#15 Morgenseiten: Dein kreatives Potenzial erwacht
In einer Zeit, in der KI-Tools unseren Alltag dominieren, entdecken wir Kreative die Kraft des analogen Schreibens wieder: die Morgenseiten.

Wir Kreativen kennen das: Manchmal fühlt sich unser Kopf an wie ein überfüllter Dachboden: Ideen, Sorgen und To-dos stapeln sich, und wir wissen nicht, wo wir anfangen sollen. Es gibt eine Methode, die seit Jahrzehnten Kreativen hilft, Ordnung in dieses schöpferische Chaos zu bringen: die Morgenseiten.
Sie sind wie eine erfrischende Dusche am Morgen. Na ja, nicht immer. Manchmal konfrontiert uns diese Technik mit unangenehmen Gedanken. Aber hey: Die sind nun mal da. Und es ist besser, sie zu kennen als sie zu unterdrücken.
Und das Beste daran? Du musst kein:e Schriftsteller:in sein, um von ihrer Kraft zu profitieren. Du brauchst nicht einmal Übung. Du braucht nur einen starken Willen. Dazu später.
"Du siehst die Dinge und fragst 'Warum?' Aber ich träume von Dingen, die es nie gab, und frage: 'Warum nicht?'"
George Bernard Shaw
Die Magie der Emergence
In unserer CREATIV-Formel steht das „E“ für Emergence. Emergence ist jene magische Kraft, die während des Schlafes aktiv wird. Denn nachts sortiert unser Gehirn die Erlebnisse des Tages: Bekanntes verfestigt unsere Realität, Neues öffnet unerwartete Perspektiven. Die Morgenseiten fangen genau diese nächtliche Sortierarbeit ein - sie sind wie ein Fenster zu deinem kreativen Unterbewusstsein.
Während wir die Morgenseiten schreiben, „ernten“ wir diese gedanklichen Bewegungen. Denn direkt nach dem Aufwachen denkt ein Teil unseres Geistes noch in der Traumwelt, haben wir einen einfacheren Zugang zu unserem Unbewussten.
Die Erinnerung an den gestrigen Spaziergang führt zu einer Lösung für dein aktuelles Designproblem. Oder der Ärger über einen Kollegen verwandelt sich in die Inspiration für eine neue Marketing-Strategie.
Merke: Das Gehirn braucht den Schlaf, bevor es solche Gedankensprünge macht. Oder es muss auf andere Weise das sogenannte Default Mode Network aktivieren. Dieses neuronale Netzwerk wird aktiv, wenn wir uns im Ruhemodus befinden - sei es beim Tagträumen, Meditieren oder beim freien Schreiben der Morgenseiten. In diesem Zustand bilden sich neue Verbindungen zwischen scheinbar unzusammenhängenden Gedanken.
Das erklärt auch, warum viele kreative Durchbrüche nicht am Schreibtisch entstehen, sondern unter der Dusche, beim Spazierengehen oder kurz vor dem Einschlafen. Die Morgenseiten nutzen genau diesen Effekt – aber sie sind nicht die einzige Möglichkeit. Das Default Mode Network wird auch in diesen Situationen aktiviert:
Beim Joggen oder anderen monotonen sportlichen Aktivitäten
Während der Meditation oder Atemübungen
Bei kreativen Routinetätigkeiten wie Zeichnen oder Handarbeiten
In der Natur, besonders beim ziellosen Wandern
Kurz vor dem Einschlafen oder direkt nach dem Aufwachen
Bei der Gartenarbeit oder anderen entspannenden manuellen Tätigkeiten
Während längerer Zugfahrten oder Flugreisen
In der Sauna oder beim Baden
Bei repetitiven Hausarbeiten
Immer dann funktioniert dein Gehirn wie ein Orchester ohne Dirigenten. Jeder Gedanke darf mitspielen, ohne Zensur, ohne vorgegebene Struktur. Und genau dann entstehen die magischen Emergence-Momente:
Eine vollkommen neue Lösung entsteht ohne Vorwarnung aus zwei scheinbar unverbundenen Problemen.
Eine alte Erinnerung gibt dir einen spontanen Impuls für dein aktuelles Projekt.
Ein belangloser Alltagsmoment verwandelt sich in eine kreative Geschäftsidee.
Eine negative Emotion taucht auf und wird zur Quelle künstlerischer Inspiration.
Ein zufälliges Wort öffnet dir eine neue Perspektive auf deine Arbeit.
Das ist Emergence in Reinform: Aus dem scheinbar ziellosen Schreiben erwachsen Strukturen, Ideen und Einsichten, die dein kreatives Schaffen auf eine neue Ebene heben. Die Morgenseiten sind dein persönliches Labor für diese kleinen Wunder der Emergence.
Das Morgenseiten-Training
Zur Praxis: Die "Morning Pages" sind denkbar einfach. Sie wurden in den 1990er Jahren von Julia Cameron entwickelt. Eine Morgenroutine, die super einfach ist – aber einen starken Willen verlangt:
Schreibe jeden Morgen drei DIN A4-Seiten per Hand. Und zwar direkt (!) nach dem Aufwachen, also ohne Dusche und ohne Kaffee.
Lass deinen noch schlaftrunkenen Gedanken freien Lauf, ohne zu zensieren.
Danach hast du das Wichtigste für diesen Tag schon erledigt.
Drei Tipps für den Erfolg:
Stelle den Wecker 20 Minuten früher.
Lege Stift und Papier griffbereit neben das Bett.
Mache es mindestens 7 Tage am Stück - ohne Ausnahme und ohne Ausreden.
Die häufigsten Hindernisse:
"Ich bin zu müde". Genau dann, wenn du müde bist, ist dein Unterbewusstsein am aktivsten.
"Das ist Zeitverschwendung". Stimmt nicht: Diese Methode nutzen die kreativsten Menschen.
"Ich weiß nicht, was ich schreiben soll". Dann schreibe: “Ich weiß nicht, was ich schreiben soll – und schreibe einfach weiter, was dir durch den Kopf geht.
Das ist schon alles. Höre bloß nicht auf die inneren Stimmen, die dir das Vorhaben als unsinnig, unpassend und unmenschlich titulieren. Und mach das jeden verfluchten Morgen. Ohne Cheat Day und ohne Ausweichtermin. Mindestens eine Woche lang.
Soweit die bekannte Praxis. Doch die Morgenseiten sind nur dein analoger Start. Damit die Erkenntnisse nicht verloren gehen, kannst du damit auch arbeiten:
Lies am Abend deine Seiten noch einmal durch.
Markiere wichtige Erkenntnisse und Ideen.
Übertrage die für deine kreative Arbeit hilfreichen Gedanken in ein digitales Notizbuch oder dein persönliches CustomGPT. (ChatGPT hilft bei der Handschrifterkennung)
Entwickle konkrete Inspiration für deine kreative Arbeit.
Du nutzt das Beste aus beiden Welten: morgens die tiefe Verbindung zu deinem kreativen Selbst und abends die effiziente Verwertung deiner Erkenntnisse.
KI-Inspiration: Die 5-Minuten Prompt-Meditation
Die Morgenseiten öffnen dein Unterbewusstsein. Um deinen Horizont nach außen zu öffnen, schlage ich dir eine Art “KI-Meditation” vor. Das ist natürlich keine traditionelle, übliche Meditation – aber es ist eine spannende Technik, um mit der KI ein wenig herumzuspielen.
So geht’s:
⏰ Minute 1: Fasse in einem Satz dein aktuelles kreatives Problem zusammen.
🔄 Minute 2-3: Wähle einen ungewöhnlichen Blickwinkel:
NATUR: durch die Augen eines Berggipfels oder Ozeans
ZEIT: aus der Sicht der Vergangenheit oder Zukunft
WISSENSCHAFT: als Quantenphysikerin oder Biologin
CHARAKTER: Wie würde dein Held:in das angehen?
💡 Minute 4-5: Lass die KI aus dieser Perspektive sprechen und achte auf:
Unerwartete Verbindungen
Überraschende Metaphern
Neue Einsichten
Tipp: Weniger ist mehr. Eine einzige überraschende Perspektive kann kraftvoller sein als viele oberflächliche. Manchmal lohnt es sich, einem besonders verrückten Gedanken weiter zu folgen.
Hier ein Beispiel-Prompt für deine erste Meditation:
„Ich möchte eine neue Workshop-Reihe zum Thema „Kreativität + KI” entwickeln und benötige frische Ideen. Beschreibe dieses Problem aus der Perspektive eines uralten Mammutbaums, der schon tausende Workshops in seinem Schatten gesehen hat. Sprich in seiner Stimme über Wachstum, Zyklen und wie Menschen am besten lernen. Stelle verschiedene neue, vielleicht unpassende Formate vor.“
Kontext: neue Workshop-Reihe „Kreativität + KI“
Auftrag: Perspektive eines Mammutbaums einnehmen und Ideen generieren
Format: Sprich in der Stimme dieses Mammutbaums
Ziel: neue, vielleicht unpassende Formate
Ich fand die Antwort von ChatGPT sehr inspirierend. Der Mammutbaum hat mir einige verrückte Ideen geliefert. Mir hat die Idee mit dem Slow-KI-Workshop besonders gut gefallen – und wir haben uns eine Weile darüber ausgetauscht ;-)
Beachte: Der Trick liegt nicht darin, die Antworten der KI direkt zu übernehmen. Der Trick liegt darin, sie als Sprungbrett für deine eigenen Assoziationen zu nutzen. Manchmal ist es gerade das Absurde oder scheinbar Irrelevante in der KI-Antwort, das den entscheidenden kreativen Funken erzeugt.
Also: Hier kommt deine nächste 7-Tage-Challenge
🌅 Ab morgen früh:
Stift und Papier liegen bereit
Wecker 20 Minuten früher stellen
Drei Seiten schreiben
Keine Ausreden
🌙 Am Abend:
Seiten durchlesen
Erkenntnisse markieren
Digital festhalten
Optional: KI-Meditation
Und jetzt kommt dein Versprechen an dich selbst: "Ich schenke mir eine Woche lang jeden Morgen diese kreative Zeit. Ohne Wenn und Aber."
Jetzt bist du dran. Dein kreatives Potenzial wartet nur darauf, geweckt zu werden.
Ich bin gespannt auf deine Erfahrungen bis nächste Woche!
Paul Jonas
Und hier, hauptsächlich für die zahlenden Abonnent:innen, die Daten und Anleitungen für dein creativGPT
Eine (längliche) Anleitung: https://www.contentman.de/content-marketing/wie-du-dein-eigenes-customgpt-baust-nicht-nur-fuer-kreative-koepfe/ (Opens in a new window)
Ein (von dir zu individualisierender) Prompt für das Custom GPT: https://www.contentman.de/anweisungen-fuer-ein-customgpt-creativgpt/ (Opens in a new window)
Mein CREATIV Custom GPT: https://chatgpt.com/g/g-O8Dnd0os4-creativ (Opens in a new window)
Den Zugang zu den Dokumenten für dein eigenes CustomGPT bekommst du direkt nach der Anmeldung. Falls du den Link verloren hast, schicke mir eine E-Mail an paul@contentman.de (Opens in a new window)