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10 Jahre Künstlerdasein

Im Oktober 2010 besuchte ich eine große Konferenz mit Christ*innen aus der ganzen Welt in Kapstadt. Ich war damals Jugendevangelist von Beruf. Das bedeutete in meinem Fall, dass ich durch den gesamten deutschsprachigen Raum reiste, auf christlichen Veranstaltungen vor allem vor Jugendlichen sprach, ihnen den Glauben erklärte und sie dazu einlud. Diese Karriere stand im Oktober 10 vor ihrem unmittelbaren Aus. Ich hatte mich schon 2008 dazu entschlossen, sie aufzugeben. Trotzdem war ich in Kapstadt dabei als noch amtierendes Vorstandsmitglied der 'Arbeitsgemeinschaft Jugendevangelisation'. Warum ich hier war, wusste ich selbst nicht so genau. Vielleicht, um einmal Kapstadt sehen zu können, vielleicht auch, weil ich das diffuse Gefühl hatte, dass es für mich wichtig sein könnte.

Das war es durchaus. Ich erhielt einen groben Überblick darüber, was in der vor allem evangelikalen Christenheit weltweit so los war. Das war manchmal ermutigend und manchmal verstörend. Was mich aber faszinierte, war die Tatsache, dass in den Veranstaltungen überall Kunst zu sehen war und dass es Gesprächsangebote zu dem Thema gab. In diesen Tagen in Kapstadt beschloss ich, mich intensiv mit der Frage zu beschäftigen, was Kunst ist, welche Bedeutung sie für uns haben kann, warum es sich lohnt, sie ernst zu nehmen, und ich nahm mir vor, sie auch für meine Theologie bedeutsamer werden zu lassen.

Zweieinhalb Jahre später machte ich mich als Künstler selbstständig. Ich hätte zu diesem Zeitpunkt noch nicht formulieren können, was ich unter Kunst verstehe, und wusste daher eigentlich auch nicht, was ein/e Künstler/in ist. Noch viel weniger war mir bewusst, dass ich mich mit diesem Schritt nicht nur als Künstler, sondern auch als Unternehmer selbstständig machte und dass ab jetzt von mir erwartet werden würde, dass ich mit meiner Arbeit Profit erwirtschafte. Nicht viel, aber immerhin so viel, dass das Finanzamt Marburg-Biedenkopf nicht davon ausgehen musste, dass sie lediglich mein Hobby subventionieren.

Wenn ich alles gewusst hätte, was in den nächsten Jahren auf mich zukommen würde, hätte ich es bleiben lassen. Als ich aber erst einmal den Sprung ins kalte Wasser gemacht hatte und meine ersten Kröten mit selbstständiger Arbeit verdiente, gab es kein Zurück mehr. Natürlich hätte ich jederzeit sofort mit allem aufhören können. Doch inzwischen gab es Leute, die sich wünschten, dass ich weitermachte mit dem, was ich tat. Hinzu kommt, dass ich mit der Kunst nicht aufhören kann, weil es inzwischen zu einem Teil meiner DNA geworden ist. Außerdem glaubte ich und glaube es immer noch, dass meine Arbeit nicht nur mir, sondern auch anderen guttut. Ich denke, jede Künstlerin, die ihren Job macht, ist gut für die Gesellschaft, egal in welcher gesellschaftlichen Nische diese Arbeit auch passieren mag.

Zehn Jahre später bin ich froh darüber, dass ich mich 2013 so entschieden habe. Gerade im letzten Jahr, im zehnten meiner bescheidenen Künstlerkarriere, haben sich plötzlich Dinge ergeben, die ich mir immer erhofft habe. Mein Ausstieg bei dem christlichen Podcast Hossa Talk war sicher einschneidend, aber ich glaube, er war notwendig. Hossa Talk hat mir für meine Laubahn als Künstler eine immens wichtige Grundlage gelegt, und ich bin froh, dass ich dieses Format zusammen mit Jay entwickelt habe. Ohne Hossa Talk wäre ich nicht da, wo ich jetzt stehe. Der Podcast hat mir Selbstvertrauen gegeben und die Gelegenheit, Kompetenzen zu entwickeln, die ich jetzt einsetzen kann.

Er hat aber auch unglaublich viel Zeit und Energie gekostet, die ich nicht darauf verwenden konnte, mich in die Kunstszene vor Ort zu investieren. Das passiert jetzt endlich. Ich habe im letzten Jahr bei mehren Kunstaktionen mitgemacht, habe faszinierende Gespräche mit anderen Künstler/innen geführt, bin jetzt Teil einer Künstler/innen-Gemeinschaft, mit der ich mir Arbeitsräume teile und mit der ich kooperiere. Und ich bin Teil einer neuen Kirchengemeinde, die einen Schwerpunkt auf Kunst legt und sich von mir erhofft, dass ich diese Entwicklung begleite und entwickle. Womit sich der Kreis schließt und mich wieder an die Tage in Kapstadt denken lässt.

Ich freu mich auf das kommende Jahr. Ich werde, so wie es aussieht, in Hamburg Bilder ausstellen. Marco Michalzik und ich arbeiten an einem gemeinsamen Bühnenprogramm, das wir vielleicht noch in diesem Jahr irgendwo zeigen werden. Mit Freunden entwickle ich zurzeit ein kostenloses Kunst-Webmagazin, das hoffentlich im September zum ersten Mal erscheinen wird. Unsere Künstlergemeinschaft Bokopano wird mehrmals in diesem Jahr ihre Türen öffnen, damit Freund*innen uns besuchen kommen und mit uns feiern können.

Und in all dem hoffe ich, dass die Kunst mit ihren Bildern, Tönen, Klängen, Worten und Veranstaltungen Begegnungen zwischen Menschen ermöglicht, sie dazu bewegt, selbst zu denken, miteinander zu sprechen, gemeinsame Erfahrungen zu machen, an die man sich gerne erinnert. Kunst ist nämlich schon eine Unruhestifterin, aber zu einem guten Zweck. Weil sie dem Menschen im besten Fall dabei hilft, sich seiner selbst und seines Menschseins bewusst zu werden und auch im Gegenüber den Menschen zu sehen. Ich glaube, sie kann ein Mittel sein, den gesellschaftlichen Frieden zu fördern. Das hoffe ich zumindest.

Danke, dass Du mich auf diesem Weg begleitest und Dich für meine Arbeit interessierst! Danke Euch allen, die Ihr mir finanziell über die Runden helft und dadurch auch neue Projekte wieder ermöglicht! Ich bin dankbar, dass es Euch gibt, und schätze Eure Hilfe sehr!

Ein frohes, gesegnetes und gesundes 2023 Euch allen!

Euer Gofi

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