „Einer dieser Orte ist Iona.“ Wie konnte ein so abgelegener Ort zum spirituellen Zentrum Schottlands werden?

Wir suchen eine Antwort im Infirmary Museum, das sich gleich neben der Abtei befindet. Dort wurden aufwändig gearbeitete Grabplatten aufgestellt. In Stein gemeißelt stehen die Clan-Chiefs vor uns, die in den vergangenen Jahrhunderten auf Iona und Mull das Sagen hatten. „Lords of the Isles“ nannten sie sich selbstbewusst: Die Lords sprachen Gälisch und schmiedeten ihre eigenen Allianzen. 

Die Wahrheit über Iona ist wohl, dass die Abtei in früheren Zeiten keineswegs so isoliert war, wie sie aus unserer Sicht heute erscheint. Seereisen waren schneller und angenehmer als der mühsame Weg über Land. So ließ sich der Kontakt nach Irland halten. Als um das Jahr 800 die Wikinger die Insel überfielen, erwies sich der Seeweg nach Irland als lebenswichtig. Viele Kunstgegenstände aus dem Kloster wurden nach Irland verschifft und dort in Sicherheit gebracht.

Der Überfall der Wikinger läutete das Ende von Iona als religiöses Zentrum ein. Die Abtei wurde geplündert, und die Wkinger wurden grausam ermordet. Die Westküste erschien fortan als Zentrum keltischer Kultur zu unsicher zu sein. Fortan war es die Stadt St. Andrews an der Ostküste, die Pilger anzog und zum religiösen Zentrum aufstieg. Die Insel Iona geriet in Vergessenheit. 

Inzwischen sind die Abtei und das Museum viel besuchte Besucherattraktionen. Ab dem Hafen der Stadt Oban starten in der Sommersaison regelmäßig Ausflugsboote mit dem Ziel Mull, Iona und Staffa. Wer die Insel darüberhinausgehend erkunden will, braucht gutes Schuhwerk und etwas Kondition. Es geht querfeldein durch Morast und sumpfiges Gelände und ich erinnere mich nun auch wieder an eine Stelle im Reiseführer, in der die Wanderung über die Insel als schwierig und anstrengend beschrieben worden war. Immerhin erreichen wir zumindest bald die Westseite.

Die Steine unter unseren Füßen schimmern silbern. Wellen brechen sich an den Klippen, auf denen gelbe Flechten wachsen. Unser Blick geht nach Westen. Irgendwo hinter dem Horizont muss Irland liegen. Mir fällt ein irisches Sprichwort ein: „When God made time, he made plenty of it.“

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