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Paradigmenwechsel nach Kuhn und Metamoderne

Problem definieren: ungeschminkt wahrnehmen , was weh tut

Es ist immer wieder schwer, die Herausforderung zur Transformation (sei es gesellschaftlich oder persönlich) anzunehmen. Viel lieber bleibt dein und mein Hirn in vertrauten Bahnen. Jedes Neue bedeutet Arbeit, Umlernstress, neue Fakten wahrnehmen, bewerten und in ein neues Gesamtbild bringen.

Nur für Menschen, die von Natur aus sehr neugierig sind (ich z.B. :-), vielleicht genetisch bedingt?), deren Neugierzone also hochaktiviert ist, sind die fremden Neuheiten attraktiv. Siehe hier in Spektrum.de (Opens in a new window):

Die geheimnisvolle Zone liegt tief im Hirninnern unterhalb des Thalamus und scheint mit ihren weit reichenden Nervenverbindungen als eine Relais­station zwischen der Hirnrinde und dem Rückenmark zu fungieren. In ihr vermutet man biologisch elementare, evolutionär uralte Antriebe wie Hunger und Durst sowie damit zusammenhängend den Jagdinstinkt – und somit eben auch den Drang, sich aus der Deckung zu wagen und fremde Objekte zu beschnuppern.”

Nun sind wir also ständig mit neuen Reizen konfrontiert, auf die wir uns einlassen oder eben nicht. Lernen ist in dieser Sichtweise immer auch das Verlernen von Altem. Manches ist wie ein DENK-Umsturz oder eine denkerische Revolution. Plötzlich ist es, als wie wenn ein Schalter umgestellt wurde, und alles erscheint in einem anderen Licht. Der Forscher Kuhn Paradigmenwechsel keine schrittweise Verbesserung, sondern eine radikale Neuorientierung bedeutet, erfordert eine transchristentümliche Theologie möglicherweise ein radikales Loslassen alter dogmatischer Strukturen zugunsten eines neuen spirituellen Paradigmas.

Pro/Kontra der Ursachenanalyse: wie geht man bisher klassisch damit um? Wie verstehen wir das Problem bisher? Gibt es andere Deutungen?

Besserer Lösungsvorschlag: Wie verstehe ich mit meiner historisch-narrativen Brille das Ganze und wie wird daraus eine metamoderne „Lösung?

Lösungsverstärkung (Bewertung der Lösung): bestimmt kann ich noch an einem konkreten Fallbeispiel plausibel machen, wie die neue Lesart der Wirklichkeit nützt.

Die Dynamik eines Paradigmenwechsels von einer Epoche zu einer neuen, anderen hat Thomas S. Kuhn erforscht. Er kann damit die Umbruchslogiken auf eine Metaebene darstellen am Beispiel wissenschaftlicher Revolutionen. (Opens in a new window)

Erst wenn über einen längeren Zeitraum hinweg an zentralen Stellen Probleme aufgetreten sind oder überraschende Entdeckungen gemacht worden sind, beginnt die Phase der außerordentlichen Wissenschaft. In ihr wird auch wieder über die Grundlagen selbst diskutiert. Eine solche Krise kann zu einem Paradigmenwechsel führen, bei dem das Paradigma der Disziplin verworfen und durch ein anderes ersetzt wird.

Und in einer solchen Krise befinden wir uns heute. Es ist so, als würde eine alte Welt zerbrechen und eine ganz neue, metamoderne aus den Trümmern der Moderne entstehen...

Kurzbiografie der deutschen Wikipedia zu Thomas S. Kuhn: (Opens in a new window) 

  • Kuhn nahm 1956 eine Stelle als Assistenzprofessor für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte in Berkeley an,

  • einige Jahre später wurde er zum ordentlichen Professor für Wissenschaftsgeschichte berufen. In Berkeley verfasste er unter anderem sein Hauptwerk* The Structure of Scientific Revolutions* (Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen).

  • Dort beschreibt Kuhn die Wissenschaft als eine Folge von Phasen der Normalwissenschaft, unterbrochen von* wissenschaftlichen Revolutionen*.

  • Ein zentrales Konzept ist hierbei das Paradigma; ein Paradigmenwechsel sei eine wissenschaftliche Revolution. Das Verhältnis von Paradigmen, zwischen denen eine Revolution liegt, bezeichnet Kuhn als inkommensurabel, was hier bedeutet: nicht mit dem gleichen (begrifflichen) Maß messbar.

Kuhn geht davon aus, dass nur innerhalb eines bestimmten Paradigmas einzelne wissenschaftliche Theorien und Hypothesen hinsichtlich ihrer Erklärungskraft überprüft und verglichen werden können (sogenannte Inkommensurabilitätsthese).

Die Entwicklung des Paradigenbegriffs bei Kuhn

In The Structure of Scientific Revolutions erhalten Paradigmen zusätzlich eine globale Bedeutung: Nahezu alles, worüber in der Wissenschaft Konsens besteht, ist paradigmatisch. Gemäß dieser Begriffsausweitung können unter anderem auch ganze Theorien paradigmatisch sein.

Kuhn wurde in den Folgejahren für diese philosophisch nicht unproblematische Aufweichung des Paradigmenbegriffes (Opens in a new window) oft kritisiert. Allerdings ist die Allgemeinheit des Paradigmenbegriffs von Kuhn beabsichtigt. Dadurch vermeidet er im Gegensatz zu Karl Popper (Opens in a new window) die methodologische Festlegung auf das, was Wissenschaft ist oder sein soll. Denn*diese Festlegung erfolgt nur im Rahmen des Paradigmas selbst.* Damit ist die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Metaphysik wie auch die zwischen Entdeckungs- und Begründungszusammenhang hinfällig. ( Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. 1967, S. 142.)

Zu Beginn der 1970er Jahre änderte Kuhn seine Terminologie. Paradigmen im weiten Sinne bezeichnete er nunmehr als disziplinäre Matrix, während er konkrete Problemlösungen fortan Musterbeispiele nannte (allerdings gibt Kuhn den Begriff der disziplinären Matrix im Laufe der 70er Jahre wieder auf)

Ein Paradigma funktioniert, indem es dem Wissenschaftler sagt, welche Entitäten es in der Natur gibt und welche nicht, und wie sie sich verhalten. Durch diese Informationen entsteht eine Landkarte, deren Einzelheiten durch reife wissenschaftliche Forschung aufgehellt werden.

Und da die Natur viel zu komplex und vielfältig ist, um auf gut Glück erforscht zu werden, ist diese Landkarte genauso wichtig für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Wissenschaft wie Beobachtung und Experiment.

Zitat: Kuhn 1967 in: Die Struktur ... S. 121.

Einmal angenommen die Hypothese zum Paradigmenwechsel nach Thomas Kuhns "Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" ist für dich jetzt geklärt und stimmig. Dann versteht du jetzt tiefer (denk an unsere heutigen Wahrheitskämpfe in der Fake-News- und „Wissenschaft ist relativ”-Debatte, warum für Kuhn der Übergang von einem Paradigma zu einem anderen keine Frage besserer rationaler Argumente oder besserer empirischer Belege. Denn es sei vom jeweiligen Paradigma abhängig, welche theoretischen Begriffe den empirischen Befund überhaupt erfassen, welche methodischen Voraussetzungen und welche Dispositionen dafür gelten, was als relevante Daten mittels welcher Arten von Beobachtungen überhaupt in den Blick kommt.

Der Übergang von einem wissenschaftlichen Paradigma zu einem anderen nach Thomas Kuhn zeigt also, dass Wahrnehmung und Bewertung der Realität stark von den Annahmen (genauer: Vornahmen oder Grundaxiomen) eines bestehenden Paradigmas abhängen. Natürlich sind die nicht beliebig (also Postmodern „relativ“), sondern bewähren sich nur, wenn das neue Gesamtbild-Konstrukt oder das neue Narrativ überzeugender die Wirklichkeit wie wir sie erleben erklären kann. Es geht also mehr Wirklichkeitsnähe und weniger Fantasie :-)

Neues Denken

Theologie-Umbruch jetzt - zu welchem Preis?

Diese Kuhnsche Entdeckungsreise gibt uns nun einige wichtige Hinweise, welche Aufgaben auf die Entwicklung einer post- oder transchristentümlichen Theologie im Epochenumbruch zur Metamoderne warten:

  1. Kontextgebundene Theologie: Wie Kuhn auf die Paradigmenabhängigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis hinweist, betont auch die historisch-narrative Theologie ihre Kontextspezifik. In einer sich wandelnden Welt mit globalen Krisen und einem neuen Zeitalter, wie dem Anthropozän, muss sich Theologie als Meta-Denksystem neu ausrichten, um relevant zu bleiben.

  2. Narrative und Epochenwechsel: Der Bedarf, biblische Texte narrativ-historisch zu lesen, zeigt die Notwendigkeit, apokalyptische Erwartungen der Bibel nicht als „Endzeitvisionen”, sondern als Hoffnungsbilder für innere und soziale Transformation zu deuten.

  3. Krisen und Resilienz: Eine transchristentümliche Theologie könnte sich auf die Bewältigung von Metakrisen konzentrieren, indem sie auf Resilienz, Gemeinschaft und kollektive Handlungsfähigkeit setzt. Sie sollte Glaubensgemeinschaften befähigen, in chaotischen Zeiten Hoffnung und Handlungsfähigkeit zu bewahren.

  4. Herausforderung der Transformation: Wie Kuhns Paradigmenwechsel keine schrittweise Verbesserung, sondern eine radikale Neuorientierung bedeutet, erfordert eine transchristentümliche Theologie möglicherweise ein radikales Loslassen alter dogmatischer Strukturen zugunsten eines neuen spirituellen Paradigmas.

Für eine solche im metamodernen Kontext sinnstiftende Theologie ist es also wesentlich,

  • das Umfeld und zwar in der besonderen (modernen, postmodernen, metamodernen) Deutung kulturellen Strömungen, also in ihren unterschiedlichen Narrativen zu berücksichtigen, um dann herauszufinden, wieso z.B. ein megamodernes Narrativ als neues Paradigma mehr Sinn macht als ein modernes.

  • (neue) Narrative werden so als Transformationswerkzeuge eingesetzt (als bessere, erstrebenswertere, neue Begründungen) und

  • lassen uns auf die Herausforderungen unserer Zeit mit einer neuen, integrativen Spiritualität (als bessere Praxis) reagieren.

Schaubildbeispiel
Paradigmen-Beispiele in Tabellenform
Paradigmen-Beispiele in Spiral Dynamics©

Uff. Das klingt nach viel Arbeit und Loslassen von altvertrauten Erzählungen, um das neue Bild zu entwerfen. Solch ein Umbau des theologischen Paradigmas (oder: Narrativs) erfordert Mut: sowohl zu theologischer Innovation als auch zu einer mutigen Auseinandersetzung mit den Unstimmigkeiten (die zu den komplexen Krisen unserer Welt führten), die jetzt als Weckrufe für eine Neudeutung genutzt werden.

Topic Metamoderne

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