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Churchill

Die bereits 2014 erschienene Biographie über Winston Churchill erscheint inzwischen auch als Taschenbuch. In diesem Jahr wäre er 150 Jahre alt geworden.

Der Verlag beschreibt ihn so: „Als Winston Churchill 25 Jahre alt war, hatte er Kriege auf drei Kontinenten erlebt, fünf Bücher geschrieben und einen Sitz im britischen Unterhaus gewonnen. Mit 60 galt er politisch als gescheiterter Mann. Doch dann kam der Zweite Weltkrieg. Churchill wurde Premierminister, leistete den entscheidenden Widerstand gegen Hitler-Deutschland und führte sein Land bis zum siegreichen Kriegsende.“

Selbst er fand seinen langjährigen politischen Werdegang mit Parteienwechseln von den Konservativen zu den Liberalen und wieder zurück, bei dem der Monarchist zum Schluss Königin Elizabeth diente, erstaunlich: „Ich diente unter der Ururgroßmutter der Queen, unter ihrem Urgroßvater, ihrem Großvater, Vater und jetzt ihr.“

Der Journalist Thomas Kielinger, der lange Jahre für „Die Welt“ aus London berichtet hatte, charakterisiert in seiner Biographie diesen exzentrischen, aber schwierigen Charakterkopf und überragenden Rhetoriker.

Der am 30. November 1874 geborene Sir Winston Leonard Spencer-Churchill war ein Kind des britischen Hochadels. Sein Vater Randolph Henry Spencer-Churchill war ein bedeutender Politiker der Tories. Er war Finanzminister. Der Sohn jedoch wurde ein Ausnahmepolitiker. Aber als er mit Ach und Krach den Schulabschluss schaffte, wusste der Vater zunächst nicht, was er mit dem missratenen Sohn machen sollte. Als Politiker, Maler und Schriftsteller übertraf Winston den mit seinem Sohn Unzufriedenen aber um Längen. Winston war ein Paradiesvogel, der mit keinem anderen zeitgenössischen Politiker verglichen werden konnte und sich als Meister der Selbstinszenierung - mit einer Zigarre zwischen den Lippen - zu präsentieren wusste. Auch der Malerei hatte er sich verschrieben. Seine Bilder werden heute für mehrere Millionen Euro versteigert.

Eigentlich war Winston Churchill bereits in jungen Jahren ein Held, als er im März 1901 erstmals seinen Sitz im Londoner Unterhaus einnahm. Zuvor hatte er sich bereits als Offizier und Kriegsberichterstatter einen Namen gemacht und wurde nach seiner spektakulären Flucht aus einem Gefangenenlager im Burenkrieg zuhause triumphal empfangen. Seine von ihm selbst zu Papier gebrachten Abenteuer waren schnell Bestseller. Es sollten nicht seine einzigen Bestseller werden. Mit der Schriftstellerei finanzierte er sich seinen aufwendigen Lebensstil mit Koch, Chauffeur sowie Butler und seine Erzählkunst brachte ihm zudem den Literaturnobelpreis ein. 

Dennoch heißt die Biographie: „Der späte Held“, womit der Autor vor allem die Zeit nach Churchills Ernennung zum Premierminister 1940 meint. In Hitler fand Winston Churchill den Gegenspieler, gegen den er in seinen Ansprachen an die Nation zu seiner Bestform auflaufen konnte. Hitler bezeichnete ihn als „verjudeten halb amerikanischen Trunkenbold“, scheiterte letztendlich aber auch an dessen Hartnäckigkeit. Das zuvor stattgefundene Ringen um Appeasement oder Wehrhaftigkeit erinnert dabei stark an heutige Zeiten.

Als Hitler alle Verträge und Versprechen gebrochen hatte und Polen überfiel, erklärte auch das britische Empire Deutschland den Krieg. Gleichzeitig wird ein neues Kabinett gebildet, mit Winston Churchill erneut als Marineminister. Als die Wehrmacht am 10. Mai 1940 auch Frankreich angreift, wird Churchill Premierminister einer Allparteienregierung. Er weiß, dass die Existenz Großbritanniens auf dem Spiel steht und versucht die USA als Verbündeten zu gewinnen. Frankreich wird besetzt. Die Invasion Großbritaniens gelingt jedoch nicht, auch wegen Winston Churchill.

Am 8. Mai 1945 verkündete Premierminister Winston Churchill vom Balkon des Londoner Buckingham Palace in Anwesenheit der königlichen Familie die bedingungslose Kapitulation Nazi-Deutschlands. Interessant dabei auch die von englischen Politikern geteilte Erleichterung, dass das ein Jahr zuvor stattgefundene Stauffenberg-Attentat missglückte, denn anders wäre es nach dem Krieg eine schwierigere Verhandlungsposition gewesen.

Mit tiefem Misstrauen begegnete er später der Tatsache, dass Polen – dessen Befreiung von der Nazi-Tyrannei den Beginn des Weltkriegs markiert hatte – nun hinter einem „Eisernen Vorhang“ verschwand. Stalin war ihm ein neuer alter Feind. Der einst liberale Politiker Winston Churchill wandelt sich endgültig zum antisozialistischen Hardliner.

Im Buch kommen auch Churchills negative Charaktereigenschaften zum Vorschein. Er äußerte sich durchaus auch rassistisch und blieb bis zum Schluss imperialistisch, war aber zuhause auch Demokrat. Trotz aller Machtfülle rüttelte er nie an den Grundpfeilern der britischen Demokratie. Selbst während des Krieges, musste er sich im Parlament einem Misstrauensvotum stellen.

1955 tritt Winston Churchill vom Amt des Premierministers , das er nach dem Krieg zwischenzeitlich verloren hatte, zurück, blieb aber dem Unterhaus bis zum Schluss als Abgeordneter erhalten. Zum Rücktritt als Regierungschef musste er regelrecht gedrängt werden. Er starb am 24. Januar 1965.

Eine lesenswerte Biographie des überaus bunten und spannenden Lebens eines außergewöhnlichen Mannes, der an seinem 150. Geburtstag im November wieder in aller Munde sein wird.

 

 

Ernst Reuß

 

 

Thomas Kielinger: „Churchill. Der späte Held“, C.H. Beck Paperback, München 2022, 400 Seiten, 16,95 Euro.

Topic Krieg/Nazis

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