#14 Kreativ mit KI (Teil 2)
Was hast du in der vergangenen Woche über dich und deine Kreativ-USPs herausgefunden? Ich habe immer wieder den Drang gespürt, erst mal ChatGPT zu befragen. Und ich sehe das als ein Zeichen dafür, öfter mal wieder selbst zu denken ;-)

Um diese sehr toolfreie Woche zu kompensieren, habe ich in dieser Woche einen zweiten “Kreativ-mit-KI”-Sondernewsletter. Dieses Mal soll es nur um KI-Tools gehen. Und auch in dieser Woche drei Grundsätze, mit denen du noch mehr aus ihnen herausbekommst.
Vorab: 3 KI-Mythen
Wenn sich eine Technologie schnell entwickelt, gibt es eine Menge Leute, die eine Menge Unsinn darüber erzählen und nicht abwarten, bis sie es besser wissen. Auf diese Weise haben sich einige falsche Narrative über KI in das kollektive Bewusstsein eingegraben, die schlicht falsch sind. Hier sind drei, die sich auf Tools beziehen.
KI-Tools liefern generischen, halluzinierten Mist
Wer das denkt, hat vermutlich viele schlechte Erfahrungen gemacht oder mit Leuten gesprochen, die sich nicht viel Zeit für das Prompting genommen haben.
Richtig ist: KI-Tools liefern generischen, halluzinierten Mist, wenn du sie dazu aufforderst. Jeder Prompt besteht aus mindestens zwei Teilen: Kontext und Aufforderung. Wenn eines davon fehlt oder schlecht formuliert wird, kann das Ergebnis schlecht sein.
Wenn du nicht ausreichend (oder zu viel) Kontext eingibst, wird das Ergebnis unspezifisch und generisch. Wenn du eine KI aufforderst, eine Frage zu beantworten, die sie nicht beantworten kann, wird sie halluzinieren.
Also: Überlege zuerst, ob du eine klare Aufgabe hast, die die KI bewältigen kann. Und überlege dann, welcher Kontext für sie wichtig sein wird.
There is an AI for that
Das stimmt auch nicht. Es gibt zwar inzwischen für viele Anwendungsfälle passende KI-Tools, aber einige Tools versprechen viel mehr als sie können. Und manche Aufgaben können gar nicht von KI gelöst werden.
Viele Tools überschneiden sich in ihren Funktionen, während manche hoch spezialisiert sind. Alle Toolanbieter versprechen in der Regel zu viel. Die Kunst liegt also darin, die richtigen Tools für deine spezifischen Aufgaben zu finden und zu kombinieren.
Und, hey: Für manche Aufgaben gibt es gar kein KI-Tool. Etwa, wenn du nach Quellen suchst, die nicht frei via Internet zu erreichen sind. Woher soll denn ChatGPT diese kennen? Oder wenn es auf eine Frage einfach keine Antwort gibt, weil die Quellen fehlen und die KI dich nicht kennt.
Also: Eine gute Herangehensweise ist, sich zunächst den Anwendungsfall zu notieren – damit dich die Versprechungen nicht zu weit davon wegtragen. Und dann etwas Zeit in Tasks investieren, bei denen du das Ergebnis gut beurteilen kannst. Von diesem Punkt aus kannst du dann experimenteller werden.
Prompt Engineering ist eine Wissenschaft
Na klar, Prompts folgen bestimmten Strukturen und Prinzipien (wie oben „Kontext + Aufgabe“). Aber letztlich ist Prompting mehr Handwerk als Wissenschaft.
Manchmal hilft planlose Naivität am besten. Dann bekomme ich die spannendsten Ergebnisse, wenn ich einem LLM die “Meta-Frage” stelle. Von ihm also wissen will, wie er mir helfen kann.
Wenn es wirklich kreativ sein soll, starte ich nicht mit einem korrekt formulierten, spezifischen Prompt. Ein Beispiel für einen solchen Prompt wäre: „Du bist Autor von Science-Fiction-Romanen und sollst eine Kurzgeschichte über den Einfluss von KI auf den Klimawandel schreiben. Beginne damit, den Plot zu strukturieren und beschreibe die wichtigsten Charaktere.“
Sonden bleibe im Vagen, um Ungenauen: „Schlage mir 10 besonders verrückte Plots rund um KI und Klimawandel vor.“ Wenn nur einer dabei ist, der mir gefällt, fange ich an, mit der KI damit herumzuspielen.
Das hat dann auch was von Small Talk, statt nur Prompt Engineering :-)
Also: Bevor du einen gut austarierten Prompt schreibst, trete gedanklich einen Schritt zurück und frage dich (und die KI), ob es nicht noch eine bessere Idee gibt.
Und nun: 5 Grundsätze für kreatives Arbeiten mit KI
Jetzt habe ich die Mythen schon in operative Tipps übersetzt. Und hier kommen noch fünf weitere Grundsätze, mit denen du möglichst viel Kreativität aus deiner KI herausholst:
1. Mach die KI zu deinem Co-Piloten, nicht zum Autopiloten
Die besten Ergebnisse entstehen im Dialog zwischen deiner Expertise und den Fähigkeiten der KI. Es gibt Studien, die belegen, dass Menschen mit einer KI mindestens ebenso kreativ sind, wie im 2er-Team; manchmal sogar noch kreativer.
Nutze die KI also, um deine Ideen zu erweitern, nicht um sie zu ersetzen. Stelle gezielte Fragen, fordere Feedback zu deinen Konzepten an und nutze die Vorschläge als Sprungbrett für deine eigene Kreativität. Der Wert liegt nicht in der Ausgabe der KI selbst, sondern in der Interaktion zwischen deinem kritischen Denken und den generierten Inhalten. Betrachte die KI als Sparringspartner, der dir hilft, deine eigenen Gedanken zu schärfen und neue zu entwickeln.
Und, besonders wichtig: Stelle sicher, dass du an jedem wichtigen Milestones deiner Projekte nachjustieren kannst.
Statt: „Schreibe einen Text über XY“
Besser: „Erstelle mir eine Artikelstruktur zu XY“, überprüfe diese und dann „Beginne mit dem Einstieg“ u.s.w.
2. Mach es anders als ohne KI
Mit KI können wir die Dinge nicht nur effizienter und schneller machen. Wir können die Dinge auch anders machen; oder sogar andere Dinge.
KI ermöglicht uns, neue kreative Wege zu beschreiten, statt bestehende Arbeitsprozesse zu beschleunigen. Experimentiere mit Ansätzen, die ohne KI undenkbar wären: Generiere zehn scheinbar unvereinbare Perspektiven zu einem Thema und kombiniere diese miteinander in eine spannende Storyline. Oder starte einen iterativen Prozess, bei dem du die KI zwischen verschiedenen kreativen Rollen wechseln lässt. („Was würde Elon Musk dazu sagen?“) Die wahre Innovation liegt nicht im Automatisieren des Bekannten, sondern im Entdecken neuer Methoden.
Und: Schau dir die Workflows der Toolanbieter an. Diese treffen vermutlich nicht deine bisherige Arbeitsweise. Und genau das macht sie wertvoll. Denn bist du dir wirklich sicher, dass DEINE Arbeitsweise immer die beste ist? Und auch wenn du diese Workflows wieder verwirfst, wirst du davon gelernt haben.
3. Iteriere und verfeinere
Betrachte die ersten Antworten als Rohmaterial. Die wahre Kreativität entfaltet sich im Verlauf. Der kreative Prozess erfolgt durch kontinuierliches Feedback zwischen dir und der KI. Beginne mit einem einfachen Prompt und verfeinere ihn schrittweise, basierend auf den Ergebnissen.
Dies ähnelt dem klassischen kreativen Prozess: Ideen entstehen selten perfekt, sondern werden durch Iteration verbessert – vielleicht sogar völlig verändert. Normalerweise lassen wir das nicht so gerne zu, weil jede Änderung womöglich mühsam ist. Doch genau da hilft die KI: Mit ihr kannst du in wenigen Minuten einen gedanklichen Sonderweg gehen. Und du verlierst wenig Zeit, wenn dieser eine Sackgasse ist.
Fordere die KI auf, verschiedene Versionen zu erstellen, ihre Antworten zu überarbeiten oder neue Perspektiven einzubringen. Die besten Ergebnisse entstehen oft nach mehreren Durchläufen. Das macht die Arbeit nicht immer schneller – aber auf jeden Fall werden die Ergebnisse besser.
4. Bleibe auch mal dran
Der Einstieg in jedes Tool fällt meist leicht. Denn die Toolanbieter müssen möglichst viele Kunden finden und versuchen deshalb, sie schnell zu begeistern. Aber oft endet diese glänzende Einfachheit dann, wenn das erste Glitzern erloschen ist und komplexe, graue Realität den Weg versperrt. Häufig ist das der Moment, an dem ich aufgebe.
Doch vielleicht ist Aufgeben ein Fehler. Der wahre Wert eines KI-Tools zeigt sich oft erst, wenn man die anfänglichen Hürden überwunden hat. Ich habe einige Zeit benötigt, um das Tool lex.page (Opens in a new window) zu verstehen. Doch jetzt kenne ich es und lese sehr genau jede Änderungsmitteilung, weil ich weiß, wie mich die neuen Funktionen voranbringen.
Mit anderen Worten: Bleib dran, experimentiere und lerne die Feinheiten kennen. Manchmal entdeckst du erst nach mehreren Versuchen die wirklich wertvollen Funktionen.
5. Du musst nicht alle Tools kennen
Um dir Zeit für diese Tiefe aus Grundsatz 4. zu verschaffen, darfst du gerne auf den Test eines jeden Tools verzichten.
Ich habe es versucht und herausgefunden: Es ist schlicht nicht möglich, alle Tools auszuprobieren. Deshalb: Versuche es erst gar nicht.
Konzentriere dich stattdessen auf wenige Tools, die wirklich zu deinem Workflow passen. Überlasse das Ausprobieren aller schicken Tools anderen. Wähle ein bis zwei universelle LLMs wie ChatGPT oder Claude, ergänze sie mit einem spezialisierten Tool für deinen Bereich und lerne dieses Toolset gründlich kennen. Es ist besser, drei Tools meisterhaft zu beherrschen als zwanzig oberflächlich zu kennen.
Letztlich geht es nicht um die Quantität der Tools, sondern darum, wie sie deine Kreativität und Produktivität erweitern.
Und welche Tools rocken?
Jetzt kommen wir zum Kern: Welche Tools solltest du auf jeden Fall verwenden, nach all den Mythen und Grundsätzen?
Ich kann dir darauf keine abschließende Antwort geben, da ich deine Anforderungen nicht genau kenne. Ich habe hier eine längere Übersicht für Autor:innen geschrieben: https://www.contentman.de/tools/ki-tools-fuer-autorinnen/ (Opens in a new window). Diese ist vollständig nur für Abonnent:innen zu lesen und ich werde sie fortan ergänzen.
Aber damit du nicht lange suchen musst, habe ich hier eine sehr subjektive Liste der Tools, mit denen ich sehr gerne arbeite und die dir empfehle:
1. Kreative Ideen entwickeln und Konzepte schreiben
Das sind drei LLMs. Mistral ist sogar ein europäisches. Sie sind alle drei vergleichbar und sehr mächtig. ChatGPT ist am umfassendsten, Claude hat beim Schreiben die Nase vorne. Und ich empfehle dir, von einem der drei einen Bezahlaccount zu buchen. Denn damit geht in der Regel mehr.
2. Schreibumgebung für Autor:innen
Mit gutem Gewissen kann ich dir nur lex.page (Opens in a new window) empfehlen. Ich weiß, dass TextCortext (Opens in a new window) ähnlich umfangreich und mächtig ist. Aber die anderen wie Jasper, Neuroflash & Co. kann ich nicht beurteilen – weil ich sie nicht gut genug kenne.
3. Bilder & Videos
ChatGPT (Opens in a new window) (Bilder)
Midjourney (Opens in a new window) (Bilder)
Runway (Opens in a new window) (Video)
Gemini (Opens in a new window) (Video)
Hier bin ich auf etwas wackeligem Boden. Vor allem, weil hier die Entwicklung viel schneller vorangeht. Bei den Bildern bin ich mit meinem Bezahlaccount von ChatGPT sehr zufrieden. Bei den Videos bekommst du bei Google Gemini mittlerweile höchste Qualität mit Ton – allerdings auch nur hinter der Bezahlschranke.
Eine Besonderheit ist Flora (Opens in a new window), ein Tool für Text-Bild-Video. Es übersetzt deine Texte in Bilder und diese in Videos. Flora benötigt einiges an Einarbeitung, ist dann beim Automatisieren eine echte Hilfe.
Weitere Spezialisten
NotebookLM (Opens in a new window) ist DAS Recherche- und Themensammlertool von Google.
Elevenlabs (Opens in a new window) macht aus deinen Texten Sprache und aus Dokumenten Podcasts.
Canva (Opens in a new window) macht ungefähr alles – und wer es schon kennt, wird es lieben.
Voicenote (Opens in a new window) sammelt deine gesprochenen Gedanken als Text ein.
Soviel nun hier dazu. Natürlich mehr Tools in dem Contentman-Artikel (Opens in a new window), der von jetzt an ständig wächst.
Falls du schon gute Tools verwendest, schreibe mir an paul@contentman.de (Opens in a new window). Ich freue mich und werde das hier im Newsletter weiterreichen.
Zahlen oder nicht?
Ich meine nicht, dass Software und Tools, die wir im Internet nutzen, kostenlos sein müssen. Auch bin ich kein Fan davon, mir ziemlich lange Werbung anzuschauen – um dann kostenlos Videos gucken zu können. Dafür ist mir meine Zeit zu teuer.
Und trotzdem: Wir können doch nicht alle Tools bezahlen. Oder?
Genau, das können und wollen wir nicht. So ist mein Vorgehen:
Ich habe immer mindestens ein bezahltes LLM (aktuell sind das ChatGPT und Google Gemini).
Ich möchte von lex.page (Opens in a new window) alle Funktionen nutze – deshalb zahle ich.
Für besondere Aufgaben habe ich noch andere Abonnements. Aber dazu vielleicht ein andermal.
Ich nutze allerdings häufig den kostenlosen Test-Zeitraum – aber dann auch richtig: Wenn ich etwa für ein Autor:innen-Tool sieben Tage zum Testen habe, schreibe ich mir mindestens zwei Stunden in den Kalender, in denen ich darin alles ausprobiere, was ich brauchen könnte.
In meiner KI-Welt gibt es keinen (!) Jahresvertrag. Selbst bei lex.page (Opens in a new window) nehme ich höhere Gebühren in Kauf, um flexibel von einem Monat zum nächsten kündigen zu können.
Ich möchte dir nicht sagen, dass du das auch so machen sollst. Wenn du einen Arbeitgeber hast, der deine Tools bezahlt, sieht es ohnehin noch einmal anders aus. Dann lohnt es sich vermutlich, mit dem Arbeitgeber-Tool zu arbeiten – und trotzdem ein LLM monatlich zu bezahlen. Ich finde, das lohnt sich.
Und nun?
Ganz wichtig: Don’t panic! Ich kann dir nur eines versprechen: Alle Tools werden sich in den nächsten Monaten stark verändern und mindestens die Hälfte von ihnen wird in zwei Jahren nicht mehr da sein. Wir wissen nur nicht, in welcher Hälfte welches Tool ist ;-)
Ganz praktisch heißt das: Sammle Erfahrung, lass dich auch mal auf ein Tool ein und beobachte dabei, wie sich deine Arbeitsweise ändert.
Das war es dann schon.
Ich wünsche dir eine spannende Woche.
Paul Jonas