Teilung oder Spaltung?
Am 29. November 1947, genau vor 76 Jahren, wurde der UN-Teilungsplan für Palästina von der UN-Generalversammlung als Resolution 181 angenommen. Die damals knapp zwei Jahre alte UNO bestand aus 57 Staaten; 33 stimmten für den Plan, 13 dagegen, 10 enthielten sich und Thailand blieb der Abstimmung fern. Ein Blick darauf, welche Länder damals wie stimmten, lohnt sich (ausnahmsweise empfehle ich hier einen Wikipedia-Link (Opens in a new window)). Dabei sollte man sich ruhig ein wenig Zeit lassen und überlegen, welche Staaten geografisch (in Bezug auf Palästina) lagen und wo welche Interessen zu verorten waren: geostrategisch, wirtschaftlich, ideologisch, religiös.
Die Resolution 181 sollte — laut Wikipedia — "den Konflikt zwischen arabischen und jüdischen Bewohnern des britischen Mandatsgebiets Palästina lösen". Das britische Mandat sollte innerhalb eines halben Jahres beendet werden, Jerusalem samt Bethlehem sollte als 'Corpus separatum' unter internationale Kontrolle gestellt werden. Die beiden neuen Staaten sollten wirtschaftlich verbunden sein und jeweils eine demokratische Verfassungen erhalten.
"Den Konflikt zwischen arabischen und jüdischen Bewohnern des britischen Mandatsgebiets Palästina lösen" hat eindeutig nicht geklappt. Die Ethnische Säuberung Palästinas, so auch der Titel von Ilan Pappes* Standardwerk, nahm mit dem 29. Novemer 1947 Schwung auf. Weder die Naqba von '48 noch die Besatzung von 1967, weder Kriege noch Aufstände noch die Blockade von Gaza seit 16 Jahren haben dem Einhalt geboten, im Gegenteil. Tausende und Abertausende Menschen haben seither in kriegerischen Auseinandersetzungen ihr Leben verloren, auf palästinensischer Seite sind mehr als zehnmal soviel Tote zu beklagen wie bei den Israelis — und selbstverständlich ist jeder Getötete einer zu viel. Seit dem 7. Oktober sind viele neue Fragen aufgetaucht, Antworten scheint es weitaus weniger zu geben. Mittlerweile gilt es aber eines deutlich festzuhalten: Niemals gab es so viel Spaltung innerhalb der jeweils israelischen und palästinensischen Gesellschaften. War das vergangene Jahr innerhalb Israels sinnbildlich für eine große inner-israelische Spaltung zwischen linksliberalen freiheits- und demokratieliebenden Demonstranten einerseits (von denen sich allerdings Wenige um die Rechte von Palästinensern scherten oder gar das Ende der Besatzung forderten) und nationalistisch-religiösen, teils sich selbst als Faschisten bezeichnenden Anhängern der rechtsradikalen Regierung andererseits, so spaltet heute die Frage nach Gewalt oder Pazifismus die Gesellschaft — weit über Israel hinaus.
*Prof. Ilan Pappe hielt am 27.11.23 einen einstündigen Vortrag in München. Zuvor hatte die Stadt München versucht, die Veranstaltung zu verbieten. Aufgrund einer gerichtlichen Verfügung ist ihr dies nicht gelungen, was sie “aufgrund der Rechtslage bedauert”, siehe unten; sie bestand aber darauf, dass diese Plakate im Saal aufgehängt wurden:
Dies ist offensichtlich reine Hetze gegen einen integren jüdisch-israelischen Gelehrten, eine akademische Persönlichkeit von höchstem internationalem Rang, deren einziger “Fehler” es ist, Israels Politik und damit Deutschlands “unverbrüchliche Solidarität” nicht gutzuheißen. Stattdessen spricht Ilan Pappe in höchst verständlicher und verdaulicher Form als Humanist, als Sohn von Holocaustüberlebenden, als Wissenschaftler und argumentiert mit historischen Fakten und Analysen. Über 200 vorwiegend junge Menschen lauschten begeistert — keine Fahne wurde geschwenkt, keine Parolen gegrölt, kein Hass geschürt. Vor der Türe hatte sich aber Polizei mit mehreren Einsatzwagen positioniert, ebenso wie ein paar Aktivisten von “München ist bunt”, die leider nicht zu überzeugen waren, sich Pappe im O-Ton anzuhören, anstatt wilde Behauptungen aufzustellen, von wegen er “rechtfertige die Taten der Hamas”.
Hier kannst Du Dich in der einstündigen Videoaufzeichnung selbst von den Aussagen Pappes überzeugen.
Ich möchte Dir hier zwei Briefe weiterleiten von Männern, die den bewaffneten Kampf kennen. Ihre Erfahrungen als Kämpfer, Terroristen und Soldaten haben sie gelehrt, dass es andere Wege geben muss. Die einen sind Israelis von Breaking the Silence — Soldatinnen und Soldaten, die nach ihrem Wehr- und Reservedienst ihr Schweigen brechen über ihre Aktivitäten als Besatzungssoldaten. Viele von ihnen sind keine Pazifisten, weil sie grundsätzlich die Armee zur Landesverteidigung als sinnvoll erachten. Die anderen kommen von Combatants for Peace — einer israelisch-palästinensischen Initiative, die Kämpfer beider Seiten vereint, weil sie sich entschieden haben, ihre Waffen abzulegen.
Mich überzeugen ihre Argumente. Nicht erst seit dem 7. Oktober, aber jetzt noch viel mehr. Denn was durch Krieg und Gewalt in den Kindern in- und außerhalb Gazas an Trauma und Hass gesät wurde, wird sich ohne eine gerechte Lösung für alle spätestens in ein paar Jahren in ein Vielfaches an Gewalt und Hass wiederspiegeln. Es ist unser aller Verantwortung, diese Katastrophe nicht zuzulassen.
Chen und Ahmed und viele andere Combatants for Peace kannst Du auf deren Website (Opens in a new window) finden:
Nadav Weiman, Direktor von Breaking the Silence über die Lehren der vergangenen Gaza-Invasionen (Opens in a new window):
(Opens in a new window)Am Schluss fasst Nadav Weiman seine Erkenntnisse so zusammen:
We should question our assumptions: the lesson we should draw from past conflicts is that force alone cannot afford us Israelis the security we deserve. A political resolution that addresses the roots of the conflict is the only way to defend Israel’s borders and citizens. We must reach binding agreements that secure the rights, security, and freedom of Israelis and Palestinians alike and the self-determination of both people.
aus: https://groundup.org.za/article/learning-from-israels-past-invasions-to-gaz (Opens in a new window)
Auch wenn gerade die Waffen schweigen: Es ist noch lange nicht zu Ende. Lasst uns weiter schreiben, reden, singen, protestieren und auf die Straßen gehen für einen dauerhaften Frieden, der dem Waffenstillstand nur durch Verhandlungen — und mögen sie noch so schmerzlich sein — folgen kann und muss. Freiheit und Gerechtigkeit für Palästinenser bedeutet langfristig auch Freiheit und Sicherheit für Israelis!
Herzlichst,