Das Kellner Prinzip bei ADHS
Heute ein früherer Beitrag aus meiner ADHS-Coaching-Gruppe mit (fast) täglichen Beiträgen rund um das Leben mit ADHS und dem Austausch untereinander zu den Alltagsherausforderungen.
Es geht um eine Metapher bzw. ein Zielbild für das eigene Verhalten, das mir nach Corona-Pause nochmal in einer Aussengastronomie aufgefallen ist.
Schliesse eine Aufgabe immer so ab, dass du quasi mit einem "sauberen" Tisch neu starten könntest.
Wahrscheinlich kennst du das auch: In der Innenstadt ist viel los und du suchst bei herrlichem Sonnenschein einen schönen Tisch in deinem Lieblingslokal. Aber alle Tische sind besetzt.
Irgendwie kommen die Kellner heute aber auch nicht so richtig hinterher. Denn es stapelt sich überall noch dreckiges Geschirr und halb volle Gläser, stinkende Aschenbecher. Kein schöner Anblick und sicher nicht besonders einladend... Du gehst dann doch lieber weiter, denn stapelndes dreckiges Geschirr hast du vielleicht in deiner Küche noch selber...
Das Kellner-Prinzip beim Erledigen von Aufgaben
Was können wir von guten Kellnern bzw. gut funktionierenden Gastro-Systemen lernen?
Zum guten Gasterlebnis gehört es, dass man immer wieder einen frischen, sauberen und nett eingedeckten Tisch hat.
Das bedeutet aber auch, dass die Aufgabe des Kellners (oder der Kellnerin) eben nicht darauf begrenzt ist, unsere Bestellungen anzunehmen. Und nach einer gewissen Wartezeit dann an unseren Tisch zu bringen.
Nein. Auch wenn wir äußerst gesättigt und zufrieden das Essen bezahlt und ein Trinkgeld spendiert haben, endet der Job da noch nicht.
Das Abräumen und das Eindecken für den nächsten Gast ist quasi noch Teil des ganzen Ablaufs.
Es ist also wie ein Kreislauf, der immer wieder komplett abgeschlossen werden muss.
Das Zielbild wäre also nicht : ich erhalte Trinkgeld für meine Arbeit durch den zufriedenen Gast
Sondern : Ich habe einen frisch aufgeräumten, nett präsentierten Tisch für meinen nächsten Gast (und damit weitere Verdienstmöglichkeiten)
Das Problem bei vielen ADHSlern ist ja, dass ihnen eine Strategien für das Durchhalten und Abschliessen von Aufgaben fehlt.
Wir werden dann einfach zu sehr von anderen Aufgaben abgelenkt. In dem Vergleich mit dem Kellner wären es die anderen Tische mit Gästen, die ständig Getränke oder neue Bestellungen nachbestellen. Oder die Küche, die mal wieder viel zu langsam für den ganzen Betrieb ist. Und dann vielleicht noch andere Störquellen, die uns ablenken...
Gerade dann ist es aber wichtig, dass man einen inneren Ablauf-Plan verfolgt. Also genau weiss, was man im Ablauf von Ereignissen als NÄCHSTEN Schritt zu tun hat.
Wenn mein Sohn Jonas kellnert, so hat er nach der Bestellung zunächst die Getränke fertig zu machen und an den Tisch zu bringen. Haben die Gäste ein warmes Essen bestellt, erhalten sie dann nach den Getränken einen Gruß aus der Küche....
Verstehst du das Prinzip?
Auch im dicksten Chaos und heftigsten Betrieb hat er dann quasi einen inneren Ablauf, der sich aus der Aufgabe selber ergibt. Wenn er den Gruß aus der Küche abräumt, dann ..... hat er vielleicht für den nächsten Gang einzudecken und bekommt gleichzeitig noch den Auftrag, einmal nach weiteren Getränkewünschen am Tisch zu fragen.
Der nächste Schritt der Aufgabe ergibt sich daraus, dass ich den letzten Schritt erledige.
Aber jeder Schritt ist nur so klein, dass ich ihm noch im Blick haben kann und genau aus dem Anblick bzw dem aktuellen Punkt in dem geplanten Ablaufplan weiss, was nun ansteht.
Ich muss gar nicht alle Teilschritte oder alle Getränke / Speisen und Wünsche der Leute im Kopf jonglieren.
Sondern wirklich nur Schritt für Schritt vorgehen.
Wichtig ist aber eben, dass man bis zum Schluss auch durchhält. Also bis zum neu eingedeckten Tisch...
Hast Du eine Idee, wie man das Kellner-Prinzip bei Aufgaben aus dem Alltag übertragen kann?
Aktuell ist die Nachfrage nach Plätzen für das 1:1-Coaching sehr hoch bzw. ich habe kaum Zeit dafür. Für die Gruppe beginnen wir jetzt eine Warteliste für die Zeit nach den Sommerferien. Bei Interesse ggf. Mail an winkler.orga@gmail.com