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Über chinesische Kontrolle und venezianische Inseln.

Gewundert hat es uns in Venedig nicht, als vor ein paar Tagen die Meldung die Runde machte, dass die chinesische Regierung ihre Bürger nicht nur in China überwacht, sondern auch im Ausland. Aber dass dafür spezielle chinesische Polizeistationen auf fremdem Territorium zuständig sind, hat doch eine andere Qualität. Laut der Menschenrechtsgruppe "Safeguard Defenders" (Opens in a new window) soll China weltweit über 100 Polizeistationen betreiben (Opens in a new window), die nicht offiziell registriert sind. Davon sollen zwei in Deutschland (Opens in a new window)existieren - und mindestens 10 in Italien (Opens in a new window)

Während die deutsche Regierung es nicht akzeptiere, wenn der chinesische Staat hoheitliche Aufgaben in Deutschland wahrnehme, präsentierte der damalige Innenminister Angelino Alfano im Jahr 2016 (Opens in a new window) stolz, dass "chinesische und italienische Polizisten gemeinsam Patrouille laufen sollten", ein Dienst, der für Touristen konzipiert sei und auf andere Städte ausgeweitetet werden solle. 

Gesagt, getan: Die bisher ermittelten Stationen sind über das ganze Land verstreut, von Bozen bis Sizilien. Zu den betroffenen Städten gehören Venedig, Florenz und Prato, alles wichtige Orte für die chinesische Gemeinschaft in Italien. Im toskanischen Prato lebt  die größte chinesische Gemeinde Europas, die um das Jahr 2000 von der florierenden Textilproduktion angezogen wurde,  in Venedig hat sich die Zahl der chinesischen Unternehmer zwischen 2010 und 2020 fast verdoppelt.

"Es ist zu befürchten, dass es sich dabei um stillschweigende Vorposten zur Kontrolle der in Italien lebenden chinesischen Staatsbürger handeln könnte", sagte der italienische Antimafiastaatsanwalt Luca Tescaroli - der in der Staatsanwaltschaft Florenz tätig ist und sich nicht nur mit der italienischen, sondern auch mit der chinesischen Mafia bestens auskennt. Obwohl seit 2010 ein Rechtshilfeabkommen zwischen Italien und China existiert, hätten die italienischen Ermittler, wie Tescaroli feststellt, niemals von diesen ominösen chinesischen Polizeieinrichtungen profitiert, weder im Hinblick auf den Dialog noch auf die Zusammenarbeit bei Ermittlungen. Die italienischen Ermittler bissen auf Granit, als es darum ging, wem die Konten mit Kryptowährungen gehören, auf die die italienische Mafia ihre Gewinne einzahlte - und die dann in die Kassen des italienischen Staates flossen. 

Die enge Verbindung zwischen chinesischem Staat und chinesischer Mafia ist italienischen Finanzermittler schon lange bekannt. In Venedig dominieren Chinesen nicht nur ganze Straßenzüge - mit Taschenläden, Handyhüllenläden, Ein-Euro-Läden, Muranoglasläden, Schuhläden, Billigmodeläden, Pizzerien, Bars und Take-Aways - sondern auch den Tourismus: mit eigenen Hotels, Reisebussen, Reiseagenturen und Reiseführern für chinesische Touristen – deren Venedig-Besuch streng reglementiert ist: Sie werden nur zu den Geschäften geführt, mit denen zuvor eine Provision ausgehandelt wurde. Und die sich, wie sich bei einer Prüfung durch die Finanzpolizei herausstellte, auf zwei Millionen Euro belief, also keine Peanuts.

Vor 30 Jahren gab es in Venedig 45 Geschäfte, die von Chinesen betrieben wurden, im Jahr 2018 waren es bereits 850. Mehr als die Hälfte der chinesischen Unternehmen im Veneto erklärt, keinen Verdienst gemacht zu haben – und bevor sich die Finanzpolizei für die Hintergründe interessieren kann, ist das Geschäft bereits an einen anderen chinesischen Strohmann übergeben worden. 2020, im ersten Jahr der Pandemie, wurden in Venedig 57 Geschäfte von Ausländern eröffnet – davon 42 von Chinesen.

Ursula von der Leyen erklärte sich angesichts der chinesischen Polizeistationen sehr besorgt, (Opens in a new window) es sei nicht hinnehmbar, dass ein Drittland irgendeine Form der extraterritorialen Gerichtsbarkeit ausübe. Wobei man sagen muss, dass es um die Glaubwürdigkeit des europäischen Parlaments nach dem gerade erst aufgeflogenen Katar-Korruptionsskandal (Opens in a new window) auch nicht gerade gut bestellt ist.  

Meanwhile geht es in Venedig, dieser kleinen Stadt im Wasser, wieder mal um die Zukunft der Insel Poveglia, die den Lesern meines Buches bekannt ist: Es ist eine Insel, um die die Venezianer so erbittert kämpfen wie um ein geliebtes Erbstück. Die Schlacht dauert seit Jahren an, nachdem Poveglia vom italienischen Staat an den Meistbietenden versteigert wurde und an den Unternehmer und späteren Bürgermeister von Venedig Luigi Brugnaro gehen sollte, der etwas mehr als eine halbe Million Euro bot, was dem Preis einer bescheidenen Zweizimmerwohnung in Venedig entspricht. Kein schlechter Deal für eine sieben Hektar große Insel, deren Fundamente erst kurz zuvor vom italienischen Staat für zwanzig Millionen Euro neu befestigt wurden. 

Einziger Konkurrent war die venezianische Bürgerinitiative »Poveglia per tutti«, die nur knapp unterlag – obwohl sie es dank einer aufsehenerregenden Crowdfunding-Aktion geschafft hatte, innerhalb von nur drei Wochen fast eine halbe Million Euro aufzutreiben. Sie klagte gegen die Entscheidung, die Insel an Brugnaro zu verkaufen. Der »Demanio«, die staatliche Immobilienagentur, die Poveglia zum Verkauf angeboten hat, hat bis heute nicht bekannt gegeben, wem sie die Insel verkauft – und welchen Verkaufspreis sie für angemessen hält. Danach wird sich Poveglias Schicksal entscheiden: Luxushotel? Oder Zukunftsprojekt venezianischer Bürger, Modell für ökologisch wertvollen Tourismus in der Lagune? Denn bislang ist es nur so, dass sich, wer Geld hat, in Venedig nicht nur Paläste, sondern auch Inseln wie Karamellbonbons kaufen kann. 

Jetzt steht die Insel wieder zum Verkauf. Und die venezianischen Bürger werden wieder um sie kämpfen. Wer dazu beitragen will, kann das tun, indem er "Poveglia per tutti" (Opens in a new window) unterstützt.

Und weil ja bald Weihnachten ist, werde ich nicht müde, Ihnen Geschenktipps zu geben, Sie können mein Venedig (Opens in a new window) unter den Baum legen, auch auf Italienisch (Opens in a new window), und Sie können die Mitgliedschaft in Reskis Republik verschenken (Opens in a new window)!

In diesem Sinne grüßt Sie herzlichst aus Venedig, Ihre Petra Reski

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