Superpower? Echt jetzt?! – ADHS zwischen Hype, Hölle und Hochbegabung
Manchmal hab ich das Gefühl, meine ADHS sei ein Chamäleon im Superman-Kostüm.
Also: Es sieht gut aus auf Instagram, aber es kann nicht fliegen.
Und manchmal pinkelt es mir auch noch in die Schuhe.
Aber ja: Superpower.
Das sagen jetzt viele.
Steht auf T-Shirts. Wird in Podcasts diskutiert. Sogar in Bewerbungen.
"Ich bin kreativ, unkonventionell, quirlig, ein bisschen chaotisch – ich habe ADHS, also praktisch eine geheime Superkraft!"
Cool.
Und gleichzeitig sitzt jemand anders da, 47 Jahre alt, mit ungeöffneter Post von vor 3 Monaten, innerlich leergeweint, weil das Finanzamt schon wieder Mahnungen schickt, und denkt:
„Welche Superpower genau?“
Der große ADHS-Spagat: Von Katastrophe zu Kreativfeuerwerk
ADHS ist keine Superpower.
Aber es hat das Potential, in bestimmten Momenten, unter bestimmten Bedingungen, in einem exakt austarierten inneren Biotop mit Licht, Dopamin, Schallschutz und einem Timer, der alle 17 Minuten piept – etwas Besonderes zu sein.
Ich habe Klient:innen, die sagen:
"Wenn’s läuft, dann LÄUFT’S. Dann bin ich unaufhaltbar. Aber wehe, ich stolpere – dann bin ich für drei Tage raus."
Willkommen im Dilemma: Du bist entweder genial oder ein Unfall in Zeitlupe.
Und manchmal beides gleichzeitig.
Superpower – für wen? Und zu welchem Preis?
Ich meine das ernst:
Für Menschen, die sich beruflich komplett selbst strukturieren dürfen, die von außen wenig Druck haben, die ihren Lebensstil neurodivergenzfreundlich angepasst haben – da kann ADHS fast wie ein unfairer Vorteil wirken.
Aber viele andere stehen morgens auf und fühlen sich, als müssten sie ein Orchester dirigieren, während sie rückwärts auf einem Einrad durch ein brennendes Lagerhaus fahren.
Und gleichzeitig versuchen, sich zu erinnern, wo die Einkaufsliste ist.
Diese Menschen brauchen keine „Du bist besonders“-Sticker.
Sie brauchen Mitgefühl. Struktur. Und manchmal einfach eine Erinnerung daran, zu essen.
Zwischen Romantisierung und Realismus
Ich verstehe, warum wir von Superpower sprechen wollen.
💥 Es ist ein Gegen-Narrativ zur jahrelangen Defizit-Pathologisierung.
💥 Es gibt Selbstbewusstsein, Stolz, Zusammenhalt.
💥 Es bricht Scham auf und ersetzt sie mit Energie.
Aber wehe, wir kippen zu sehr ins Märchenhafte.
Wehe, wir fangen an, uns selbst nicht mehr ernst zu nehmen.
Wehe, wir hören denen nicht mehr zu, die gerade nicht high-functioning durch ihr Leben rennen.
Vielleicht ist ADHS keine Superpower – aber du bist kein Systemfehler.
ADHS ist eine andere Art, die Welt zu verarbeiten.
Ein anderes Betriebssystem.
Mehr RAM, weniger Firewall.
Mehr Tabs offen, weniger Ladebalken.
Ein inneres Orchester, das nie die Noten lesen wollte, aber wunderschön improvisieren kann – wenn es Raum bekommt.
💬 Community-Frage:
Was denkst du?
➡️ Ist ADHS für dich eher Fluch, Segen – oder kommt es auf den Tag an?
➡️ Wann fühlt es sich wie eine Superpower an – und wann wie eine tickende Zeitbombe?
Lass es uns wissen in der ADHSSpektrum-Community.
Ich freu mich auf ehrlichen Austausch – jenseits von Schwarz-Weiß, jenseits von Superhelden und Diagnosen.
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