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Angst vor ADHS-Medikation - Ambivalenz und negativer Hyperfokus


Viele Erwachsene, die bei sich selber deutliche Merkmale von ADHS festgestellt haben, wünschen sich eine professionelle Diagnostik und Therapie. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Medikation eine deutliche Hilfe und Besserung verspricht.

Und dann gibt es einen (vielleicht kleineren?) Teil von meinen Klienten, die mit einer großen inneren Ambivalenz bis hin zu Angst zu kämpfen haben. Und es irgendwie nicht schaffen, eine Pille oder Kapsel bei ADHS zu schlucken, obwohl sie es eigentlich irgendwie schon wollen. Und dann wieder nicht.

Oder vielleicht doch.....



Und dieses Phänomen sehe ich durchaus auch bei vielen klar diagnostizierten ADHSlern mit hohem Leidensdruck!

Was ich irgendwie sehr sehr gut nachempfinden kann.

Als einen Schritt gegen die Unsicherheit hilft sicher Aufklärung - also Störungsbildteaching und möglichst verständliche und vollständige Information zur Medikation. Mein Vortrag zu den Grundlagen der Stimulanzientherapie (Opens in a new window) ist da so ein kleiner Schritt in diese Richtung.

Nun muss ich vielleicht nochmal klarstellen, dass ich eine sehr ausgewählte Klientel habe. Niemand kommt bei uns wegen ADHS oder Autismus in die Klinik. Einige wenige vielleicht mit der Co-Diagnose ADHS oder Autismusspektrum und wir stellen wahrscheinlich  bei uns in der Klinik häufiger als in anderen psychosomatischen Kliniken oder einer Psychiatrie eine entsprechende Diagnose. Und das ist definitiv gut so.

Aber kein Patient wird dann zur Medikation gedrängt. Auch wenn ich halt nach einer entsprechenden Diagnostik und Aufklärung das Angebot mache.

Entscheidungen muss man sich also proaktiv selbst dafür.

Und dann tritt eben diese Unsicherheit bzw Angst auf, die ich gut verstehen aber nicht gut erklären kann. 

Es ist letztlich die ADHS-Symptomatik selber, die dieses Durcheinander im Kopf aufrecht erhält. An der Frage der Medikation eskaliert es nur einmal mehr.

Die Angst vor der Medikation beruht gar nicht so sehr auf Nebenwirkungen. Zudem haben viele meiner Patientinnen und Patienten schon jahrelange frustrane Medikationsversuche hinter sich (vielleicht spielt das mit rein, dass man dann nicht nochmal frustriert werden will oder kann?).

Sie ist kein Mangel an Information und auch sonst nicht besonders rational begründbar. Aber welche Angst ist schon rational? 

Negativer Hyperfokus : Intoleranz für Ambivalenz und Veränderung als Teil der ADHS-Symptomatik

Zu den Störungen bzw. Beeinträchtigungen der Exekutivfunktionen bei ADHS gehört neben der Metakognition auch irgendwie die innere Unsicherheit und Ambivalenz bzw. der negative Hyperfokus.  Gerade dann, wenn es um eine negative Voraktivierung bzw. Vorahnung geht. 

Dann steigt das Gehirn halt irgendwie auf einen anderen Modus und man sieht das Schwarz noch schwärzer. Bzw. ein negativer Aspekt gerät so in den Hyperfokus, das nur noch Flucht oder eben ständiges Diskutieren und Erläutern übrig bleibt.  Halt ein Teil der Emotionalen Dysregulation, die dann leider häufig eine Veränderung so blockiert. Aber auch für "Laien" bzw. viele Psychiater und Psychologen wie eine (alleinige) Depression aussieht.



Man kämpft regelrecht mit sich selbst gegen diese inneren Unsicherheiten und inneren Zweifler.


Unter der Medikation wäre es leichter, sich für die Medikation zu entscheiden.

Verrückt ist ja, dass meine Patienten als eine der besten und wichtigsten Effekte einer Stimulanzienmedikation angeben, dass ihre Entscheidungsfähigkeit bzw. auch die Intoleranz für genau solche Situationen wesentlich besser wird.

Wenn sie denn Medikamente ausprobiert haben.


Anders formuliert : Unter einer Medikation wäre es gar kein Problem, sich nun eindeutig für oder vielleicht auch gegen die Option Medikamente zu entscheiden.

Meistens ja ganz klar dafür.

Und natürlich unterhalten sie meine Patienten untereinander und berichten von den guten Medikationseffekten. Das reicht aber dann noch lange nicht, mit der eigenen Unsicherheit bzw Ambivalenz vom Wollen ins Tun zu kommen.

Ich will ehrlich bleiben: Manchmal wird unter der Medikation auch erst die Erschöpfung bzw. die eigenen lebenslangen Spuren des Lebens gegen die ADHS-Besonderheiten und mit den Problemen der Emotionalen Dysregulation und Exekutivfunktionen deutlich. Bis hin zu schwersten Erschöpfungszuständen.  Dann ist es eben auch nicht mal eben nur mit der Gabe von Medikamenten getan.

Aber :
So wie es die allgemeine ADHS-Prokrastination gibt, so gibt es dann eben naturgemäss auch die Erledigungs- und Entscheidungsblockade hinsichtlich der Medikation

Von der Entscheidungsunfähigkeit bei ADHS getroffen 

Was aber ja eben nicht passiert, weil man sich quasi immer weiter und weiter von der Entscheidung entfernt, je länger man damit zu tun hat.

Es geht aber eigentlich nicht um die Frage : Medikation Pro oder Contra. Diese Frage haben die Patientinnen ja für sich eigentlich schon geklärt.

Es geht eben um ein Problem, dass sie sonst auch immer und immer wieder haben: Eine Kleinigkeit von aussen oder ein negatives Gefühl, ein Gedanke, eine  Erinnerung oder was auch immer, stösst ihre Entscheidung wie ein Kartenhaus zusammen.

Und da reicht der kleinste emotionale Windhauch.

Und der ganze Prozess geht dann eigentlich wieder bei Null los.

Und dieses Phänomen ist gar nicht auf die Frage der Medikation begrenzt. Ganz im Gegenteil. Sie ist geradezu alltäglich, ja trifft fast auf jegliche Fragen mit Unsicherheitscharakter auf.

Und bestärkt ja dann nur die Gewissheit, dass man nicht passend, störend, anstrengend oder irgendwie anders als die ANDEREN ist.

Mal wieder ein blöder Teufelskreis bzw. eher eine Negativspirale.


Dopamin als Richtungsweiser und Marker von Entscheidungen


Nicht zuletzt, weil eben der Richtungs- oder Signalcharakter von Emotionen ohne ausreichendes Dopamin (eben bei ADHS oder Hochsensibilität) nicht so deutlich ist bzw. einfach nur ein Durcheinander im Kopf verbleibt.

Mit einer ausreichenden Verfügbarkeit von Dopamin bzw. der Aktivierung von Entscheidungs- und Handlungsnetzwerken (und der relativen Bremse für die Grübel- und Negativnetzwerke im Default-Mode) sind Entscheidungen für das Leben und für das Handeln und damit auch die Selbstwirksamkeit so viel stärker.

Gerade heute wieder bei einem Klienten positiv erlebt. Er kommt wieder ins Handeln. Er kommt ins Machen bzw. wie er es auch ausdrückte : Er kann jetzt wieder gegen die Negativität ankämpfen. Er kann was tun.

Genau dafür braucht man Dopamin. Genau dafür braucht man aber eben dann auch häufig die Medikation.

Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?


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Schau vielleicht auch auf meinen 

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bzw. die Aufzeichnugen der Vorträge und Onlinekurse 

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