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Die Sorge vor dem Arbeitsplatzverlust durch KI

Einleitung:
Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in die Arbeitswelt schreitet unaufhaltsam voran. Unternehmen erhoffen sich Effizienzgewinne und Wettbewerbsvorteile. Doch auf der Ebene der Mitarbeiter zeigt sich eine andere Realität: Die wachsende Awareness, also das Bewusstsein, dass der eigene Job durch KI ersetzt werden könnte, geht mit spürbaren psychologischen Belastungen einher. Eine neue empirische Studie von Zheng & Zhang (2025) belegt nun den Zusammenhang zwischen dieser sogenannten AI Awareness und emotionaler Erschöpfung – und identifiziert zwei zentrale Vermittlungsmechanismen: Jobunsicherheit und die Beeinträchtigung des Familienlebens durch Arbeit.

Kernaussagen der Studie:
Die Forscher analysierten Daten von 303 Angestellten aus dem chinesischen Privatsektor und stützten sich auf etablierte Modelle der Stressforschung – insbesondere das Job Demand–Resource Model (JD-R) und die Conservation of Resources Theory (COR). Dabei zeigte sich:

  • AI Awareness ist signifikant positiv mit emotionaler Erschöpfung verbunden (β = 0.648).

  • Die Jobunsicherheit wirkt als Vermittler: Wer KI als Bedrohung für die eigene Beschäftigung wahrnimmt, erlebt häufiger Angst vor Arbeitsplatzverlust – ein klassischer Risikofaktor für Burnout.

  • Die Verschiebung von Arbeitsstress in den familiären Bereich – gemessen als Work Interference with Family (WIF) – fungiert ebenfalls als Mediator: Wer sich durch KI unter Druck gesetzt fühlt, hat häufiger das Gefühl, familiären Pflichten nicht mehr gerecht zu werden.

  • Besonders relevant ist die serielle Mediation: AI Awareness → Jobunsicherheit → WIF → Emotionale Erschöpfung. Dieser Pfad erklärt 16,8 % des Gesamteffekts.

Insgesamt werden 75,5 % des Zusammenhangs zwischen AI Awareness und emotionaler Erschöpfung durch diese beiden Mechanismen vermittelt.

Theoretischer Hintergrund:
Die Ergebnisse fügen sich schlüssig in bestehende Modelle der Arbeitspsychologie ein. Das JD-R-Modell beschreibt, wie hohe Anforderungen bei gleichzeitig geringer Ressourcenausstattung zu Stress führen. COR-Theorie ergänzt: Wer bereits über wenige Ressourcen verfügt – etwa Zeit oder psychische Stabilität – gerät bei zusätzlicher Belastung leichter in einen Abwärtssog. Die Einführung von KI erscheint aus Sicht vieler Mitarbeiter genau als solch ein Bedrohungsszenario.

Praktische Relevanz für Unternehmen:
Die Studie zeigt eindrucksvoll: KI ist nicht nur ein technologischer Treiber, sondern auch ein psychosozialer Stressor. Organisationen, die diese Dimension ignorieren, riskieren emotionale Erschöpfung ihrer Belegschaft – mit allen bekannten Folgekosten von Burnout über Fehlzeiten bis zu Kündigungen.
Empfohlene Maßnahmen:

  • Transparente Kommunikation zur Rolle von KI im Unternehmen.

  • Weiterbildungs- und Umschulungsangebote, um die wahrgenommene Bedrohung in Entwicklungspotenzial zu verwandeln.

  • Maßnahmen zur Work-Life-Balance, etwa flexible Arbeitszeitmodelle oder familienfreundliche Policies.

Fazit:
Die Angst vor Jobverlust durch KI ist kein diffuses Gefühl – sie zeigt messbare Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Unternehmen sind gut beraten, AI Awareness nicht nur als Innovationsfaktor, sondern auch als Gestaltungsauftrag für eine gesunde Arbeitskultur zu begreifen. Nur wer die emotionale Seite des digitalen Wandels mitdenkt, wird langfristig von den Potenzialen der KI profitieren.

Quelle:
Zheng, J., & Zhang, T. (2025). Association Between AI Awareness and Emotional Exhaustion: The Serial Mediation of Job Insecurity and Work Interference with Family. Behavioral Sciences, 15(4), 401. https://doi.org/10.3390/bs15040401 (Opens in a new window)

Hinweis

Wenn Sie dieses Thema persönlich vertiefen möchten, können Sie gerne eine individuelle Coaching-Session (Opens in a new window) vereinbaren.

Die Inhalte dieses Artikels dienen ausschließlich der Information und stellen keine medizinische, psychologische, rechtliche oder sonstige Beratung dar. Trotz sorgfältiger Recherche kann keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität übernommen werden. Die Anwendung der dargestellten Inhalte erfolgt in eigener Verantwortung.

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