ADHS und Einsamkeit
Wenn Einsamkeit aufs Gehirn schlägt – Was eine neue Studie über ADHS, Hormone und Exekutivfunktionen verrät

Von Dr. Martin Winkler
Einsamkeit ist kein reines Gefühl – sie hat messbare Auswirkungen auf den Körper und das Gehirn. Eine neue Studie aus Taiwan hat nun untersucht, wie sich Einsamkeit auf Jugendliche mit ADHS auswirkt – und dabei Erstaunliches zutage gefördert: Es geht um Hungerhormone, exekutive Funktionen und eine unterschätzte Verbindung zwischen sozialer Isolation und kognitiven Fähigkeiten. Und damit natürlich auch um ADHS und Adipositas…
🧠 Was wurde untersucht?
Die Forscher:innen verglichen 51 Jugendliche mit ADHS mit 51 neurotypischen Gleichaltrigen. Dabei maßen sie nicht nur Konzentration und exekutive Funktionen, sondern auch Hormonwerte wie Leptin, Insulin und Ghrelin – also Hormone, die Appetit, Stoffwechsel und Gedächtnis beeinflussen. Zusätzlich wurde der Grad an Einsamkeit erfasst.
🔍 Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick:
Jugendliche mit ADHS hatten höhere Leptinwerte – unabhängig davon, ob sie sich einsam fühlten oder nicht.
Nur die Jugendlichen mit ADHS und erhöhter Einsamkeit zeigten massive Defizite in der exekutiven Funktion (z. B. Planung, Impulskontrolle, Arbeitsgedächtnis).
Jugendliche mit ADHS ohne hohe Einsamkeit unterschieden sich kaum von neurotypischen Jugendlichen in Bezug auf ihre kognitiven Leistungen.
💡 Was bedeutet das für Erwachsene mit ADHS?
Auch wenn die Studie mit Jugendlichen durchgeführt wurde, ist ihre Relevanz für Erwachsene – besonders neurodivergente – hoch. Viele erleben chronische Einsamkeit, oft als Folge sozialer Ausgrenzung, Missverständnisse oder anstrengender Alltagsinteraktionen. Diese soziale Isolation könnte ein unsichtbarer Verstärker kognitiver Schwierigkeiten sein.
Zugleich ist das Hungerhormon Leptin, das bei ADHS erhöht war, auch bei Erwachsenen mit Gewichtsthemen oder emotionalem Essverhalten auffällig. Es wirkt nicht nur im Fettstoffwechsel, sondern auch im Gehirn – insbesondere im Hippocampus und präfrontalen Cortex, also in den Regionen, die für Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Selbstregulation zuständig sind.
🔁 Die fatale Spirale:
ADHS → Exekutivstörung → soziale Schwierigkeiten → Einsamkeit → noch stärkere Exekutivstörung → hormonelle Dysregulation
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Diese Wechselwirkung kann sich besonders bei Erwachsenen, die sich über lange Zeit unverstanden oder „anders“ fühlen, chronifizieren. Einsamkeit ist hier nicht nur Begleitsymptom, sondern aktiver Verstärker neurokognitiver Schwierigkeiten.
🎯 Was kann helfen?
Einsamkeit ernst nehmen – sie ist nicht nur ein soziales, sondern auch ein neurobiologisches Risiko.
ADHS-Communities nutzen, z. B. Buddy-Systeme oder Gruppenprogramme (wie in der ADHSSpektrum-Community), um soziale Verbindung zu schaffen.
Selbstregulation stärken – z. B. durch Programme wie Emoflex, die bilaterale Stimulation zur Verarbeitung von Stress nutzen.
Ernährung und Hormonhaushalt reflektieren – insbesondere bei Schlafproblemen, Heißhunger oder chronischer Erschöpfung.
Verbindung statt Vermeidung suchen – denn das Gehirn heilt besser in Gemeinschaft.
📌 Fazit:
Die Studie zeigt eindrücklich: Nicht ADHS allein, sondern die Kombination mit sozialer Isolation verschärft die kognitiven Schwierigkeiten massiv. Wenn du dich also oft zurückziehst, dich unverstanden fühlst oder dich "von der Welt getrennt" erlebst – könnte das nicht nur emotional, sondern auch neurobiologisch belastend sein.
Never worry alone, sagt Ned Hallowell – und diese Studie gibt ihm auf Hormon- und Gehirnebene recht.
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