Repression gegen die Klimabewegung ist der neue Klimaschutz
Quelle: taz, Foto Christian Mang)
8.8.2024
Liebe Leute: Alerta!
Es ist kurz vor Neun am 8.8.24, und gerade jetzt laufen Cops durch mind. Acht “Objekte” (Wohnungen), in denen Klimaaktivist*innen der Letzten Generation wohnen. Das (Opens in a new window) schreibt die LG dazu:
“In Berlin, Leipzig, Freiburg, Halle und Mannheim wurden um 6:30 Uhr acht Wohnungen von der Polizei gestürmt.
Die acht Menschen der Letzten Generation, bei denen die Durchsuchungen stattfinden, haben am 25.07.2024 mit der internationalen Kampagne 'Oil Kills' den Flugverkehr am Frankfurter Flughafen unterbrochen, indem sie sich auf das Rollfeld setzen. Sie fordern ein Ausstiegsvertrag aus fossilen Brennstoffen bis 2030.”
Shooting the messenger
Das ist natürlich nicht die erste “shoot the messenger”-Repressions-Nachricht, die in den letzten Wochen über die Klimabewegung in Europa auftauchte:
“Eine 32-jährige Klima-Aktivistin (Opens in a new window) der Gruppe 'Letzte Generation' ist wegen mehrerer Aktionen in Berlin zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten (ohne Bewährung) verurteilt worden.” 16 Monate ohne Bewährung wegen friedlicher Straßenblockaden ist, soweit ich weiß, in der Geschichte sozialer Bewegungen hierzulande einzigartig: “normal” is das nich.
“Fünf Unterstützer*innen der Klimakampagne (Opens in a new window) 'Just Stop Oil', die sich verschworen hatten, die Londoner Stadtautobahn M25 zu blockieren, wurden von einem Richter zu vier- bis fünfjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Urteile gelten als die längsten, die jemals im Vereinigten Königreich wegen gewaltloser Proteste verhängt wurden.” Zum Vergleich: die maximale Haftstrafe für einen der faschistischen Rioters, die in den vergangenen Tagen rassistische Pogrome in England durchgeführt haben, liegt bei drei Jahren.
Und natürlich, für mich unvergesslich weil irgendwie auch ein Bisschen ein Ritterschlag, die Einordnung von Ende Gelände als “linksextremistischen Verdachtsfall (Opens in a new window)” Mitte Juni.
Die Selbstauflösung der Letzten Generation (A)
Ich habe diese Dynamik schon mehrfach erklärt, aber da mich heute ein Artikel im guardian noch einmal daran erinnerte, dass Kognition, Wahrnehmung, auch und ganz zentral über Wiederholung funktioniert – im Kern: auch und gerade Lügen werden leichter geglaubt, je häufiger man sie hört (Opens in a new window) (in diesem Fall hoffe ich mal, dass das auch auf Wahrheiten zutrifft ;)) - dachte ich mir, das kann auch nicht oft genug wiederholt werden: Repression gegen die Klimabewegung ist das, was eine Gesellschaft tun muss, die nicht an ihre gebrochenen Klimaschutzversprechen erinnert werden will.
Um das besser zu erklären, lohnt es sich, das Statement der Letzten Generation Österreich genauer anzuschauen, mit dem diese vor zwei Tagen (als 2. Klimanetzwerk im deutschsprachigen Raum nach den Antiairline-Pinguinen von Am Boden Bleiben) ihr Selbstauflösung bekannt gaben. Sie schreiben:
“Wir sehen keine Perspektive für Erfolg mehr. Die Regierung glänzte in den letzten zwei Jahren mit kompletter Inkompetenz. Menschen aus der Bevölkerung haben sich für die fossile Verdrängung entschieden. Wir sehen ein, dass Österreich weiter in fossiler Ignoranz bleiben will und damit in Kauf nimmt, für den Tod von Milliarden von Menschen mitverantwortlich zu sein. Die Gesellschaft hat versagt. Uns macht das unendlich traurig.
Wir machen Platz, damit neues entstehen kann... Mit dem heutigen Tag beenden wir unsere Proteste und die 'Letzte Generation Österreich'.”
Einschub: Chapeau!
Bevor es weiter geht im Thema Verdrängung und Repression, hier in kurzer Shoutout an die Genoss*innen der LG Austria: danke für dieses starke Statement, für Eure Ausdauer und Eure Opferbereitschaft, und natürlich danke für den Mut, Euch aufzulösen, anstatt wie so viele Organisationen, die nach dem Ende ihrer Relevanz einfach noch wie Zombies weiter durch die politische und Bewegungslandschaft stolpern, und die Navigation der neuen Phase der Kämpfe, des neuen Kampfzyklus so schwer machen: “wir machen Platz, damit neues entstehen kann, schreibt Ihr, und genau so muss das laufen: das Alte macht dem Neuen Platz, und je schneller das Alte den Platz freiräumt, kann das Neue entstehen, wie es zu Beginn neuer Bewegungszyklen eben immer wieder passiert. (Opens in a new window) Wir stehen gerade am Anfang einer neuen langen Phase gesellschaftlicher Auseinandersetzungen, um Gerechtigkeit in der Katastrophe. Ich hoffe, ich weiß tatsächlich, dass Ihr da auch wieder dabei sein werdet, und freue mich drauf, Euch im nächsten Zyklus wieder zu treffen.
So, jetzt zurück zur Analyse...
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Wer verdrängt hier eigentlich was?
Ich habe schon recht häufig vom Scheitern der Klimabewegung gesprochen, dito vom Scheitern der Gesellschaft. In meiner bisherigen Erzählung sind beide am Klimaschutz gescheitert, aber das stimmt so nicht wirklich – tatsächlich fängt die LG (A) das besser ein, wenn sie schreiben, die Gesellschaft habe versagt. Denn trotz all der “direct action gets the goods” und “Klimaschutz ist Handarbeit”-Rhetorik, die auch ich gerne immer wieder mitverbreitet habe, war die Annahme, dass ein paar Tausend Linksradikale, später ein paar Hunderttausende Bürgerliche, später dann nur noch ein paar Hundert Klimaradikale, eine hochgetunte exportkapitalistische Externalisierungs- und Verdrängungsgesellschaft einfach, as it were, von außen zu transformieren, im Sinne von: “wir transformieren die/Euch/das”.
Unsere, der Klimabewegung Aufgabe war im Kern immer nur, als eine Art Reminder, im besten Fall als Wecker, im schlimmsten Fall als Feueralarm zu fungieren, und die Gesellschaft und ihre Regierenden daran zu erinnern, dass Klimaschutz ethisch oder rational gegeben sei, dass wir ihn versprochen haben (Paris), dass es Gesetze gibt, in denen er kodifiziert wird, dass es Gründe gibt, warum wir das Klima schützen sollten. Think of us as climate-reminder-push-notifications. Und ja, wir sind daran gescheitert, das Korrektiv zur gesellschaftlichen Verdrängung zu sein, das wir sein wollten, hätten sein müssen. Wir sind als Bewegung nicht am Klimaschutz gescheitert, sondern an der Verdrängungsgesellschaft.
Die ist es dann auch natürlich, die tatsächlich “am Klimaschutz gescheitert” ist. Und von da lässt sich alles ganz einfach verstehen: niemand will gerne scheitern, oder an Scheitern erinnert werden. Deswegen korrelliert mehr Klimakatastophe auch mit weniger Klimawissen oder -aufmerksamkeit, deswegen schlägt jeder abusive boyfriend seine*n Partner*in, wenn man ihn an sein Scheißverhalten erinnert. Deswegen sperrt die Verdrängungsgesellschaft jetzt Klimaaktivisti richtig lange in den Knast, nicht, um uns abzuschrecken, sondern, um uns aus ihrer Perspektive unsichtbar zu machen: ähnlich wie die rechtsradikalen Freien Bauern, bei deren Demos Anfang des Jahres der Eindruck vermittelt wurde, wenn die Ampel abgewählt wäre, gäb's auch keinen Stress mehr mit dem Klima, versucht die deutsche, versucht die britische, versuchen die Mehrheitsgesellschaften des globalen Nordens Ruhe zu schaffen, und nicht an ihr welthistorisches Versagen erinnert werden.
Deswegen wird jede Form von Klimaschutzaktivismus in Zukunft entweder komplett ignoriert werden (Klimastreiks, Petitionen, Klimaklagen), oder richtig hart auf die Fresse kriegen: weil, die Verdrängungsgesellschaft will halt verdrängen, hat genug von uns.
Die Message, die uns geschickt wird, ist: halt's Maul, du vorlaute *****.
Und da können wir nicht gewinnen. Die LG (A) zeigt den Weg: nach vorne, ins Unbekannte. In den neuen Zyklus von Gerechtigkeitskämpfen in der Katastrophe. Weil, wie ich nächste Woche zeigen werde: in der Polykrise nimmt Verdrängung immer weiter zu, weil immer mehr politische Probleme unlösbar werden. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Wir dürfen nicht schon wieder an der Verdrängung scheitern.
Mehr dazu, wie gesagt, nächste Woche. Jetzt mal ich hier mal Schluss, und spreche den Genoss*innen der LG all meine Solidarität aus. Kritik hin oder her: gegen Repression stehen wir zusammen als Bewegung.
Mit LG-solidarischen Grüßen,
Euer Tadzio