"Weil wir nicht so schleimig und langweilig sind " - eine Hymne auf die Pet Shop Boys
"Wir haben etwas an uns, das den Ansprüchen des gängigen Massenmusikmarktes immer widerstanden hat. Ich denke, das ist der Fall, weil wir nicht so schleimig und langweilig sind."
So Neil Tennant von den Pet Shop Boys. Er äußert es in einem Fundstück, das mir in den Bildschirm purzelte wie aus dem Nichts. Eines, das mir bei der Suche nach Themen für diese Seite begegnete: eine “BRAVO TV-Pop-History” aus dem Jahr 1994. Die habe ich damals gebastelt auf Redakteursseite.
https://www.youtube.com/watch?v=27YS4pL0--A (Opens in a new window)Schon damals bildeten die künstlerischen Ansätze der Pet Shop Boys für mich ein Paradigma, in dem ich arbeiten wollte. Eines, das bis heute prägt, was ich hier heute noch zwischen den Texten auf dieser Seite, Postings bei Instagram und in Youtube-Videos wie auch meinen Musiken zu adaptieren versuche. Wenn auch weit vom Erfolg der Pet Shop Boys entfernt und mit mehr Philosophie.
BRAVO TV UND MAGISTERSTUDIUM ALS KOMBINIERTE LEBENSFORM
1994 besetzte ich offiziell zweieinhalb Tage die Woche, meistens wurden es dreieinhalb, eine halbe Redakteursstelle bei BRAVO TV. Die Firma Me, Myself & Eye produzierte die Sendung. Zu jener Zeit expandierte sie gerade in einem gruseligen Bürogebäude in Barmbek, kurz vor Bramfeld. Das Erotikmagazin "Peep" befand sich in der Entwicklung und ging 1995 auf den Sender Das Medienmagazin "Canale Grande" mit Dieter Mohr befand sich kurz vor der Einstellung. Für Sat1 produzierte die Firma "Super!", eine Art Morning-Show. Die MME stand zudem kurz davor, das deutsche Programm für VH-1 zu gestalten.
Ich verbrachte die halbe Woche in der Uni, vermutlich lauschte ich 1994 Soziologie-Vorlesungen von Max Miller zu sozialer Differenzierung, besuchte ein Seminar, geleitet von Hans-Jürgen Goertz zu "Sozialdisziplinierung in der frühen Neuzeit" und Veranstaltungen bei Martin Seel zum Verhältnis von Glück und Moral. Genau weiß ich es nicht mehr.
Die andere Hälfte der Woche fand ich mich in einem kleinen Sichtraum inmitten von Kisten voller Beta SP-Bändern wieder, teils Sammelmaster mit Musikvideos, teils sogenannte "E.P.K.'s", Electronic Press Kits von den Plattenfirmen mit Interviews und anderen Bildern der Musiker*innen, neu geführten Originalinterviews und allerlei Material aus dem MME-Archiv wieder. Ich suchte ein paar Stunden lang herum, was ich davon verwenden wollte. Die "Story" ergab sich zumeist von selbst beim Sichten. Manche der Interviews führte ich selbst, so hatte ich Jon Bon Jovi, The Cure und die Spice Girls vor der Kamera, auch Caught in the Act oder Touché - nicht ganz so große Acts, aber hübsche und sympathische "Boys". Angenehmer als Jon Bon Jovi waren sie allemal.
Das Pet Shop Boys-Interviews führte sehr gut der Londoner Mitarbeiter der MME, Simon Witter. Ich erinnere mich, dass es ungewöhnlich war, für einen 8-Minuten-Beitrag nur einen Tag Schnittzeit zur Verfügung zu haben; normalerweise schaffte man 3-4 Minuten Sendezeit am Tag. Wir arbeiteten bereits im digitalen Schnitt, es war dennoch alles komplizierter als heute zu Hause am Computer. Wir mussten es aufgrund des Endschnitts schaffen, den Beitrag fertig zu stellen. Es gelang, weil wir sehr konzentriert arbeiteten.
MEIN LEBEN MIT DEN PET SHOP BOYS
Die Pet Shop Boys begleiteten meine Anfänge beim Fernsehen wie auch andere Umbrüche im Leben. Die mit Noppen versehene knallorangene CD "Very" war frisch erschienen und ich hörte sie unaufhörlich. Zuvor hatte ich fürchterlichen Liebeskummer aufgrund einer gescheiterten Beziehung und lauschte unaufhörlich dem von den Pet Shop Boys produzierten Liza Minelli-Album "Results" - insbesondere Stephen Sondheims Musical-Hymne "Losing my mind".
Als ich nach Hamburg zog, um Zivildienst zu leisten, erschien gerade deren Album "Actually". Das darauf enthaltene "What have I done to deserve this" mit Dusty Springfield als Sängerin mutierte zu meiner Zivildiensthymne, obwohl es gar nicht schlimm war, für Behinderte zu arbeiten. Ganz im Gegenteil, ich mochte die Menschen und es war eine sehr schöne und lehrreiche Zeit - ich hoffe, für die mir Anvertrauten auch.
Die letzten Monate begleitete ich einen geistig behinderten 17jährigen zur Schule und wieder nach Hause, um ihn und mich dort noch zu beschäftigen - zur Entlastung der Eltern und auch der Lehrer. Der Junge durchlebte in manchen Lebensphasen unzählige epileptische Anfälle und benötigte eine Begleitung, die ihn dann auffing. In harten Phasen, in meinen Monaten dort gab es kaum welche, trug er einen Helm aus Leder. Ich hielt ihn an der Hand, weil man durch deren Vibrationen feststellen konnte, wann ein Anfall sich ankündigte. Er war voll ausgewachsen, hatte lediglich einen für Normalo-Verhältnisse etwas ungewöhnlichem Gang. Wenn wir so durch Harburg liefen, sang ich immer "What have I done to deserve this" vor mich hin. Weil der Zivildienst staatlich erzwungen war. Der Junge jedoch präsentierte sich durchgängig als cooler, eigenwilliger und unglaublich spaßorientierter Mensch.
Die Pet Shop Boys hörte man in den später 80er, frühen 90er Jahren überall. In meiner Stammkneipe, dem "Toom Peerstall", St. Pauli Nord, fand sich "It's a sin" in der Musicbox - nicht nur in einer schwulen Kneipe ein Song mit Tiefe. In der "Wunderbar", einer Gay Bar in der Talstraße, lief oft diese bis heute irrwitzig komische und zudem immens tanzbare Verulkung des schleimigen "Where the streets have no name" von U2, das die Pet Shop Boys mit "I can't take my eyes of you" kombinierten. Es überraschte mich im Nachhinein, wie deutlich ich meine Sicht auf diesen Song in dem Off-Text des BTV-Beitrages formulieren konnte. Immerhin nahm die BRAVO-Redaktion jeden Text ab.
Zivi-Kollegen aus der Schule am Nymphenweg in Harburg, die später zu meinem schwulen Freundeskreis gehörten, legten an ihren Geburtstagen das auch von den Pet Shop Boys produzierte Album "Reputation" Dusty Springfields auf. Ich weiß nicht, ob die Jungschwulen heute alle Taylor Swift hören; diese Verehrung alternder Diven gehörte damals einfach zur Subkultur dazu. Die meisten meiner Freunde pflegten die Verehrung für ihre Lieblingsdiseuse. Auf Georgette Dee konnten wir uns alle einigen, bei einigen war es Marlene Dietrich, in meinem Fall Hildegard Knef. Neil Tennant und Chris Lowe idolisierten die ihren.
Wir haben, obgleich Neil Tennant erst 1994 sein Coming Out hatte, spätestens seit "It's a sin" die Pet Shop Boys als schwul gehört, wie selbstverständlich. Es erschien bis in die Musiken hinein offenkundig - die ganzen Einflüsse von New York Disco, der Humor, die artifiziellen Performances mit Cabaret-Anleihen. Schaue ich mir heute die Musikvideos zu "Domino Dancing" und "Being Boring" an, einem Song, in dem es ganz offenkundig um AIDS geht, was Heteros oft komplett entging, bei Zeilen wie
"All the people I was kissing
Some are here and some are missing
In the nineteen-nineties"
muss ich heute noch manchmal heulen, 1994 starb auch eine sehr gute Freundin von mir an den Folgen von AIDS - wenn ich mir heute die Videos angucke, dann wundere ich mich, wieso wir beide, “Domino Dancing” und “Being Boring”, als stockschwul guckten. Obwohl in ihnen allenfalls Andeutungen zu sehen waren. Die schon wirkten revolutionär und führten in den USA zur teilweisen Ächtung der Pet Shop Boys.
https://www.youtube.com/watch?v=ik2YF05iX2w (Opens in a new window)https://www.youtube.com/watch?v=NVC-jusXGno (Opens in a new window)Als wir den Jahreswechsel 1992/93 in Paris verbrachten und am Ufer der Seine von einem uns bis dato unbekannten schwulen Freundesklüngel eingesammelt wurden, die uns daraufhin durch die Kneipen und Clubs der Stadt führten, steckten sie in ihrer Wohnung im Marais natürlich die Videos der Pet Shop Boys in den Rekorder. Als musikalische Untermalung. Und wegen der Männer in ihnen.
KONZEPTIONELL ARTIFIZIELL
Wie tief die konzeptionellen Ansätze von Tennant und Lowe mich prägten, das kann ich kaum formulieren - wobei sie auch aufgriffen, was sowieso in den späten 80ern in der Luft lag. Ich halte das meiste davon bis heute auch für völlig richtig.
An erster Stelle steht das Anti-Authentische. In mein Leben drang das zunächst in Diskussionen über den "perfekten Pop Song" ein, in den späten 80ern durchaus ein übliches Thema. Ich wohnte mit einer Sängerin und dem Gitarristen einer Band zusammen. In der Wohnung am Neuen Pferdemarkt saßen wir in einer 20qm-Küche mit zugemauerten Fenstern, der Vermieter hatte das Lager auf dem Hinterhof erweitert. Dort diskutierten wir den perfekten Pop-Song. Er müsse künstlich, abstrakt, hybrid, als Kombination aus historischen Versatzstücken entstehen.
Michel Foucault trat in mein Leben und proklamierte, jeder solle doch aus seinem Leben ein Kunstwerk machen können - aber nicht, indem er sein "wahres Selbst" entbirgt oder das "Begehren in sich befreit", sondern im Zuge einer Ästhetik der Existenz sich selbst erfindet. Die Pet Shop Boys machten so was auch - ganz ohne Foucault-Bezüge. Damals wie heute redeten sie offen darüber, auch in der BRAVO TV-History, welche Einflüsse für sie entscheidend waren.
DIE DENOTATION VON SOUNDS
Allem voran prägte sie die New York-Disco-Musik von Bobby Orlando, der die Tracks für Divine geschrieben hat. Er produzierte auch die ersten Aufnahmen des Pop-Duos in New York.
Chris Lowe berichtet heute in Interviews davon, wie es war, morgens nach durchtanzter Nacht im "Paradise Garage" und "Fun House" am Rande des Meatpacking-District zu stehen und nach den Intensitäten queeren Nachtlebens glücklich tief durchzuatmen. In diesem Destrikt befindet sich heute das "Whitney Museum of American Art". Bis in die frühen 80er residierte dort das "Mineshaft", die legendäre Lederbar, die William Friedkin in "Cruising" mit Al Pacino nachbaute, weil man ihn im Original nicht drehen ließ. Sie berichten auch, wie der große Londoner Gay-Club "Heaven" ihre Musik beeinflusste und andere Londoner Locations für Queers.
In der BRAVO TV-History erzählt Neil Tennant von der Mehrfachcodierung schwuler Disco-Songs am Beispiel von "Go West", im Original von den Village People; einer Hymne, die umformuliert heute homophobe Heteros in Stadien grölen und die eben doch diese Traurigkeit und Sehnsucht, die bei guten Disco-Tracks immer mitschwingt, zum stampfenden Beat, Four to the Floor, wie eine Grundierung enthält. Heute, z.B. beim Isle of Wight-Festival, spielen die Pet Shop Boys zu "Go West" - hier bei 01.12.25 -
https://www.youtube.com/watch?v=H8g65SJR_OU&t=5099s (Opens in a new window)Gay-Movement-Bilder aus San Francisco auf die Vidiwall und Heteropaare schwelgen dazu, denken an ihrer Individual-Historie, die Bildern, die sie da projiziert sehen, vermutlich gar nicht einordnen könnend. Man spürt dem heute 70jährigen Neil Tennant die Befreiung an, bei einem Festival einer solchen Größenordnung vor diesen Dokumenten auftreten zu können. Das wäre 1993 noch nicht möglich gewesen.
Es lief manches etwas besser in den frühen 90er als zuvor, soweit es Gay Rights betraf - in Deutschland, nicht in GB oder den USA. Nach dem ersten schwulen Kuss in der Lindenstraße 1990 gab es dennoch Morddrohungen gegen die Produzenten. Das steht uns auch wieder bevor. Aktuell wird die Regenbogenflagge am Bahnhof Neubrandenburg verboten und Neonazis marschieren in Bautzen gegen die CSD-Demo ...
GEBROCHENE ÄSTHETIKEN
Dieses "Tief durchatmen", das ich Tennant anzuspüren glaube, ist jedoch wie alles bei den Pet Shop Boys gebrochen, durchsetzt mit Ironie - wenn auch weniger als früher - und Wehmut. Auch das fasziniert mich, und es ist ein wenig wie bei Andy Warhol - eines ihrer Alben heißt "Pop Art" -: sie spielen mit Oberflächen, Künstlichkeit, Camp, Slogans, teils Werbe-, teils Performance-Art-Ästhetiken, machen sich über klassische Songwriter und Natürlichkeitsfantasien unaufhörlich lustig - sie werden dabei jedoch nie zynisch. Sie entkoppeln sich nicht von den Denotationen, den sozialen Zusammenhängen, in denen ihre Songs bis heute situiert sind.
Für mich war es das, und ja, das gibt auch bei Madonna, in sehr vielen Black-Music-Tracks, bei New Order und heute im Hyperpop, was mich am nachhaltigsten inspirierte. Dass etwas eindeutig gemacht, hergestellt, inszeniert und mit Effekten, Elektronik, Computer und Drum-Machine, Colour Grading und allerlei Spielereien erzeugt wird, aber gerade dadurch dem gerecht wird, auf was es referiert.
Dass Abbildhaftigkeit verleugnet und doch nicht suggeriert wird, es gäbe Gesellschaft gar nicht. In all meinen filmischen Arbeiten habe ich mich bemüht, diesen Maximen zu folgen. Dass sie sich allem "Echten", "Natürlichen" verweigerten und doch, und sei es verklausuliert, soziale Dimensionen artikulieren, statt sie zum Verschwinden zu bringen. Wie die Pet Shop Boys Kritik auch an kapitalistischen Auswüchsen, an Thatcher und Blair zu üben vermochten, ohne nun wie Billy Bragg arbeiten zu wollen.
In seiner Textsammlung "One Hundred Lyrics and a Poem" erläutert Neil Tennant diese Bezüge spannend und erhellend. Bei Lyrics wie "Let's make lot of money" oder "I love you, you pay my rent" werden sie auch so deutlich genug. Der Rap im ersten großen Hit "West End Girls" ist nicht zufällig von Grandmaster Flashs "The Message" beeinflusst. Sie haben versucht, das in ihre Lebenswelt zu übersetzen.
Das viel besprochene letzte Album "Nonetheless" ist ein Meisterwerk, das all das atmet, was ich hier Zeile um Zeile schreibe. Wenn auch die Ironie kaum noch spürbar ist. Es ist offen emotional. Gerade da, wo sie durchbrechen was ich hier ausführe, um dann doch die Kurve zu bekommen. Im Video zu "Loneliness" lassen sie, so wirkt es zunächst, beinahe im Stil des sozialkritischen Films der 70er Jahre Sheffield 1992 auferstehen. Arbeiterkulturen.
https://www.youtube.com/watch?v=dUVfoybVqIg (Opens in a new window)Zunächst. Das Video geht über in eine Story von heimlich schwulen Fußballerfreunden, die Körper sind beinahe so inszeniert wie von Bruce Weber in den frühen 90ern. Dieser Mix aus scheinbarem "Realismus", gebrochen an schwulem Kitsch, ist typisch für die Praxen des Duos. Die Musik hört sich zugleich so an, dass im heutigen Sheffiled wohl auch Teenie-Mädchen von ihrem Schwarm dazu träumen könnten. Stampfrhythmus und Sehnsucht, Melancholie.
Ähnlich arbeiten sie im Video zu "Feel (Opens in a new window)" - zwei Jungs, fast wie mit dem Smartphone gedreht, fahren durch eine von Überresten der Industriekulturen geprägten Landschaft Großbritanniens; der Union Jack hängt an Bretterhütten. Neil Tennant singt "You make me feel like nodbody else can", die beiden Jünglinge fahren an den Strand, laufen zusammen ans Meer - keine Auflösung der Story folgt. Kein Kuss, kein Nichts. Eine Möwe läuft durch das Bild, hinter dem geparkten Auto entlang. Wieder Bruch - als Abbruch.
Ich musste dabei an die Ästhetik des revolutionären Videos von Wolfgang Tillman denken, das noch ungleich radikaler Realismus sogar adaptiert - das zu "Home & Dry".
https://www.youtube.com/watch?v=ossii9Ipiv4 (Opens in a new window)Es zeigt nichts anderes als Ratten auf U-Bahnschienen, die Essensreste zernagen. Die Ästhetik ist derart schlicht und ohne Inszenierung gedreht, dass es schon wieder zur Inszenierung von Realität wird. Tennant berichtet in Interviews, wie die meisten Rezipienten dieses Video schlicht hassten ...
Der Höhepunkt des noch aktuellen Albums scheint mir "A new Bohemia" zu sein, inszeniert von Andrew Haigh, der u.a. die Serie "Looking" über das Leben eines schwulen Freundeskreises in San Francisco konzipierte und drehte (die ich gar nicht mag). Der recht bekannte Schauspieler Russel Tovey spielt in dem Video mit.
https://www.youtube.com/watch?v=dHzEdsh9trQ (Opens in a new window)Gedreht wurde in einem britischen Seebad, Margate, das vor Jahrzehnten seine großen Zeiten erlebte und nun zwar noch existiert - das jedoch durchdrungen von morbidem Charme und Verfall. Lauter Queers tanzen in der Roller-Disco ihrer Erinnerungen, der Text sehnt sich nach neuen Bohéme-Zusammenhängen, formuliert den Wunsch, das eigene Leben freier und leichter gelebt zu haben, als es tatsächlich geführt wurde.
Diese Queer-Party im nur noch Nostalgie, doch kaum Gegenwart durchdrungenen Großbritannien nach dem Brexit - sie kann auch als Zeitdiagnostik verstanden werden.
RUSSLAND UND DIE NEUE RECHTE
1993, als "Go West" erschien, wirkte auf viele noch die Implosion des Sowjetimperiums wie ein großer Aufbruch in eine bessere Zukunft. Im Musikvideo kommentierten die Pet Shop Boys diesen Abschnitt der Historie mehrfach codiert. Vom Gay Movement war wenig zu sehen. Viele kritisierten es als mit totalitärer Ästhetik spielend. Karikaturen des sozialistischen Realismus heroisch aufmarschierender Klassenkämpfer setzte das Video bildstark ebenso in Szene wie tatsächlich auf dem roten Platz marschierende Soldaten. Statuen realsozialistischer Helden sind zu sehen - letztlich "marschieren" die comupteranimierten Paraden in New York ein, wo eine schwarze Freiheitsstatue singt.
https://www.youtube.com/watch?v=LNBjMRvOB5M (Opens in a new window)
Heute wissen wir alle um den Einfluss Putins in der Weltpolitik, verfolgen, wie das Bündnis Sahra Wagenknecht die DDR verklärt, kennen die Historie, dass Jelzins ökonomische Liberalisierungspolitik das begünstigte, was an "Kirche, Familie, Vaterland"-Politik ebenso Russland antreibt wie - explizit - auch der Krieg gegen "woke" und "queer" in der Ukraine.
Ich weiß nicht, was die Pet Shop Boys sich damals dachten. Ich weiß aber, dass wir solche Entwicklungen nach dem Fall der Mauer durchaus schon in den frühen 90ern prognostizierten ...
"A New Bohemia" fängt dieses Gefühl ein, dass jene, die nun von der AfD, Meloni, De Santis, Trump, Nigel Farage und anderen bedroht werden, befallen kann. Neil Tennant und Chris Lowe haben noch die Clause 28 (Opens in a new window)erlebt, Vorbild für De Santis' "Don't say gay"-Gesetze ebenso wie für Putins Anti-Homopropaganda-Terror.
Ist die Party in der Rollerdisco nun nun doch bald vorbei, obwohl wir längst nicht so frei und leicht lebten, wie wir wollten?
Wir wissen es nicht. Wir lieben, sehnen und hoffen lediglich. Und sollten viel mehr kämpfen (Opens in a new window) ... unterstützt auch von den Pet Shop Boys.
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