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Auschwitz

Heinrich Himmler ordnete im April 1940 den Bau eines Konzentrationslagers in Oswiecim, auf Deutsch Auschwitz, an. Die SS errichtete das Stammlager in den Gebäuden einer ehemaligen polnischen Kaserne. Schon im Mai 1940 trafen die ersten KZ-Häftlinge im Lager ein. Die Lage war verkehrstechnisch günstig gewählt worden. Der Bahnanschluss vereinfachte die rasche Deportation von Juden aus vielen Gebieten Europas in das nicht weit von Krakau und Kattowitz entfernte Auschwitz. In der dünn besiedelten Umgebung konnten weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit schlimmste Verbrechen begangen werden. Die dorthin Deportierten wurden für drei bis sechs Reichsmark pro Zehnstundentag an deutsche Unternehmen als Arbeitssklaven vermietet. Nicht nur die I.G. Farben, sondern auch andere deutsche Firmen, die Wehrmacht und das Rüstungsministerium Albert Speers profitierten davon. Anfangs als Arbeits- und Gefangenenlager gedacht, wurde es spätestens nach der Wannseekonferenz zu einem Vernichtungslager, das zum Synonym für die Judenvernichtung durch die Deutschen und ihre Helfer geworden ist.

Bald nach Errichtung des Stammlagers reichten die Kapazitäten nicht mehr aus. Bereits im März 1941 ordnete Himmler eine Vergrößerung des Lagers nahe dem benachbarten Dorf Brzezinka, auf Deutsch Birkenau, an. Die Kapazität des Lagers war auf 200 000 Menschen ausgelegt. Dort sollte die industrielle Vernichtung von Juden erfolgen. Zudem wurde auf Initiative und Kosten der I.G. Farben AG das Lager Auschwitz–Monowitz errichtet, wo Zwangsarbeit verrichtet werden musste. Es war das größte von insgesamt etwa 50 Außenlagern.

In Auschwitz und Birkenau wurde selektiert. Alte, Kranke, Schwache und Kinder wurden in der Regel sofort nach ihrer Ankunft vergast, arbeitsfähige Männer und Frauen erst einmal unter menschenunwürdigsten Bedingungen versklavt. Registriert und mit Nummern versehen wurden nur diejenigen, die bei der Selektion nicht zur sofortigen Vernichtung bestimmt wurden. Hatte man die Selektion überlebt, konnte schon der nächste Tag der letzte sein.

In Auschwitz wurden 1,1 bis 1,5 Millionen. Menschen von der SS ermordet. Darunter waren mindestens 1 Millionen Juden, bis zu 75 000 Polen, 21 000 Sinti und Roma, circa 15 000 sowjetische Kriegsgefangene und an die 15 000 Menschen, die keiner dieser Kategorien zugeordnet werden können.

Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee die Lager. Der Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz ist seit 1996 in Deutschland, seit 2005 international der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

Jüngst sind daher zwei Augenzeugenberichte erschienen, von Überlebenden, die damals noch Kinder waren. Eine davon war Rachel Hanan. Sie schreibt: „Ich war ein Teenager, noch ein halbes Kind, als ich an meinem 15. Geburtstag in Auschwitz ankam. Ziemlich genau ein Jahr später, eine Woche vor meinem 16. Geburtstag, wurde ich im Konzentrationslager Theresienstadt aus der Gefangenschaft der Nationalsozialisten befreit.“

Rachel Hanan überlebte als Teenager vier Konzentrationslager, bevor sie am 9. Mai 1945 von der Roten Armee in Theresienstadt befreit wurde. Vorher war sie in Auschwitz, wo sie den überaus freundlichen Dr. Mengele kennenlernte, der im Gegensatz zu den brüllenden Soldaten, mit denen sie tagtäglich konfrontiert wurde, immer mit freundlicher Miene und ohne weitere Regung über Tod oder Leben entschied. Danach war sie in Bergen Belsen und in Duderstadt, einem Außenlager von Buchenwald. Rachel stammte aus Unterwischau, einer Gemeinde im Norden Rumäniens. Ungarn hatte 1940 mit Hilfe Hitlers einen Teil von Siebenbürgen okkupiert, die Juden entrechtet und später deportiert. 1947 wanderte Rachel nach Israel aus und arbeitete dort als Sozialarbeiterin.

Die andere - Tova Friedman - ist gerade einmal fünf Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter nach der vorherigen Ghettoisierung und dem Aufenthalt in einem Arbeitslager in das Vernichtungslager Auschwitz Birkenau deportiert wird.

Sie schreibt: „Ich habe überlebt. Damit einher geht die Verpflichtung gegenüber den  anderthalb Millionen jüdischen Kindern, die von den Nazis ermordet wurden. Sie können nicht mehr sprechen. Also spreche ich für sie.“  

Tova Friedman gehörte zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zu den 50 000 jüdischen Kindern der polnischen Stadt Tomaszow Mazowiecki. Nur fünf davon überlebten die Nazizeit. Sie hatten unsagbares Leid zu überstehen. Tova kehrte mit ihre Mutter an ihren Wohnort zurück, wo sie den polnischen Antisemitismus erlebte. Eine Tante wurde von antisemitischen Banden getötet. Über die Station Berlin, Landsberg am Lech und Israel ging Tova Friedman in die USA und arbeitete dort als Psychotherapeutin.

Sie schreibt in ihrem Vorwort: „Wenn Sie jetzt weiterlesen, möchte ich, dass Sie schmecken, fühlen und  riechen, wie es war, als Kind während des Holocaust zu leben. (...) Ich hoffe, Sie werden wütend. Denn wenn Sie wütend sind, besteht die Möglichkeit, dass Sie Ihre Empörung mit anderen teilen, und das erhöht wiederum die Chancen, einen weiteren Völkermord zu verhindern.“

Ihre Erzählungen wurden aufgeschrieben von einem freien BBC Journalisten, der das alltägliche Grauen plastisch beschreibt, so dass man mit etwas Empathie nur schaudern und wütend werden kann. Schrecklich was den Menschen angetan wurde und trotzdem muss man es immer wieder lesen, um das ganze Ausmaß des Schreckens verstehen zu können.

Antisemitismus ist wieder auf dem Vormarsch und das obwohl der Holocaust erst ein paar Jahrzehnte zurückliegt. Die Erinnerung daran muss wach bleiben. Nie wieder!

 

 

Ernst Reuß

 

 

Rachel Hanan, Thilo Komma-Pöllath, Ich habe Wut und Hass besiegt«, Was mich Auschwitz über den Wert der Liebe gelehrt hat, München 2023, 288 Seiten, 20,00 € 

Tova Friedmann und Malcom Brabant, Ich war das Mädchen aus Auschwitz, 352 Seiten, übersetzt von Ulrike Strerath-Bolz, München 2023, 18,00 €

Susanne Willems: „Auschwitz“. Die Geschichte des Vernichtungslagers. Edition Ost, Berlin 2015, 256 Seiten, 29,99 Euro.

Topic Shoa/Judentum

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