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Die Macht der Geschichten

Von links nach rechts: Holger Schwiewanger, Annegret Kramp-Karrenbauer, Martin Benz, Gofi

Neulich habe ich einem sehr intelligenten und belesenen Freund dabei zugehört, wie er laut darüber nachdachte, ob eine Predigt überhaupt jemals wirklich eine gewisse Wirkungsmacht entfalten kann. Er sagte das bei einem Podcast, einem SEHR empfehlenswerten Podcast namens 'Herzen und Systeme', in dem es um Theologie, Gesellschaft, Kirche und um das Thema Macht geht.

Ich schätze meinen Freund Tobi Künkler sehr und halte grundsätzlich fast alles, was er sagt, für richtig. Aber über seine Zweifel an der Wirkmächtigkeit der Predigt habe ich mich gewundert. Ich glaube, es ist offensichtlich, dass eine Predigt, wenn sie gut ist, und damit meine ich, wenn sie unterhaltsam ist und einigermaßen nachvollziehbare Gedanken enthält, immer wirksam ist, zum Guten wie zum Schlechten.

Das liegt daran, dass wir alle – alle! - das, was wir wissen oder zu wissen meinen, in Erzählungen ordnen. Diese Erzählungen fassen unsere Erkenntnisse über das Leben, über die Welt und uns selbst zusammen. Man nennt sie 'Narrative'. Das können auch Mikro-Geschichten sein, wie: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Oder: Alles, was Du tust, hat Konsequenzen. Oder: Ich habe so hart gearbeitet, wie ich konnte, aber es hat alles nichts gebracht, es ist wie verhext! Oder: Erst habe ich ihn gar nicht wahrgenommen, aber dann habe ich gemerkt: Er ist die Liebe meines Lebens. Oder: Wenn Du nicht aufisst, regnet es morgen. Oder: Ich bin in Bremen geboren worden, habe dort auch mein Abitur gemacht, bin später nach Bielefeld gezogen und dort studiert, heute lebe ich mit meiner Familie in Marburg. Alles Narrative. Sie sind nicht nur die Zusammenfassungen bloßer Fakten, sondern deuten sie auch. Wann immer man Tatsachen ordnet und in einen Zusammenhang bringt, deutet man sie. Und Deutungen werden geglaubt. Und entlang des Glaubens an die Deutungen treffen wir Entscheidungen und handeln.

Wessen Narrativ geglaubt wird, der besitzt die Deutungshoheit. Das ist eine machtvolle Position. Denn wer die Deutungshoheit hat, bestimmt unter Umständen die Entscheidungen und Handlungen ganzer Gruppen. Wenn sich z. B. der Glaube an das Narrativ 'Die Juden sind an allem schuld' durchsetzt, hat das fatale Folgen, wie wir alle wissen. (By the way: Hast Du schon die Cobains Erben Folge über Antisemitismus in Kunst und Kultur mit Michael Blume (Opens in a new window) angehört? Lohnt sich!)

Wenn Du mich ein bisschen näher kennst, hast Du gemerkt, dass das Narrativ mit Bremen und Bielefeld und Marburg eine kürzeste Zusammenfassung meiner Biografie ist. Und so ist es ja wirklich: Auch wenn wir auf unser Leben zurückblicken und es zusammenfassen, tun wir das in Form einer Geschichte. Das war am vergangenen Freitag ganz eindrücklich zu erleben, als ich gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Spielervereinigung Greuther Fürth Holger Schwiewanger, Annegret Kramp-Karrenbauer und dem Theologen und Podcaster Martin Benz an einem Podiumsgespräch auf dem Kirchentag teilnehmen durfte. Es ging ums Scheitern und Wiederaufstehen. Wir erzählten Geschichten aus unserem Leben, Dinge, die schiefgingen, und die Lehren, die wir daraus gezogen haben. Und selbstverständlich war jede einzelne Geschichte eine Deutung der Tatsachen, die wir erlebt haben. Dass wir unsere Geschichten so und nicht anders erzählten, gab die Art vor, wie die Zuhörenden unsere Geschichten deuten sollten. Wir gaben nicht einfach Fakten wieder, sondern wir wählten sie aus (ließen andere unter den Tisch fallen) und brachten sie in eine sinnvolle Abfolge. Wir taten es deshalb, weil es anders nicht geht. Wir hätten sonst nur zusammenhangloses Zeug gebrabbelt.

Deshalb entfaltet eine Predigt natürlich immer eine Wirkung, sofern ihr jemand zuhört. So wie jede andere Geschichte auch, die jemand liest oder hört. Das ist die Kraft des Geschichtenerzählens, eine Jahrtausende alte kulturelle Technik, mit der Menschen seit jeher ihr Wissen sichten, ordnen und weitergeben.

Und deshalb bin ich gerne Geschichtenerzähler, weil ich mir der Verantwortung und Bedeutung dieser Tätigkeit bewusst bin und mich in einer langen, langen Tradition gut aufgehoben fühle.

Danke, dass Du mich darin unterstützt, meinen Job zu machen! Und falls Du es noch nicht tust, aber gerne würdest, erkläre ich Dir unten in aller Kürze, wie das geht.

Liebe Grüße

Dein Gofi

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