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Thalaris Almanach - Buch 1: Initiierung

Teil 6 - Was soll denn das?

Ich flog schnell. Nein, ich fiel! 

Mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit raste ich dem Erdboden entgegen. Hindurch durch Aschewolken, Glut und stinkende Dämpfe. Unter mir loderten Flammen himmelwärts. Lava strömte aus dem rissigen, teilweise wie gesprengt wirkenden Untergrund. 

Meine Augen brannten, ich bekam kaum Luft. Schneidender Schmerz zog sich durch meine Lunge, als ich Asche einatmete. Bissiger schwefliger Geruch schoss mir in die Nase. Der Boden kam näher. Jetzt konnte ich merkwürdig geformte Hügel sehen. Die sich abrupt in Knochen verwandelten. Knochenhaufen, rußgeschwärzt.

Tränen drangen mir in die Augen. Teils wegen der Dämpfe, teils wegen dem, was sich mir darbot. Ich verstand die Bilder nur zum Teil, doch das reichte. Die Landschaft vor mir blitzte weg.

Wurde durch eine Wiese mit roten Blumen und weißen, kreide ähnlichen Kahlstellen ersetzt. Auf der Wiese tobte eine Schlacht. Vier Heere prallten wuchtig aufeinander. Metall schlug auf Metall. Es blitzte, krachte und qualmte. Pistolenschüsse wechselten sich mit Kanonendonner ab. Dazwischen rollten Wellen von Magie durch die Massen, fällten Unzählige. Ich konnte kaum ausmachen, wer wen bekämpfte. Alles war eins. Ein Gewimmel voller Gliedmaßen. Und dazwischen gigantische Bestien, ähnlich Bären, Wölfen oder Ebern. Erneut kam der Boden näher.

Eines der Wesen hatte mich entdeckt. Geifernd und brüllend rannte es auf mich zu, das große Maul weit geöffnet. Bereit für eine Mahlzeit, die nicht kommen würde.

Das Bild switchte erneut.

Ein Wald in Flammen, Tiere, die daraus flohen. Und Kreaturen, die an lebende Pflanzen erinnerten.

Switch.

Eine große Stadt, Luftschiffe am Himmel. Ein Fest wurde gefeiert.

Switch.

Meeresungeheuer, die mit einem großen Schiff in der stürmischen See Ball spielten. Die Panik der Seeleute war sichtbar, wenn auch kaum zu hören, angesichts des Sturmes.

Switch.

Ich krachte auf den Boden, schlug mir den Hinterkopf auf. Das waren Schmerzen. Vor meinen Augen drehte sich alles. Der Aufprall trieb mir die Luft aus dem Leib.

„Genug!“ rief ich.

Ich konnte nicht mehr. Jetzt schon. Aber bereits der Start war brachial.

„Oh, hier steckst du“, meldete sich Tutor v1 in meinem Ohr zu Wort.

„Was soll denn das bitte heißen?“

„Ich hatte kurz die Verbindung zu dir verloren. Ein kleiner Bug, keine Sorge“, entgegnete die KI. „Was kann ich für dich tun?“

Ich schnaubte. Das war doch wohl nicht wahr.

„Was du für mich tun kannst? Ich bin hier durch mehrere Welten geswitcht, wäre beinahe erstickt und gefressen worden. Und dann falle ich hier so hart auf den Boden, dass ich meine Knochen immer noch suchen muss. Du kannst mich also hier herausholen!“

Das war etwas übertrieben, doch dieser Start hatte mir etwas Angst gemacht.

„Bitte beruhige dich, Rupert. Ich habe die Protokolle geprüft. Ich kann nichts finden. Es ist davon auszugehen, dass dieses Phänomen ebenfalls ein Fehler im System ist. Wir haben mit dir die erste Verbindung zu dieser Welt. Das ruckelt noch etwas“, erklärte mir Tutor v1.

Ich fiel beinahe von meinem unvorhandenen Glauben ab.

„Du verkaufst mir das jetzt also auch als Bug? Gut. Was aber ist mit der Schmerzwahrnehmung? Die liegt bei 100 %. Das ist zwar zulässig, doch nicht förderlich für die zukünftige Spielerschaft.“

Es dauerte kurz, bis er antwortete.

„Nachforschungen und Umfragen haben ergeben, dass sich eine große Zahl an Spielenden einen höheren Realismus wünscht. Das bezieht Schmerz, Sinne sowie allgemeines Körpergefühl mit ein. Du wirst feststellen, dass du dein eigenes Körpergewicht spürst, richtig?“

Verwundert stellte ich genau das fest. In älteren Immersionsspielen hatten die Spielenden selten volles Körpergewicht. Das lag an der mangelnden Technik, ebendieses zu simulieren. Ein Zwerg fühlte sich kaum leichter an als ein Ork. Ein Spacetrooper war selten viel schneller im Weltraum als ein Astronaut im Anzug. des 21. Jahrhunderts. Erst mit zunehmendem Fortschritt gelang es, die Realität besser abzubilden. Aber nie so, wie ich es jetzt wahrnahm. Ich fühlte alles. Haargenau so wie im realen Leben.

„Das ist der Wahnsinn!“, hauchte ich. 

"Ja, nicht wahr? Und es kommt noch besser: Du wirst auch die anderen Dinge spüren. Wenn du getroffen wirst, dich verletzt, etwas isst. All das wird sich auswirken. Als wärst du in einer echten Welt. Und nun noch ein paar Kleinigkeiten: Sie an dir hinunter!“, forderte mich der Tutor nach seiner Begeisterungsrede auf.

Ich folgte der Anweisung.

„Vier Zehen. Moment, das heißt …“

Ich hob meine Hand. 

„Und vier Finger!“, schrie ich fast vor Aufregung. Vergessen waren in jenem Moment der harte Aufprall und die seltsame Ankunft.

„Exakt. Die Spezies wurde bereits anhand deiner realen Charakteristika gewählt. Du bist ein Erebosh. Was das ist, musst du selbst herausfinden. Ebenso wie alles andere.“

Ich blinzelte meine Überraschung weg.

„Und welche Klasse habe ich? Wo muss ich hin? Gibt es eine Startquest? Oder eine Map?“, sprudelte es aus mir heraus.

„Sachte, sachte. Auf diese Fragen kann ich dir keine Antwort geben. So ist diese Art Spiel nicht konzipiert. Ich soll lediglich sicherstellen, dass du heil angekommen bist, die nötigen Punkte erklären und dich auf zwei essenzielle Dinge hinweisen: Hier gibt es den Permadeath, pass also auf deinen Charakter auf. Außerdem geschieht der Logout automatisch, so wird sichergestellt, dass du deinem Körper nicht zu viel zumutest. Und nun empfehle ich dir, die Beine in die Hand zu nehmen. Oder zu kämpfen. Ich bin ehrlich: LAUF! Ach und viel Glück!“

Teaserbild: <a href="https://de.freepik.com/fotos/gebirge">Gebirge Foto erstellt von liuzishan - de.freepik.com</a>

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