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Diese Woche: Weltraum ohne Schrott

Liebe Leser:innen,

gestern hatten wir Redaktionsbesuch aus Österreich. 17 Studentinnen (tatsächlich war kein Mann dabei) der Fachhochschule Wiener Neustadt, Masterstudiengang Green Marketing & Nachhaltigkeitskommunikation, mit ihren Dozent:innen Reinhard Herok und Kristie Riedl. Und: Es war toll. Eine freshe, interessierte Gruppe, neugierig auf guten Journalismus, den Kopf voll inspirierender Fragen. Wir haben unsere Gründungs-Geschichte ausgepackt, von den Anfängen als enorm Magazin für Social Entrepreneurship und „Wirtschaft für den Menschen“ bis zum konstruktiven Journalismus mit vielen Ideen für eine nachhaltige, faire Gesellschaft in Good Impact.

Ihr Feedback: Wir lieben Print. Wegen der Haptik, der wunderschönen Optik und den langen, fundierten Stories, die dem digitalen Dauerriesel wunderbare Ausruhmomente entgegensetzen. Gern mehr davon, gerade im Mix mit kleinteiligen Strecken. Und sie schlugen zum Beispiel vor: Bringt doch mal mehr die Perspektive alter Menschen ins Heft. Oder Grafikseiten zum Ausschneiden. Oder Fortsetzungsgeschichten. Und thematisch? Wünscht ihr euch mehr Fokus auf Klima, ethisches Wirtschaften? Nope. Gerade die Vielfalt macht´s.

Danke, liebe Wiener:innen, dass ihr da wart. Viele eurer Anregungen nehmen wir mit in die nächsten Redaktionskonferenzen. Wir freuen uns schon auf unser Wiedersehen im nächsten Jahr. Mal sehen, was dabei entsteht. Stay tuned.

Eure Good Impact Redaktion

P.S.: Fun Fact: Eine Studentin hat mitten im Debattenrausch am Handy ein Abo (Opens in a new window) abgeschlossen. Cool, oder?

Erste Reihe: Reinhard Herok, Anja Dilk, Madeleine Londone, Kristie Riedl
Neuer lesestoff

Schwerpunkt

Kreislaufwirtschaft im Weltraum? 

In den 70er Jahren fragte sich der amerikanische Künstler Rick Guidice: Wie könnte das Leben auf dem Mond in Zukunft aussehen? Also fertigte er eine Reihe von futuristischen Gemälden und Illustrationen an. Darauf zu sehen: gläserne Kuppeln, schwebende Gebäude, Gewächshäuser, in denen Blumen blühen und Menschen, die mit Jet-Packs durch die Gegend fliegen. Bis heute hängt seine Kunst im NASA Ames Research Center in Kalifornien, Realität ist seine Utopie noch lange nicht. Obwohl die internationalen Weltraumbehörden den Mond besiedeln wollen, wird das wohl noch eine Weile dauern. Denn was wir von etlichen Aufnahmen aus dem Weltraum wissen: So sauber und müllfrei, wie Guidice sich das vorgestellt hat, ist es da oben ganz und gar nicht. Um auf dem Mond zu leben, müssen wir erstmal aufräumen – und zwar nicht nur die Oberfläche des Trabanten, wir müssen auch den fliegenden Schrott aus dem All fischen. Warum das auch eine Chance für uns sein könnte, besser zu wirtschaften, lest ihr in dem Artikel von Morgane Llanque:

Müllfrei auf dem Mond

Die internationalen Weltraumbehörden wollen den Mond besiedeln. Eine Chance, besser zu wirtschaften? Zuerst wird aufgeräumt.

Rumpelnd über das künstliche Mondgestein: Testfahrt eines Rovers im Rostocker Testzentrum. Foto: IMAGO / piemags, Frank Koch

Nur einen Katzensprung vom Warnemünder Strand entfernt liegt der Mond. Zumindest das, was ihm auf deutschem Boden am nächsten kommt. Mitten im Ostsee-Flughafen Rostock-Laage befindet sich hinter einer Plexiglaswand „#TheMoon“, die größte künstliche Mondlandschaft Europas.

„Jeder darf kostenlos hineinschauen“, sagt Frank Koch, deutscher Physiker und Schöpfer des Mecklenburg-Vorpommerschen Mondgeländes in einem Videocall, „Sie gehen rein in das Terminal: Rechts ist der Check-in-Schalter, links der Mond.“

Wer nicht vorhat in nächster Zeit persönlich nach Rostock zu fahren, kann sich #TheMoon aber auch auf seiner Website ansehen: Der Boden ist bedeckt mit einem fremdartigen, weißgrauen Gestein, aus dem eine Landekapsel, manchmal auch ein Raketenmodell, ragt. Ruckelige Rover-Roboter bahnen sich auf ihren kleinen Rädern mühsam ihren Weg durch das Geröll und wirbeln dabei helle Staubwolken auf – so wie es auch auf dem echten Mond der Fall wäre.

Das Gestein ist Ersatz für Regolith – so nennen Fachleute das echte Mondgestein – und wurde von Kochs Kooperationspartner Stefan Linke und dessen Team vom Institut für Luft- und Raumfahrt der TU Berlin entwickelt, damit Unternehmen und Wissenschaftler:innen unter lunaren Bedingungen forschen können. Das Interesse ist riesig: Denn der Mond feiert gerade ein großes Comeback.

130 Millionen Teile Weltraumschrott

Nachdem sich dort 50 Jahre kein Mensch mehr rumgetrieben hat, will die US-Raumfahrtbehörde NASA ab 2026 die erste Frau und die erste Person of Color auf unseren Trabanten schicken, China will ab 2030 eine bemannte Landung durchführen. Gemeinsam mit anderen internationalen Weltallbehörden, unter anderem mit der europäischen ESA, will die NASA zusätzlich ein dauerhaftes Basislager auf dem Mond errichten: das Artemis Camp. Diese Forschungsstation soll zusammen mit dem Lunar Gate-way, einer Raumstation in der Mondumlaufbahn, als Zwischenstopp für die nächste große Expedition ins Weltall dienen: die erste menschliche Reise zum Mars. Und wie wurde Frank Koch Teil dieses riesigen Unterfangens?

Physiker Frank Koch (li.), Schöpfer des TestgeländesTheMoon (re.), in Rostock-Laage.  Fotos: privat/Frank Koch

„Vor vielen Jahren, als ich eigentlich gerade damit beschäftigt war, an energiesparenden Rechenzentren zu forschen, entwickelte ein Freund von mir ein Weltall-Teleskop und bat mich um Hilfe“, erzählt der Wissenschaftler. Koch blickte durch ein Fernrohr in den Nachthimmel, um die Sterne zu betrachten und sah: ein vermülltes Universum. Expert:innen gehen von gut 130 Millionen Teilchen Weltraumschrott (Opens in a new window) im Erdorbit aus. 

Diese Splitter, die einen Zentimeter bis über einen Meter groß sein können, stammen zum Beispiel von Raketenresten, getrocknetem Treibstoff, vor allem aber von kaputten Satelliten. Diese Grundpfeiler unserer Kommunikation werden zu Tausenden ins Weltall geschossen, obwohl sie keine lange Lebensdauer haben. So ist die Erde mittlerweile von Ringen umgeben, wie sie auch den Planeten Saturn umschließen, nur bestehen unsere nicht aus Eis und Gestein, sondern aus menschengemachtem Müll.

„Um die Erde herum gibt es eine ähnliche Verschmutzung wie in unseren Ozeanen, nur ist dieser Müll für uns Menschen noch weniger sichtbar. Das macht es leicht, ihn zu ignorieren“, sagt Koch. Dabei ist der Schrott in unserem Orbit eine reale Gefahr für Menschenleben.

Im niederrheinischen Uedem überwacht die Bundeswehr den Überflug des Batterie-Blocks der ISS, um Unfälle zu verhindern. Immer wieder kracht Weltraumschrott auf die Erde, wie Anfang 2024 in Florida. Foto: IMAGO / Markus van Offern

Erst Mitte April 2024 bohrte sich ein Teil eines 2,6 Tonnen schweren Batterieblocks, der von der Internationalen Raumstation ISS abgekoppelt wurde, in ein Haus in Florida. „Es durchbrach mein Dach und ging durch zwei Stockwerke. Traf fast meinen Sohn“, schrieb der Besitzer des Hauses, Alejandro Otero, auf X. Auch die ISS selbst und aktive Satelliten sind permanent von Kollisionen bedroht.

Beim Blick in die Müllhalde der Milchstraße fragte sich Frank Koch: Wie kann man diesen Weltraumschrott wiederverwerten? Um das herauszufinden, gründete er das Unternehmen Orbit Recycling und machte sich in einem Netzwerk aus internationalen Forschenden mit einem kleinen festen Team an die Arbeit.

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„Der erste Schritt zu einer Kreislaufwirtschaft muss natürlich sein, dass wir die nächste Generation von Satelliten von Anfang an anders bauen, nämlich so, dass wir sie einfangen und wie ein Fairphone auseinandernehmen und reparieren können“, erklärt Koch. „Bis wir lernen, diese Satelliten von vornherein nachhaltiger zu denken, müssen wir jedoch auch das Problem des vorhandenen Schrotts lösen.“

2021 führte Orbit Recycling im Auftrag der ESA eine Studie durch, um zu zeigen, dass sich Satelliten-Schrott- Recycling wirtschaftlich lohnen kann. Der Plan: die Reste der europäischen Raketen einsammeln, mit denen Satelliten im Orbit ausgesetzt werden, und diese zum Mond bringen. „Deren Trümmer machen einen Großteil des Satellitenschrotts aus. Auf dem Mond (Opens in a new window)könnte man sie mithilfe von konzentriertem Sonnenlicht oder Elektroöfen einschmelzen“, erklärt Koch. Da ein Tag auf dem Mond zwei Wochen dauert, ist das Nutzungspotenzial von Sonnenenergie gewaltig. Das so gewonnene Aluminium könnte dann für den Bau des Artemis Camp verwendet werden, zum Beispiel für die Wände der Behausungen, in denen Astronaut:innen unterkommen. So ließen sich einige Wege sparen – etwa, um Materialien von der Erde zum Mond zu schaffen oder defekte Satelliten aus dem All zur Erde zu transportieren. „Unsere Studie hat gezeigt, dass das finanziell für Europa extrem attraktiv wäre und man so gleichzeitig 30 Prozent des europäischen Weltraumschrotts beseitigen könnte“, sagt Koch.

Kreislauffähiger Mondlander

Die Dutzenden Studien, die NASA (Opens in a new window) und ESA (Opens in a new window) jedes Jahr in Auftrag geben, sind jedoch zunächst nur Teil eines riesigen Brainstormings, um den Traum von der Mondbasis wahr zu machen. In dieses Brainstorming fließen nun die Ergebnisse von Orbit Recycling.

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