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"Übersehene" Fälle von neuropsychologischen Entwicklungsstörungen bei jungen Erwachsenen in der Psychiatrie

Über 60 % von jungen Erwachsenen in einer Allgemeinpsychiatrie weisen ADHS bzw. Autismus-Spektrum-Besonderheiten und bisher übersehene  neurologischen Enwicklungsstörungen auf

Die Trennung von Kinder- und Jugendpsychiatrie und Erwachsenenpsychiatrie führt offenbar dazu, dass die Berücksichtigung von angeborenenen (neurologischen bzw. neuropsychiatrischen) Entwicklungsstörungen wie ADHS, Autismus-Spektrum-Störungen, Tics, Tourette oder auch Legasthenie bei jungen Erwachsenen (hier 18-25 Jahren) "unerkannt" bleibt, d.h. die Diagnosestellung unterbleibt.

Eine aktuelle Studie der Arbeitsgruppe von Prof. Gilberg (Opens in a new window) bestätigte einmal mehr, wie hoch der Anteil verpasster Diagnosen bei Klienten ist, die sich mehr oder weniger aus anderen Gründen in der Aufnahme einer Allgemeinpsychiatrie vorstellten bzw dort zugewiesen wurden.

Soweit - so schlecht.

Denn es ist keinesfalls trivial, dann im diagnostischen Prozess an ADHS bzw. Entwicklungs-"störungen" zu denken.

Es gibt schlicht zu wenig brauchbare Ideen, wie man dann sinnvoll vorgehen kann oder sollte.

Klar, es gibt Screening-Instrumente (IDA-R von Medice zum Beispiel). Oder man verwendet wie ich den DIVA-5-Fragebogen, wenn es um ADHS geht.
Aber das beantwortet selten die Frage, wie man nun angeborene Entwicklungsbesonderheiten von "erworbenen"  Problemen durch negative Kindheitserlebnisse (Adverse childhood events) bzw. frühern toxischen Stress differenzieren kann. Wenn denn das überhaupt möglich ist.

Das führt gerne zu Grundsatzfragen, ob es denn überhaupt ADHS gibt. Weil doch alles auch "Bindungsstörung" sein kann.

Wer sich tagtäglich in der Klinik damit beschäftigt merkt aber schnell, dass "Bindungstraumata" eben zu ganz anderen Problemen bzw. "Erscheinungsbildern" als Autismus, Legasthenie und ADHS führen. Aber sehr wohl eben ADHS und andere neuropsychiatrische Störungen dann zu frühen Hilflosigkeitsproblemen bzw. Problemen der emotionalen Selbstregulation bis hin zu Traumata führen.

Und genau hier fehlen dann aus meiner Sicht diagnostische Hilfen bzw. ein gutes Vorgehen, dass die Gesamtheit der Stärken und Funktionseinschränkungen z.B. im Bereich der Reizverarbeitung, der Emotionsregulation, der Exekutivfunktionen und dann auch der Kompensationsstrategien / Masking bis hin zur Erschöpfung der Selbstregulation erfasst.

Oder sehe nur ich das so?


Quelle: David E, Eva B, Christopher G. Neurodevelopmental disorders and comorbidity in young adults attending a psychiatric outpatient clinic. Psychiatry Res. 2022 May 15;313:114638. doi: 10.1016/j.psychres.2022.114638. Epub ahead of print. PMID: 35597136.

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