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Das Flüstern im Wald – der Kompromiss der Eule

Wenn die Nacht hereinbricht und die Sterne auf dem dunklen Himmel hervortreten, ist es Zeit, für einen sehr ikonischen Raubvogel, sich auf die Jagd zu begeben: Die Eule, die für ihr unverwechselbares Aussehen bekannt ist und die für viele Menschen ein Sinnbild von Weisheit sind, symbolisiert in verschiedenen Kulturen Weisheit, Mysterium und Magie. 

Es ist vor allem ihre schon beinahe übernatürlich anmutende Fähigkeit, fast lautlos durch die Luft zu gleiten, die sie von anderen Vögeln unterscheidet – na ja, und dass sie ihren Kopf um 270° nach hinten drehen kann, ohne sich dabei das Genick zu brechen. In dieser Ausgabe soll es aber um den sehr speziellen Flug der Eulen gehen. Let's go!

Lautlose Tarnkappen-Flieger

Eine Vielzahl von körperlichen Anpassungen ermöglicht es den meisten Eulenarten, langsamer und leiser als andere Raubvögel zu fliegen. Für tag- und dämmerungsaktive Eulen ist ein leiser, langsamer Flug gar nicht so entscheidend, da die Beute sie normalerweise sehen kann, wenn sie sich nähert – da heißt es also eher schnell als leise sein. Bei nachtaktiven Eulen jedoch ist ein lautloses – und kombiniert mit der Dunkelheit "unsichtbares" – Anpirschen super wichtig bei der Jagd, um erfolgreich Beute machen zu können.

Eulenfedern sind in der Regel größer als die von anderen Vögeln, besitzen weniger Strahlen (das sind diese feinen Fasern einer Feder, die sich ineinander verhaken), einen längeren Federkiel und haben sehr glatte Ränder. Die Ränder der Flügel selbst sind gezackt, sodass aerodynamische Störungen verringert werden, was dazu führt, dass der Wind insgesamt leiser durch das Gefieder rauscht.

Die Oberfläche der Federn ist von einer ganz samtigen Struktur bedeckt, die den Schall der Flügelbewegungen dämpft. Hier siehst du mal den Vergleich zwischen einer Eulenfeder (links) und der eines Falken (rechts):

(Foto: Eike Wulfmeyer)

Wenn du genau hinschaust siehst du, dass die Eulenfedern links selbst noch einmal eine Art Flaum haben – sie sehen also etwas behaart aus.

Diese besonderen Strukturen sorgen dafür, dass bestimmte Schallfrequenzen verringert werden. Dadurch ist der Lärm, den die Eule abgibt, für ihre typischen (sehr lärmempfindlichen) Beutetiere nicht hörbar, während er im Bereich der besten Hörleistung der Eule selbst bleibt. Das ist sehr praktisch – einerseits hört die Beute das Herannahen nicht, andererseits kann die Eule ihre eigenen Geräusche hören und überwachen, dass die Lautstärke ihrer Flugbewegungen innerhalb eines bestimmten Bereichs bleiben. Denn nicht nur der spezielle Aufbau der Federn ist dafür verantwortlich, dass Eulen so lautlos durch die Lüfte gleiten – ein ausgewähltes Flügelschlagmuster sorgt auch für den leisen Flug.

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Doch wie so oft: Wo Licht ist, ist oft auch Schatten. Denn die Anpassungen an einen lautlosen Flug sind ein sogenannter "Trade-off".

Das Prinzip des "Trade-offs" spielt eine große Rolle in der Natur und bezieht sich darauf, dass eine Anpassung oder Entwicklung in einem bestimmten Bereich Vorteile mit sich bringt, während sie in einem anderen Bereich gleichzeitig Nachteile verursacht.

Der Trade-Off der Eule

Ein Trade-off, der beim lautlosen Flug der Eule beobachtet werden kann, betrifft die einzigartigen Federstrukturen, die für die Reduzierung von Fluggeräuschen verantwortlich sind. Während diese eben besprochenen Anpassungen den Flug der Eule nahezu lautlos machen, haben sie auch den Nachteil, dass die Federn weniger wasserdicht sind. Anders als bei vielen anderen Vogelarten, die ihr Gefieder mit Öl oder Staub imprägnieren können, ist das bei Eulen nicht möglich, wodurch sie anfälliger für Nässe werden. Das heißt, Eulen können bei schlechtem Wetter (Regen und so weiter) nicht jagen, was vor allem während der Brutzeit problematisch sein kann, da die Jungvögel im schlimmsten Fall verhungern.

Die fehlende Imprägnierung gegen Nässe führt auch dazu, dass Eulen leider häufig in ungesicherten Viehtränken ertrinken. Wenn sie landen, um zu trinken und in die Tränke fallen, saugt sich das Gefieder mit Wasser voll, sodass sie nach unten gezogen werden und nicht mehr selber herauskommen.

Ein weiterer Trade-off betrifft die Temperaturisolation. Die spezialisierten Federn, die für den lautlosen Flug verantwortlich sind, bieten weniger Isolation gegen Kälte als die Federn anderer Vögel. Das kann es für Eulen schwieriger machen, sich warm zu halten. Eulen besitzen eine große Anzahl von Flaumfedern, die helfen, die Körperwärme zu speichern. Diese Federn isolieren hervorragend und halten die Eule auch bei eisigen Temperaturen einigermaßen warm, wenngleich sie nicht ganz so effektiv wie die Isolation anderer Vögel ist. 

Außerdem sind die hochspezialisierten Federn, die für den lautlosen Flug verantwortlich sind, anfälliger für Abnutzung als die Federn anderer Vögel. Deshalb müssen Eulen mehr Zeit und Energie aufwenden, um ihr Gefieder zu pflegen und zu erhalten, damit es optimal funktioniert. Zu dieser Pflege gehören regelmäßiges Putzen, das Entfernen beschädigter Federn und das Ausrichten neuer Federn, um die aerodynamische Effizienz des lautlosen Flugs zu erhalten.  

Das klingt jetzt alles natürlich eher negativ, aber dennoch sieht man daran, dass das Prinzip fortbesteht, dass die Vorteile dennoch überwiegen müssen – sonst hätte sich das evolutionär nicht durchgesetzt.

Aber tauchen wir doch noch einmal etwas weiter in diese Kompromisse, diese "Trade-Offs" ein.

Kompromisse bis zum ultimativen Opfer

In der komplexen Welt des Lebens scheint es oft, als ob die Evolution ihre Kreaturen mit unendlichen Talenten beschenkt hat. Wir bewundern die Flugkünste des Mauerseglers und die filigrane Schönheit des Schmetterlingsflügels. Aber bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass diese Gaben auf dem Prinzip des Ausgleichs beruhen. Die Evolution gibt, die Evolution nimmt. Quasi.

Die Flügel des Albatros

Weit weg von unseren Alltagssorgen gleiten Albatrosse mühelos über die windgepeitschten Wellen des offenen Ozeans – macht einen ja manchmal schon etwas neidisch, ne? Diese Vögel haben eine beeindruckende Flügelspannweite, die über drei Meter betragen – was für ein Flex! Doch die Größe ihrer Flügel hat nicht nur Vorteile.

In Flug sorgen die riesigen Flügel für einen extrem effizienten Auftrieb, der es ihm ermöglicht, große Entfernungen mit minimaler Anstrengung zurückzulegen. Diese bemerkenswerte Anpassung ist für ein Lebewesen, das die meiste Zeit seines Lebens auf den Flügeln verbringt und das Meer nach Nahrung absucht, unerlässlich. Doch genau die Eigenschaft, die den Albatross in der Luft zu Höchstleistungen befähigt, erweist sich an Land als seine größte Herausforderung.

Die gleichen ausladenden Flügel machen das Landen zu einer mühsamen Tortur.  Und auch das Abheben ist nicht ohne und braucht mehrere Anläufe.,wenn es denn überhaupt klappt. Das ist natürlich ein Nachteil, wenn man schnell starten muss, weil sich eine Gefahr nähert. Sein größter Vorteil wird also gleichzeitig zu seinem größten Nachteil.

Das große Opfer

Im dichten Laub des australischen Busches huscht ein unscheinbares klleines Tier durchs Unterholz. Die Breitfuß-Beutelmaus, ein kleines Beuteltier, das einer Maus ähnelt, führt ein Leben, das man leicht übersehen könnte. 

(Foto: Mel Williams)

Für die Männchen dieser kleinen Racker ist das Streben nach Fortpflanzungserfolg das A und O – alles andere ist egal, knattern um jeden Preis. Deshalb findet jedes Jahr bei diesen winzigen Tieren eine wilde Paarungszeit statt, die nur zwei Wochen andauert. In dieser Zeit paaren sich die Männchen mit so vielen Weibchen wie möglich, häufig stundenlang, und verzichten dabei sogar auf Schlaf und Nahrung, um ihr einziges Ziel zu verfolgen. Dieser obsessive Trieb hat jedoch einen hohen Preis: Das Männchen stirbt häufig kurz nach der Paarungszeit, da sein Körper durch die Strapazen seiner zielstrebigen Mission komplett heruntergerockt wurde. Fortpflanzungserfolg auf Kosten seines eigenen Lebens – der ultimative Preis, den es für die Weitergabe seiner Gene zahlen muss. 

Mit Kompromissen durchs Leben

Abwägen, Entscheidungen treffen, Kompromisse schließen – all das gehört auch zum menschlichen Leben dazu.  So wie die Evolution dem Albatros, der paarungswilligen Maus und dem Eule ein Gleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen bietet, müssen wir uns durch die Landschaft aktiver Entscheidungen kämpfen, um unsere Ziele, Leidenschaften und Beziehungen irgendwie auf die Reihe zu kriegen.

Unabhängig von unseren Träumen jonglieren wir ständig mit Prioritäten, um das Leben zu erschaffen, das zu uns passt. Dabei gilt es, die Kosten und Chancen unserer Entscheidungen abzuwägen und das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Gerade in zwischenmenschlichen Beziehungen ist Kompromissbereitschaft mit die wichtigste Eigenschaft – sei es in Beziehungen, in Freundschaften, im Sportverein oder am Arbeitsplatz. 

Denn: Wer keine Kompromisse eingehen kann oder will, hat es schwer und verliert meist mehr, als er es durch einen Kompromiss tun würde. 

Und sonst so?

Diese Newsletterausgabe über Eulen gibt es auch als Version für Kinder: 

http://www.steadyhq.de/naturariumkids (Opens in a new window)

Das hier war die kostenlose Ausgabe von SCHREIBERS NATURARIUM, die alle 2 Wochen erscheint. Sie wechselt sich mit der kostenpflichtigen Ausgabe für Unterstützerinnen und Unterstützer ab. Wenn ihr die Kolumne wöchtenlich haben und mich und meine Umtriebe in der Natur unterstützen könnt, könnt ihr das hier machen:

Bis zum nächsten Mal, ihr Liebmäuse!

Jasmin

PS: Hier hab ich wieder einmal eine Flechte entdeckt.

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