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Grüße aus dem Salento mit der Brugnaro-Show und anderen Lügen

Heute letzter Ferientag. Und ich hatte mich gerade erst daran gewöhnt. Besonders an das Dümpeln im türkisfarbenen Meer. Denn in Italien übt man sich in der Disziplin des Im-tiefen-Wasser-senkrecht-Stehens, gelegentlich auch unter Zuhilfenahme eines Schwimmrings, und: reden, reden, reden. Eigentlich fehlt nur noch der Espresso dazu. Nur Ausländer (Engländer, Franzosen, Neufundländer) kommen auf die zugegebenermaßen irre Idee, im Meer zu schwimmen, alle anderen rühren sich nicht vom Fleck, außer der Wind treibt sie weiter. Weil ich ja Italienerin geworden bin, ist von mir hier auf der Stelle sämtlicher schwimmerischer Ehrgeiz abgefallen und habe es zu einer Spitzendümplerin gebracht!

Das ist die schöne Seite des Salento, der südlichen Spitze Apuliens. Die andere ist diese: Das Bild zeigt die Olivenbäume in der Nähe von Nardò.

Wie ich vor einem Jahr in Reskis Republik (Opens in a new window) schrieb, haben sich viele Olivenbäume wieder erholt - einige jedoch sind unrettbar vertrocknet, was vor allem daran liegt, dass sie unsachgemäß beschnitten oder geköpft wurden. Olivenbäume, die den Feldzug gegen sie überlebten, wurden in Brand gesetzt - auch in diesen Wochen sah ich brennende Olivenbäume. Wer mag, kann meine Geo-Reportage über die Hintergründe des Xylella-Fakes hier nachlesen (Opens in a new window).

Dass Meloni die Pressefreiheit ein Dorn im Auge ist, weiß eigentlich jeder, der sein Leben nicht unter einem Stein verbringt. Jetzt hat die Europäische Kommission Italien in ihrem Bericht zur Rechtsstaatlichkeit, gemäß des “Rule of Law (Opens in a new window)”, eine totale Abfuhr erteilt. Kritisiert wird die Verfassungsreform (die vorsieht, das Amt des Ministerpräsidenten durch ein Präsidentenamt zu ersetzen), die soeben verabschiedete Justizreform mit ihren neuen Verjährungsfristen, die viele Prozesse in Luft auflöst (ein Totem aller rechten Regierungen Italiens), die wirkungslose Bekämpfung der Korruption (das Delikt des Amtsmissbrauchs - besonders interessant im Hinblick auf den Bürgermeister von Venedig - wurde abgeschafft) und die mangelnde Pressefreiheit: Darunter die Einflussnahme auf die (öffentlich-rechtlichen Fernsehsender) der RAI, das Verbot, Untersuchungshaftbefehle offenzulegen, aus abgehörten Telefonaten zu zitieren oder die fehlenden Garantien für den Schutz des Berufsgeheimnisses und journalistischer Quellen.

Und wie reagiert Meloni auf diesen Bericht? Sie verliert kein Wort über die Kritik an der Justiz- und Verfassungsreform und greift stattdessen die (wenigen) Journalisten an (Opens in a new window), die noch nicht auf Linie gebracht wurden, namentlich Journalisten von Il Fatto Quotidiano, Domani und Repubblica. Und bezichtigt sie, an dem Bericht der Europäischen Kommission “mitgearbeitet” zu haben. Was natürlich völliger Quatsch ist, denn die Kommission konsultiert keine Redaktionen, sondern institutionelle Ansprechpartner wie den italienischen Journalistenverband, das International Press Institute oder Reporter ohne Grenzen. Und da fielen Merkwürdigkeiten auf, etwa die, dass Journalisten ständig verklagt werden, durch sogenannte Slapp-Klagen (Opens in a new window), die allein der Einschüchterung dienen sollen, oder dass Angelo Angelucci (Opens in a new window) nicht nur Politiker in der Regierungskoalition in Italien ist (mit der höchsten Abwesenheitsquote aller Parlamentarier), sondern auch "ein Unternehmer im privaten Gesundheitssektor und ein Medienmagnat, dem bereits mehrere Zeitungen gehören (Libero, Il Tempo und Il Giornale)", und der jetzt kurz vor dem Abschluss des Kaufs der zweitgrößten italienischen Nachrichtenagentur AGI steht.

Und was geschieht in Venedig, dieser kleinen Stadt im Wasser? Hier sprach der König zu seinen Untertanen. Und erklärte sich natürlich für unschuldig. (Wer wissen will, worin der riesige Korruptionsskandal in Venedig besteht, kann das in Reskis Republik (Opens in a new window) nachlesen.) Der Fatto Quotidiano hat Brugnaros Machenschaften unter der Überschrift “Il paron de Venessia” zusammengefasst:

Eigentlich hatte Brugnaro sich erst im September (!) zu den Ermittlungen und den Vorwürfen äußern wollen, musste aber auf öffentlichen Druck nachgeben. Immerhin versuchte er die Venezianer auszuschließen, indem er die Sitzung für den kleineren Ratssaal in Mestre einberief - was aber die Venezianer nicht abhielt, nach Mestre zu fahren, um dort zu demonstrieren und den sofortigen Rücktritt des Bürgermeisters zu fordern:

https://www.youtube.com/watch?v=W7tJKnzxHyY (Opens in a new window)

Draußen demonstrierten 500 Bürger, drinnen gab der Bürgermeister (gegen den wegen des Verdachts der Korroption ermittelt wird) nichts anderes von sich, als das, was ihm seine Anwälte aufgeschrieben hatten. Er klebte förmlich am Blatt, ein Monolog von einer Stunde (der Bürgermeister hat eine Regelung eingeführt, demzufolge er unbegrenzte Redezeit hat, jeder Oppositionspolitiker nur vier Minuten, so viel zum Demokratieverständnis Brugnaros) und drückte sich am Ende seines Monologs noch ein Tränchen ab, das gehört zu seinem Standardprogramm.

Er regiert ja in einer Koalition aus Lega, Fratelli D’Italia und Forza Italia. Und die feierten ihn nach seiner Rede. Die Lega verlieh ihm sogar eine Ehrenmitgliedschaft. Was nicht verwundert, in einem Land, dessen politische Bühne 30 Jahre lang von einem vorbestraften Wunderunternehmer beherrscht wurde, gegen den bis zu seinem Tod wegen Beteiligung an den Mafia-Attentaten 1992/93 ermittelt wurde und der nach seinem Tod mit Staatstrauer, einem Staatsbegräbnis, einer Sonderbriefmarke und der Benennung des Mailänder Flughafens für seine Verdienste um das Land geehrt wurde. Es ist also nur eine Frage der Zeit, wann der venezianische Flughafen nach Luigi Brugnaro benannt wird.

Langsam nähert sich der 2. September - an dem mein neues Buch erscheint. Nächsten Sonntag um 10 Uhr werde ich auf SWR 1 vorab darüber reden:

https://www.swr.de/swr1/swr1leute/petra-reski-ueber-wahlheimat-italien-und-die-mafia-100.html (Opens in a new window)

Meinen vorläufigen Tourplan können Sie hier nachlesen (Opens in a new window). (Karten für viele Veranstaltungen können Sie bereits jetzt kaufen, das Literaturhaus München (Opens in a new window) etwa ist erfahrungsgemäß schnell ausverkauft.)

Auf dem Weg zurück nach Venedig grüßt Sie herzlich, Ihre Petra Reski

P.S.: Reskis Republik erfreut sich jetzt der Mitgliedschaft von 190 Ehrenvenezianern. Freue mich über jeden weiteren Unterstützer - ich meine: 200 wären immerhin eine runde Zahl!

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