Guten Morgen! Hier kommt dein Überblick über die Bundespolitik-Recherchen der Woche. Inklusive Tipps zum Lesen, Sehen und Hören. Ich habe in mehreren Nachrichtenredaktionen gearbeitet und schaue jetzt immer die Medien durch, damit du das nicht musst. Starte gut in die Woche!
Die Recherchen
Verhaftete Lina E.: Zweifel an Linksextremismus-Vorwurf
Im Fall einer seit Monaten in Untersuchungshaft in Sachsen sitzenden Studentin gibt es “viele Merkwürdigkeiten”: Darauf weist DIE ZEIT hin (Opens in a new window) (€). So gebe es etwa im Haftbefehl andere Angaben zu den Verletzungen mutmaßlicher Opfer der 26-Jährigen als im ursprünglichen Polizeibericht. Den sächsischen Behörden wird in den vergangenen Jahren wird immer wieder vorgeworfen, übermäßig hart gegen “linke Aktivist:innen” vorzugehen.
Das Landeskriminalamt (LKA) wirft E. die Bildung einer kriminellen Vereinigung mit zehn anderen Personen vor - und Taten im “Grenzbereich zum Terrorismus”. Der Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen, weil es um “staatsgefährdende” Verbrechen gehen soll. Im Bericht heißt es, die Recherchen “zeigen das Bild einer jungen Frau, die offenbar ein anderes Leben führte, als es die Ermittler im Haftbefehl suggerieren.”
https://twitter.com/ChristianFuchs_/status/1375014220752904195 (Opens in a new window) https://twitter.com/ChristianFuchs_/status/1375015526854955008 (Opens in a new window)CDU/CSU: Lobbyist in U-Haft & umstrittene “Nebenjobs”
Der Unternehmer Thomas Limberger ist im Zusammenhang mit den von Politiker:innen vermittelten “Maskengeschäften” in Untersuchungshaft. Er gilt laut der Augsburger Allgemeinen (Opens in a new window) als “Schlüsselfigur in der Affäre”. Der Rechercheverbund aus WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung (SZ) meldet zudem, dass die Politiker Georg Nüßlein und Alfred Sauter (Ex-Justizminister in Bayern, zu seinem “Geschäftsmodell” siehe DIE ZEIT (Opens in a new window)) sowie mehrere Geschäftsleute in diesem Rahmen mehr Vermittlungsgebühren bekommen sollten als bisher bekannt (Opens in a new window).
Die SZ schreibt auch (Opens in a new window), Peter Gauweiler (CSU) habe während seiner Zeit im Bundestag (bis 2015) Beraterhonorare in Höhe von mehr als elf Millionen Euro bei einem Milliardär abgerechnet. Dieser bezahlte demnach auch wissenschaftliche Gutachten, mithilfe derer Gauweiler “beim Bundesverfassungsgericht gegen die Rettungsschirme für Griechenland und für den Euro vorging”. VICE wiederum zeigt, “wie aserbaidschanische Lobbyisten über Jahre Einfluss auf die Bundestagsfraktion der Union nahmen” und welche Rolle ein Berliner Lokalsender dabei spielt (Opens in a new window).
https://twitter.com/rprtrn/status/1375094666534735874 (Opens in a new window) https://twitter.com/xileffff/status/1375046594429661187 (Opens in a new window)Klimaschutz und Lobbyismus: Kritik an Bund und CDU
Die dem Wirtschaftsministerium unterstellte Deutsche Energie-Agentur (dena) beteiligt Unternehmen gegen Geld an der Erstellung einer Klimastudie. Die taz schreibt (Opens in a new window) über die Reaktion des Verbands Lobbycontrol, der darin “käufliche Forschung” sieht. Die finanzielle Beteiligung der teilnehmenden 79 Unternehmen sei erst auf Nachfrage hin offengelegt worden. Die dena wies die Kritik in einer Stellungnahme zurück (Opens in a new window). Zuletzt hatte Lobbycontrol eine Studie über den sogenannten Wirtschaftsrat der CDU veröffentlicht (Opens in a new window), Untertitel: “Mächtiges Lobbyforum und einflussreicher Klimaschutz-Bremser”.
Apropos: DIE ZEIT beschäftigt sich in einem Text mit dem Abgeordneten Joachim Pfeiffer (Opens in a new window), der energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU im Bundestag ist. Den Angaben zufolge verlangt er als Berater bis zu 3000 Euro pro Tag von Firmen. Zudem hat er sein Wahlkreisbüro an einen Unternehmer untervemietet, der gleichzeitig Honorarkonsul von Montenegro ist. Zusammen waren sie 2020 beim Premierminister des Landes. Dabei soll es um teure Projekte im Energiesektor gegangen sein. Über umstrittene Reisen von Unionspolitiker:innen schreibt auch der Tagesspiegel (Opens in a new window) (€).
https://twitter.com/lobbycontrol/status/1375366090214281216 (Opens in a new window) https://twitter.com/a_watch/status/1375386206163378176 (Opens in a new window)Missbrauch und Betrug: Kritik am Gesundheitssystem
“Wenn Ärzte und Psychotherapeuten ihre Patientinnen sexuell missbrauchen, bleiben die Taten häufig im Verborgenen”: Das hat eine Recherche von Buzzfeed News ergeben (Opens in a new window). Täter:innen würden selten verurteilt und dürften teilweise sogar weiter ihrem Beruf nachgehen, heißt es. Für sie gebe es im System viele Lücken und Schlupflöcher. Zudem gebe es in Deutschland keine länderübergreifende staatliche Anlaufstelle für Patient:innen, die von entsprechenden Übergriffen berichten wollen.
Eine Umfrage der WELT AM SONNTAG (Opens in a new window) bei den Landespolizeibehörden und Ärztekammern wiederum hat ergeben, dass seit 2014 mindestens 62 falsche Ärzt:innen in Krankenhäusern und Praxen aufgeflogen sind. “Allerdings konnte nur die Hälfte der Länder Daten bereitstellen”, merkt die Zeitung an. Hintergrund ist ein Prozess gegen eine Frau in Hessen, die drei Jahre lang als Anästhesistin arbeitete. Sie soll eine entsprechende Urkunde am Computer gefälscht haben. Ihr wird fünffacher Mord vorgeworfen.
https://twitter.com/MargheBettoni/status/1375395476451819525 (Opens in a new window) https://twitter.com/investigativ_de/status/1373519176409755650 (Opens in a new window)Wirecard: Kronzeuge soll Millionen veruntreut haben
Der wichtigste Zeuge der Staatsanwaltschaft im Fall Wirecard hat laut manager magazin (Opens in a new window) Geld aus dem Konzern für sich selbst abgezweigt. Das verheimlichte er den Erkenntnissen zufolge lange vor den zuständigen Ermittler:innen. Die Manipulationen der Bilanz bei Wirecard “dienten möglicherweise eher dazu, veruntreute Gelder zu verschleiern”, heißt es in dem Bericht über ein entsprechendes “Schattensystem”.
Es sei aber unklar, wie viel Geld insgesamt aus den Firmengeschäften abgezogen wurde und wer genau am Ende davon profitierte, so die Autorin. Das Magazin Capital hat sich darüber hinaus mit der schon länger in der Kritik stehenden Aufsichtsbehörde Bafin beschäftigt (Opens in a new window): Sie sei auch dann nicht ausreichend gegen Wirecard vorgegangen, als das Finanzministerium um die Aufklärung entsprechender Vorwürfe bat.
https://twitter.com/t_stoneman/status/1375121067031859201 (Opens in a new window) https://twitter.com/traufetter/status/1375425667773427714 (Opens in a new window)Weitere Recherchen
WDR: Alexa, wer ist der Mörder? (Opens in a new window) -> Smartort statt Tatort: “Smart-Devices wie sprachgesteuerte Lautsprecher oder Fitnessarmbänder werden bei der Aufklärung von Straftaten wichtiger.”
Buzzfeed News: 6 Monate FinCen-Files – Was hat‘s gebracht? (Opens in a new window) -> “Bundesregierung und Finanzaufsicht haben keinen Überblick darüber, ob deutsche Banken bei Verdacht auf Geldwäsche, Korruption oder Steuerhinterziehung rechtzeitig die Behörden informieren.”
NDR/WDR: KSK trickste bei Vergaben (Opens in a new window) -> Den Recherchen zur Bundeswehr-Spezialeinheit zufolge “wurden immer wieder besonders nahe stehende Bekannte oder Ex-Kameraden des KSK mit lukrativen Aufträgen bedacht”.
CILIP: Humanoide Gesichtserkennung (Opens in a new window) -> Die Polizei setzt immer häufiger sogenannte Super-Recogniser ein: “Personen, die sich besonders gut Gesichter merken und diese in Menschenmengen wiedererkennen können.”
NDR/WDR: Warnung vor Kostenexplosion (Opens in a new window) -> Mit Blick auf das europäische Militärprojekt “Eurodrohne” warnt das Finanzministerium “die Abgeordneten des Haushaltsausschusses des Bundestages eindringlich davor, dass die Kosten (…) außer Kontrolle geraten könnten” – zu Lasten der Steuerzahler:innen.
Netzpolitik.org: Bundesnachrichtendienst erhält so viele Überwachungsbefugnisse wie noch nie (Opens in a new window) -> Durch das neue BND-Gesetz darf der Geheimdienst “Internet-Anbieter hacken und fast unbegrenzt abhören”.
Die Medientipps
Zunächst eine Korrektur: Vor zwei Wochen schrieb ich bei der Vorstellung des Buches “Influencer” von Wolfgang M. Schmitt und Ole Nymoen, von ihnen stamme auch der Podcast “Die Neuen Zwanziger”. Das ist falsch. Schmitt betreibt ihn mit Stefan Schulz. Mit Nymoen hat er einen anderen Podcast: “Wohlstand für Alle” (Opens in a new window).
Aus aktuellem Anlass noch ein Hinweis auf das kürzlich in zweiter Auflage erschienene Buch “Der korrumpierte Mensch” (Opens in a new window). Es geht dabei aber nicht nur um den Einfluss “der” Wirtschaft auf “die” Politik. Sondern auch um ihren Einfluss auf unser aller “Denken, Handeln und unsere Moral” (beziehungsweise unsere Wertvorstellungen), wie es heißt.
Das Buch hat 448 Seiten und kostet 25 Euro.
Dazu passt die Dokumentation “Die Versuchung” (Opens in a new window) des Bayerischen Rundfunks (BR). Sie beschäftigt sich mit Korruption in der Kommunalpolitik. Denn die Bestechlichkeit von Amtsträger:innen, Lobbyismus und Vetternwirtschaft sind nicht nur Probleme, die in der Bundespolitik auftauchen.
Der Wirecard-Betrug, bei dem es mutmaßlich auch Verbindungen zur sogenannten Ibiza-Affäre in Österreich gibt (siehe Der Standard (Opens in a new window)), ist noch lange nicht vollständig aufgeklärt. Falls so etwas überhaupt jemals möglich sein sollte. Trotzdem gibt es bereits Werke zu dem Thema, etwa das neue Buch “Wirecard - Das Psychogramm eines Jahrhundertskandals” (Opens in a new window). Geschrieben haben es zwei Journalist:innen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Bereits im November erschien das Buch “Die Wirecard-Story” (Opens in a new window) von zwei Journalist:innen der Wirtschaftswoche.
Das Buch hat 400 Seiten und kostet 20 Euro.
Die Auskunft
Dank des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) kann jede:r in Deutschland Anfragen an öffentliche Stellen stellen, auch Nicht-Journalist:innen (Opens in a new window). Jede Woche stelle ich eine Recherche vor, für die das IFG genutzt wird.
Nach einer Klage des Transparenzportals FragDenStaat (Opens in a new window) hat das Kanzleramt eine Liste von Geschenken herausgegeben, die Mitarbeiter:innen zwischen 2013 und 2017 erhalten haben. Die Liste ist 21 Seiten lang und enthält mehr als 700 Gegenstände inklusive Angaben zum jeweiligen Wert. Zweieinhalb Jahre lang hatte das Amt sich geweigert, die Informationen zu veröffentlichen.
“Anders als Bundestagsabgeordnete dürfen Beschäftigte der Bundesverwaltung (…) Geschenke nur bis zu einem Wert von 25 Euro annehmen” und müssen sie melden, so FragDenStaat. Diese Anzeigepflicht sei ein “sinnvolles Mittel der Korruptionsprävention, an dem sich die Bundestagsverwaltung für Abgeordnete ein Beispiel nehmen sollte”, heißt es weiter.
https://fragdenstaat.de/dokumente/9322-untitled/?utm_campaign=Enth%C3%BCllt%20&utm_medium=email&utm_source=Revue%20newsletter (Opens in a new window)Das noch
Jedes Jahr veröffentlicht die sogenannte Initiative Nachrichtenaufklärung e.V. (INA) zusammen mit dem Deutschlandfunk die “Top Ten der Vergessenen Nachrichten” (Opens in a new window). 2021 stehen auf der Liste unter anderem das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (“Gesetz gegen Hass im Netz”), ein NATO-Militärmanöver und “Das übersehene Armutsrisiko ab 18”.
Der Verein arbeitet mit mehreren Hochschulen zusammen und bezeichnet sich als “medienkritische Nicht-Regierungsorganisation”. Dort engagieren sich Wissenschaftler:innen, Student:innen, Journalist:innen und andere Bürger/innen. Vorschläge für Themen kann jede:r hier einreichen (Opens in a new window).
Die Unterstützung
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