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Machbarkeit in der Multi-Krise –Für mehr Technologie-Realismus

Multikrise

Ein wesentlicher politischer Konflikt in Deutschland und Europa lässt sich – etwas verkürzt – so zusammenfassen: Der Klimawandel wird immer stärker spürbar, der Druck “etwas zu tun” nimmt zu. Viele schon beschlossene und gerade zur Verabschiedung anstehende Maßnahmen, um ihn aufzuhalten oder wenigstens zu verlangsamen, sind aber, auch dank jahrzehntelanger Vertrödelung, teuer und potentiell sozial ungerecht. Sie greifen teilweise tief in den Alltag der Bevölkerung ein. Der Wille, staatliche Eingriffe zu tolerieren und finanzielle Lasten für eher abstrakte Meta-Ziele zu stemmen, ist aber durch Seuche, Krieg und Inflation bei vielen Menschen deutlich eingeschränkt.

Selektiver Technologie-Optimismus auf allen Seiten

Im Kontrast dazu stehen Technologie-Jubelmeldungen über die nun endlich bald verfügbare Kernfusion, e-Fuels, Mini-Atomreaktoren, CO2-Abscheidung aus der Luft. Im Zuge der Debatte wird – nicht zu Unrecht – insbesondere der FDP vorgeworfen, dass sie gerne versucht, sich durch Verweis auf diese magischen Zukunftstechnologien aus der Verantwortung für das heute Machbare zu stehlen.

Generative artist impression of a nuclear fusion reactor


Kurioserweise kann man den Vorwurf des selektiven Technologieoptimsmus aber auch völlig berechtigt der Gegenseite machen. Generell herrscht im Lager der Klimaschutz-Aktivisten das Dogma, dass zukünftige Technologien am besten gar nicht debattiert oder betrachtet werden und keinesfalls Hoffnungen darauf erzeugt werden sollten, weil das nur von heute notwendigen Emissionsreduktionen ablenkt. Gleichzeitig setzen sie aber ebenfalls auf Hoffnungstechnologien, bei denen Einwände bezüglich des heute technisch real Erreichbaren eher hemdsärmelig wegargumentiert werden: Solarzellen mit ultrahohem Wirkunsggrad, das “Smart Grid”, neue Akkutypen mit hoher Speicherdichte und Haltbarkeit, supertolle Wärmepumpen, Elektroautos mit immer größerer Reichweite, günstige Wärme- und Stromspeicher, “künstliche Intelligenz” für Energiemanagement. 

Die aktuelle Diskussion um die zügige Abschaffung von Öl- und Gasheizungen ist ein gutes Beispiel dafür. Sie wird unterfüttert von best-case-Rechnungen und nicht immer durchgehend in der Realität verankerten Annahmen über Produktions-, Planungs- und Installationskapazitäten, technische Leistungsfähigkeit und Energieeffizienz unter suboptimalen Altbau-Bedingungen und zukünftigen Preisverfall.

Es gibt jedoch zwischen den beiden Seiten einen grundlegenden Unterschied:

Die meisten “FDP-Technologien” benötigen für eine relevante Wirksamkeit noch signifikante Forschungs-Durchbrüche und absehbar lange Entwicklungszyklen.

Die “Grünen-Technologien” erfordern primär inkrementelle Verbesserungen bereits heute verfügbarer Systeme, Ausweitung von Produktions- und Installationskapazitäten, massive Investitionen für den Aufbau von umfangreicher neuer Infrastruktur und – der wichtigste Faktor – die Bewältigung von systemischer Komplexität. 

Auch diese Hürden sind jedoch nicht trivial. Sie wegzuwischen ist genauso unverantwortlich wie darauf zu wetten, dass das Klimaproblem mit Kernfusion und CO2-Luftabscheidung schon irgendwann gelöst werden wird. Ich versuche im folgenden mal an Beispielen ein wenig detaillierter herauszuarbeiten, vor welchen Herausforderungen wir stehen und warum es niemandem hilft, die tatsächlichen Probleme bei der praktischen Umsetzung kleinzureden oder mit übertriebenem Technologieoptimismus zu planen. Was wir stattdessen brauchen, ist ein solider, bodenständiger Technologie-Realismus. Grundsätzlich sind die Probleme alle lösbar, wir müssen sie aber ehrlich benennen, ihre finanziellen und sozialen Kosten ernst nehmen und die Zeiträume für die Umsetzung realistisch ansetzen.

Das Komplexitätsproblem

Begibt man sich in die Niederungen der praktischen Anwendung von Technologien, wird es alles schnell etwas komplexer. Das grundlegende Wirkprinzip ist meistens recht einfach. Um daraus eine funktionierende, von normalen Menschen bedienbare Maschine zu machen, sind in der Regel eine Menge Unterkomponenten und deren genaue Abstimmung und Koordination erforderlich. Drehzahlen müssen gesteuert, Temperaturbereiche eingehalten, Vibrationen gedämpft, Drücke überwacht, Kondenswasser abgeführt,  Abhängigkeiten und gegenseitige Beeinflussung berücksichtigt werden. Betrachten wir das Problem mal am Beispiel eines modernen Heiz- und Klimasystems.  

leicht satirische Darstellung eines komplexen Systems, generativ

Damit ein Wärmepumpen-System effizient funktioniert, ist es sinnvoll, es mit einer Solaranlage, am besten noch einem Stromspeicher, vielleicht einem Wärmespeicher und auf jeden Fall einem ganzen Haufen Sensoren zu kombinieren. Die Dimensionierung aller Teile des Systems ist entscheidend dafür, ob das Ganze am Ende ökonomisch und energieeffizient ist – und erfolgt oft auf der Basis unscharfer Daten, wie der Güte der Isolierung des Hauses.

Die Regelung in Abhängigkeit von Außentemperatur, gewünschter Innentemperatur, verfügbarem Solarstrom, Inhalt des Wärmespeichers, Füllstand der Akkus und in Zukunft des dynamischen Netz-Strompreises ist ein komplexes Optimierungsproblem. Es hilft sehr, sich mit den Details vertraut zu machen, die Abhängigkeiten und Tradeoffs zu verstehen und in der Lage zu sein, sich durch fortlaufende iterative Verbesserungen dem jeweiligen Optimum von Energieverbrauch und Lebensqualität anzunähern. 

Die meisten Menschen haben dafür jedoch nicht die Zeit oder die Fähigkeiten. Sie müssen sich darauf verlassen, dass der Installateur schon alles richtig macht, sich nicht verrechnet, die Isolierung nicht falsch einschätzt, die Steuerung halbwegs gut einstellt und zur Verfügung steht, um Probleme zu beheben oder Anpassungen vorzunehmen. Bei einer Gasheizung ist das alles sehr viel trivialer, im Zweifel dreht man halt die Vorlauftemperatur hoch und die Thermostate auf. Und selbst damit sind viele Menschen überfordert und fassen die einmal eingestellten Parameter nicht an, obwohl sie nicht zufrieden sind, weil etwa die Nachtabsenkung nicht ihren Bedürfnissen entspricht. 

Die Lösungsangebote für dieses Komplexitätsbewältigungs-Problem entstammen dem üblichen Baukasten des 21. Jahrhunderts: “intelligente” Software, Cloud-Anbindung der Steuerung, Machine Learning. Bei den aktuell üblichen Freudenhaus-Preisen der Wärmepumpenhersteller und der dort häufig anzutreffenden eher mittelguten Softwarequalität ist Technologieoptimismus an dieser Stelle jedoch eher gewagt. Realistisch ist wohl eher, dass reichlich suboptimal dimensionierte und gesteuerte Systeme installiert werden. 

Eine perspektivische Teil-Lösung für das Steuerungsproblem wäre, einheitliche Standards für die Schnittstellen der Komponenten vorzuschreiben und Hersteller-Blockaden gegen Drittanbieter-Steuerungen zu untersagen, damit es einen Markt für bessere Software geben kann. Stattdessen ist ein weiterer Trend zum Zunageln der Systeme zu beobachten, weil natürlich jeder Hersteller seine Kunden und Installateure binden will. 

Für wen wird Energiewende-Politik gemacht?

Natürlich kann man die Energiewende aus der idealisierten Perspektive einer technisch begabten Normfamilie im neugebauten Vorort-Einfamilienhauses mit guter Isolation, Carport mit Ladeanschluss, Platz für Solarzellen, Heizwasserspeicher, Stromspeicher-Akku und moderner Wärmepumpe konzipieren. Da wird dann schön ökologisch mit dem aus eigenproduziertem Strom geladenen Elektroauto in die Stadt zum Arbeiten gependelt, die Kinder mit dem Elektro-Lastenrad im Wert eines Kleinwagens zur Kita chauffiert und die effektiven laufenden Energiekosten sind dank Doppelverdiener-Günstigkredit-finanzierter Investitionen in eine nachhaltige Zukunft mit großzügigen Förderungen nahezu vernachlässigbar. Dank guter Bildung und technischem Interesse stellt es kein Problem dar, sich ein wenig in die Feinheiten der Abstimmung des Energiesystems einzunerden. 

Die Realität der meisten Menschen sieht jedoch anders aus. Sie wohnen statistisch gesehen in in einem Mehrfamilienhaus (Opens in a new window), haben dank Inflation, Reallohn-Schrumpfung, steigender Wohnkosten (Opens in a new window) und Umverteilung von unten nach oben (Opens in a new window)eher wenig frei verfügbares Einkommen, sind oft schon bis hart an die Grenze des stemmbaren verschuldet (Opens in a new window) und reparieren ihr Auto solange es noch irgendwie geht (Opens in a new window), weil ein Neuwagen schon bei Nullzinsen schwer finanzierbar war und mit den heutigen Zinsen vollends illusorisch geworden ist. Selbst Eigentumswohnungs-Besitzer haben meistens nicht genug finanzielles Polster, um größere Investitionen zu tätigen. (Opens in a new window)

Dank sozialer Absicherung und noch halbwegs brummendem Arbeitsmarkt (Opens in a new window) kommen die meisten irgendwie klar, aber über ausreichende Polster für Unvorhergesehenes und Kreditwürdigkeit verfügt die Mehrheit der Haushalte nicht. (Opens in a new window)

Die Logik des derzeit betrieben Erneuerbaren-Umbaus ist jedoch unerbittlich: Wer ein hohes Einkommen hat oder über größere Reserven verfügt, Immobilieneigentum mit genug Platz für Solarenergie hat und in der Lage ist, komplexe Systeme zu verstehen, gewinnt. Letzteres betrifft nicht nur die Komplexität der technischen Komponenten sondern auch die Bewältigung der byzantinen Förderantrags-Systeme, um die eigene Investition attraktiv zu machen. (Wer nicht glaubt, dass das ein Problem ist sollte mal spasshalber versuchen, das Berliner Antragssystem für so etwas einfaches wie eine Balkonsolar-Förderung durchzuspielen (Opens in a new window).)

Das Mobilitäts-Dilemma

Der gleiche Mechanismus wie für die Heizungen gilt für Elektromobilität. Ganz abgesehen vom Preis bei der Anschaffung, der nach Wegfall der Förderungen deutlich gestiegen ist, sind die Strompreise an den öffentlichen Ladesäulen auf einem solch bizarren Niveau (Opens in a new window) angekommen, das die Kilometerkosten-Rechnung in vielen Fahrzeugkategorien zugunsten von Verbrennern ausgeht. Ein Elektroauto lohnt sich preislich und ökologisch dann, wenn man eher ein Mittelklasse-Fahrzeug kauft (hier ist der Preisunterschied Verbrenner vs. Elektro nicht gar so drastisch) und es häufiger an der eigenen Solaranlage oder wenigstens an der eigenen Wallbox lädt. Wenn man öffentliche Ladeinfrastruktur benutzen muss, sieht es eher traurig aus, was die Ökonomie angeht.

Selbst die aktuelle Fraunhofer-Studie zu diesem Thema (Opens in a new window) schafft eine positive Gesamtrechnung für Elektroautos nur mit eher fröhlichem Optimismus bzgl. des zukünftigen Preisverfalls bei öffentlichen Ladesäulen und sorgfältigem Szenario-Finetuning, um für Kleinwagen irgendwie die Wirtschaftlichkeit schönzurechnen. Money Quote: “Die ausgewählten Fahrzeugmodelle in der Kompakt- und Kleinwagenklasse würden (...) die Kostennachteile durch die höheren Anschaffungskosten nicht mehr innerhalb von 15 Jahren Haltedauer ausgleichen können.”

Nun gibt es hier aber zumindest einen berechtigten Grund für einen optimistischen   Technologierealismus. Natrium-Akkus (Opens in a new window) sind fertig entwickelt und stehen kurz vor der Massenproduktion und werden den Anschaffungspreis ggü. dem heutigen Lithium deutlich senken. 

Der Ausbau von Wind und Solar könnte tatsächlich zu einem gewissen Preisverfall bei den Ladekosten auch an öffentlichen Ladesäulen führen. Allerdings ist letzteres angesichts der zu erwartenden Verbrauchssteigerung durch Wärmepumpen etc. und die gewaltigen Kosten für den Ausbau der Ladeinfrastruktur und der dazugehörigen Stromnetze eher auch ein Szenario und keine Gewissheit. 

Für Menschen mit niedrigem Einkommen und ohne eigenen Immobilie mit Wallbox oder idealerweise Solaranlage wird die Realität auch für die nächsten Jahre (Opens in a new window) sein, den gebrauchten Verbrenner weiter zu halten, solange er noch durch den TÜV kommt, auf einen absehbar weiterhin unzulänglichen öffentlichen Nah- und Fernverkehr angewiesen zu sein oder Fahrrad zu fahren.

Diese Alternativen sind unter den aktuellen Bedingungen von Arbeitsmarkt und Siedlungsstrukturen aber nur für einen Teil der Bevölkerung realistisch. Wetterbedingt ist der Fahrrad-Nahverkehr in Deutschland starken jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen, (Opens in a new window) aber die Tendenz ist positiv. ÖPNV und Bahn-Fernverkehr geraten allerdings schon jetzt dank steigender Popularität und verschleppter Investitionen an ihre Belastungsgrenzen.

Der große Umschwung bei Elektroautos wird erst nach dem Punkt passieren, an dem einerseits das Produktionsende von Verbrennern die Gebrauchtpreise hochtreibt, dank neuer Akkutech die Preise von Elektroautos deutlich sinken und die aktuelle Verbrenner-Flotte nicht mehr ökonomisch reparierbar ist. (Ich hoffe ein auch wenig auf Elektro-Leichtfahrzeuge, eine bisher in Deutschland dank Spaltmaß- und Geschwindigkeitsfetisch und Auto-fixierter Regulierung eine unterrepräsentierte Kategorie.) Natürlich kann der Staat durch Subventionen beschleunigen, jedoch müssen die Anreize sorgfältig so gesetzt werden, dass Elektroauto-Flotte, Ladesäulen, erneuerbare Energieproduktion und Stromnetzausbau synchron geschehen. Jede Unwucht wird zu erheblichen Problemen führen – bei realer Alltags-Benutzbarkeit, Preisen und Versorgungssicherheit / Stabilität der Stromnetze. 

Mit dem heutigen Strommix sind Elektroautos und Wärmepumpen, aus dem öffentlichen Netz betrieben – aufgrund der massiven Fossilien-Verbrennung –phasenweise eher nur so bedingt klimaneutral. (Opens in a new window)

Agorameter-Darstellung des Anteils konventioneller Kraftwerke an der Energieproduktion in Deutschland in den letzten 12 Monaten.

Damit sich der ganze Aufwand der Umrüstung auf Verbraucherseite klimatechnisch lohnt und nicht sogar kontraproduktiv ist wie derzeit, wo es phasenweise passieren kann, dass eine Wärmepumpe, die nicht optimal geplant oder eingestellt ist, durch die Kohle-Verbrennung effektiv mehr CO2-Ausstoss verursacht als eine Gasheizung, muss die erneuerbare Strom-Erzeugung deutlich verbessert werden.

Ohne Stromspeicher geht es nicht

Man sieht an der Kurve auch recht deutlich, dass neben dem Ausbau von Solar und Wind der massive Ausbau von Stromspeichern unabdingbar ist. Die Annahmen, man könne doch Elektroautos als Stromspeicher verwenden, finde ich eher unglaubwürdig. Es ist vielleicht realistisch anzunehmen, dass ein Teil des Lade-Verbrauchs tagsüber, wenn der Wind weht und die Sonne scheint, abgewickelt werden kann. Jedoch ist die Alltagsrealität, dass die meisten Elektroautobesitzer ihr Fahrzeug nachts laden und tagsüber fahren wollen. Und Nachts scheint die Sonne nicht und der Wind weht gerne auch mal weniger.  Und je mehr Wärmepumpen und Elektroautos genutzt werden, desto geringer fällt der nächtliche Abfall des Stromverbrauchs aus.

Agorameter-Darstellung des Anteils von Solar- und Windenergie in den letzten 7 Tagen zur Verdeutlichung des Tag-Nacht-Unterschieds.

Wenn man also nicht wieder anfangen will neue Atomkraftwerke zu bauen (abgesehen vom Problem des radioaktiven Abfalls und den nuklearen Risiken ist das Beispiel Frankreich diesen Winter und in den üblichen trockenen Sommern eher minder attraktiv (Opens in a new window)und die Bau- und Versicherungs-Kosten und Bauzeiten der aktuell real verfügbaren Reaktoren sind eher prohibitiv (Opens in a new window)) bleibt nur der dramatische Überausbau von Solar- und vor allem Windenergieerzeugung und die Investition in Strom-, Wärme- und Kältespeicher. Letzteres Thema ist bisher in der politischen Diskussion erschreckend unterbeleuchtet, dabei wird es ohne Speichertechnologien keine Energiewende geben.

Welche Speicher-Technologien dabei zum Einsatz kommen ist letztendlich egal, wir werden absehbar alle verfügbaren benötigen. Es lohnt überhaupt nicht über die Vor- und Nachteile verschiedener Speichertechnologien und -architekturen zu debattieren oder die Energieeffizienz der Speicherung zum neuen Spaltmaßfetisch zu erheben. Ob groß oder klein, zentral oder dezentral, ob Akku oder Wasserstoff oder synthetisches Methan, es muss einfach alles erforscht, produktisiert und installiert werden, so schnell es irgendwie geht. 

Die Vernachlässigung der Entwicklung und umfangreichen Installation von Speichertechnologien wird, wenn nicht bald dramatisch umgesteuert wird, dazu führen, dass wir weiter riesige Mengen fossile Energieträger verbrennen.

“Was tun” ohne spürbaren Effekt

Wenn wir ein paar Jahre in die Zukunft blicken, wird sich ein heute schon deutlich abzeichnender Trend verstärken: Alle – unzweifelhaft notwendigen – Maßnahmen zum Klimaschutz werden keine im Alltag spürbaren Effekte auf das Klima haben. Das immer weitere Aufschieben der notwendigen Umstellungen hat dazu geführt, dass, um auch nur die ambitionslosen Klimaziele aus den internationalen Verpflichtungen nicht um eine Größenordnung zu verfehlen, hohe Investitionen und drastische Veränderungen notwendig sind. Dies bringt jedoch ein hartes Dilemma mit sich: Die Überforderung der Bevölkerung und öffentlichen Haushalte durch die Gleichzeitigkeit der erforderlichen Maßnahmen.

Die begrenzten finanziellen Ressourcen müssen in einem eher kurzen Zeitraum für den Umbau der Energieerzeugung, Verkehrswende, Gebäudesanierung, Anpassung an zunehmende Wetterextreme und die Aufrechterhaltung der Nahrungsmittelversorgung aufgebracht werden. Gleichzeitig sind aber auch Investitionen in Bildung, soziale Sicherung und Infrastruktur notwendig.

Der Druck, stärker in Projekte zu investieren, die einen spürbaren, sichtbaren Effekt haben – wie etwa den Umbau der Städte und Verkehrsinfrastruktur um mit mehr Hitze, Trockenheit und Starkregenperioden klarzukommen – wird bald zunehmen. Derzeit findet diese Anpassung halbherzig und unter dem Radar, betrieben von weitblickenden Stadtplanern und Bauingenieuren statt. Dabei ist es unumgänglich diese Investitionen jetzt zu tätigen. Dass Teile der Klimabewegung immer noch eine Diskussion über Klimawandel-Mitigation verweigern, wird weltweit Millionen unnötige Opfer fordern, nicht irgendwann, sondern in unser Lebenszeit.

Technologie-Realismus bedeutet, realistisch einzuschätzen, was mit aktuell und in naher Zukunft verfügbarer Technologie ganz praktisch möglich ist – unter Betrachtung von Produktions- und Installationskapazitäten, ökonomischen Möglichkeiten, sozialen Auswirkungen, absehbaren Ungerechtigkeiten und tatsächlichem  Nutzungsverhalten. Die absehbaren Probleme unverstellt anzusprechen und dafür pragmatische, realistische Lösungen zu suchen, schafft am Ende mehr Vertrauen und Mitwirkungs-Willen als selektiver Technologie-Optimismus oder gar berechtigte Einwände pauschal als Klimawandel-Leugnen zu diskreditieren.

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