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Stille ist ein Sound

Konzert, nur für mich allein … Gänsehaut beim Kontrabass-Solo. So schön! Ich frage noch, welcher Song es war – es war der Song Nr. 5, sagt Jan – ein Lachen, das ich zunächst nicht deuten kann. Dann erfahre ich: jeder Song ist ein Unikat und wird nie zwei Mal gespielt. Es ist alles in Echtzeit improvisiert. Da bin ich wohl noch zu unerfahren in Sachen Free Jazz. Aber vielleicht deswegen ist es gut, darüber zu schreiben.

Wie schreibt man eine Reportage über eine Jazzband, ohne zu kitschig oder kryptisch zu klingen? Das Thema Jazz – und vor allem Free Jazz – finde ich schwierig zu beschreiben. Ich habe immer Gefallen an der abstrakten Musikrichtung gefunden, ohne sie richtig zu verstehen. Sie war eben gut zum Zeichnen. Da gibt es in meinem Gefühlsschrank eine Schublade und es wird wohl mal Zeit, ihr einen Namen zu verpassen, oder sie wenigstens besser zu ergründen.

Dafür habe ich mich mit einer meiner Lieblingsbands aus Hamburg getroffen – Uuga. Als ich eintrat, empfing mich ein Tusch aus Schlagzeug und Kontrabass.

Der Bandraum ist recht klein, in einem Bunker ohne Fenster. Auf dem Boden der typische, bunte Bandraumteppich, an der Wand eine Fototapete mit Wald. Es riecht nach Instrumenten und ein wenig nach Aschenbecher.

Sie machen eine kleine Improvisation und ich bereite mich auf das Interview vor.

Metallischer, langgezogener Klang der E-Gitarre, unruhiges Hin und Her des Kontrabasses – eine Stimmung wie am Anfang einer animierten Gruselgeschichte über eine im Mondlicht irrende Person – bis eine helle Glocke ertönt und alles noch ein bisschen verwirrt. Ist das ein Insekt, das dazu kommt? Eine Idee, die aufblitzt? Nervenzusammenbruch?

Mario (E-Gitarre) zu Jella: Es war C-Moll bei mir, warst du auch in C-Moll?

Jella (Kontrabass): Ich war auch in C-Moll.

Jan (Schlagzeug): Ich war nicht in C-Moll, ich hab die ganze Zeit Dur gespielt.
Lachen.

Jan am Schlagzeug

Die Band besteht aus drei Personen: Jella, Mario und Jan.

Jan kenne ich schon seit 2009 – wir haben mal zusammen in einer Postproduktion gearbeitet. 2013 gründete er Uuga mit Mario. Erst haben sie zu zweit gespielt, oder Gastmusiker:innen eingeladen. Später kam Jella mit ihrem klassischen Kontrabass dazu, die jetzt ein festes Mitglied der Band ist.

Kontrabass ist ein großer Gewinn! Es fehlte mir an nichts, aber als Jella dazu kam, wurde es noch inspirierender.

Ich lerne: Eigentlich spielen sie keine Instrumente, sondern führen eine Unterhaltung. Eine Unterhaltung, die aus Tonlagen, Rhythmen und … ja, Geräuschen besteht.

Der Name Uuga entstand aus einem Experiment: Einen Tag lang für jeden Satz ein einziges Wort benutzen – Uuga. Das hat wohl gut funktioniert. Ich hätte es gern mitgehört ... Das, was sie machen, beschreiben sie als "Psychedelic Jazz" auf ihren Social-Media-Kanälen.

Gibt es eigentlich offiziell einen Begriff „Psychedelic Jazz“?

Jella: Ich glaub schon. Aber eigentlich auch eher, um so ein Zwischending zu beschreiben. Zwischen Rock und Free Jazz.

Mario: Wir benutzen es aber eher, um eine Vorstellung von unserer Musik zu geben. Gerade als wir noch als Duo gespielt haben, war das eher rocklastig.

Hat sich das verändert, als Jella zu euch gestoßen ist?

Mario: Ich würde sagen, schon ein bisschen. Gerade jetzt, als das neue Album kam … also ich merke es bei mir, dass ich deutlich anders spiele. Ich mache weniger mit Effekten. Und weniger Overdrive und Zerre.

Ist es klassischer geworden?

Mario: Schwierig. Es ist anders.

Jella: Es ist wahrscheinlich anders, weil eine Person mehr dazu gekommen ist.

Mario: Das sowieso. Dass man sich mehr zurück nehmen kann …

Jella: Ja, du kannst jetzt auch mal nichts machen und es passiert trotzdem was. Das ist eh ganz cool. Da kann ja einer immer mal aussteigen und ein bisschen zuhören … und Stille ist ja auch ein Sound, den ich wählen kann – machen wir alle nicht so oft (lacht).

Jella am klassischen Kontrabass

Habt ihr erst das Thema und dann improvisiert ihr dazu, oder improvisiert ihr erstmal rum und denkt – ja, das ist das – und dann kommt der Name?

Mario: Eher so rum, ja. Wir setzen nicht unbedingt fest, was wir spielen, sondern spielen eher Frei Schnauze. Außer beim "Lamm". Da ist das Thema bekannt und dann spielt man das Lamm in irgendeiner Form. Aber sonst ist halt immer das, was gerade kommt.

… und dann behält das jemand im Kopf und schreibt das auf?

Mario: Ne. Gar nicht.

Jan: Wir haben gar nichts im Kopf.

(Ich total perplex) Und wie spielt ihr eure Songs?

Alle drei: Immer neu.

(Immer noch ungläubig) … jedes Mal, bei jedem Auftritt? Und was ist dann der Aufhänger? Ist das wirklich jedes Mal Improvisation?

Mario: Ja, wir spielen immer frei.

Das was auf der CD ist, ist fest, das hat einen Namen. Aber wenn ihr das nächste Mal spielt, dann klingt es wieder anders?

Jan: Genau. Bei den Aufnahmen waren wir drei Tage da und haben halt gemacht und nur am Ende sind die guten Sachen dabei rausgekommen. Und dann haben wir danach ausgewählt. Ich habe zum Beispiel mir Abschnitte angehört und Nummern verteilt. Eins bis Zehn. Zehn ist richtig gut und Eins heißt – find ich gar nicht gut.

So habt ihr euch auch für die Nummerierung als Titelnamen entschieden?

Jan: Nein, das haben sich Jella und Mario ausgedacht.

Jella: Wir haben erst so richtig lange überlegt, ob wir Titel nehmen. Mario hatte eine Idee für einen Titel „Friendly Man in a Trench Coat“ – was eigentlich ganz lustig war, weil da assoziierst du bei dem Stück anders. Aber dann haben wir gedacht, das wäre schade, weil man zu programmatisch rein geht und sagt – so, das ist das Bild! Und wenn man gar kein Bild rein gibt, dann ist das nur eine Nummer. Die Nummern sind aber durcheinander auf dem Album. Wenn du die in der numerischen Reihenfolge abspielen würdest, das wäre auch die Folge, wie das aufgenommen wurde. Es ist nicht Eins und Zwei unbedingt, aber das war das erste, was wir chronologisch gewählt haben. Das heisst, man könnte sich auch anhören, in was für einer Stimmung wurden sie aufgenommen und was kam als Nächstes. Du könntest das Album auf zwei Arten hören.

Jan: Wir spielen halt am besten, wenn wir uns entspannen und scheinbar auch, wenn wir uns eingespielt haben. Bei Honigfliegen (das vorangegangene Album) war das anders. Da sind die ersten 15 Minuten des Albums eigentlich ein Sound Check. Wir haben am Tag davor aufgebaut und ich wollte einmal alle Register ziehen, damit man weiß, was bei der Aufnahme alles geht. Das wurde aufgenommen – wir wussten noch nicht mal was davon. Es wurden im Duo die besten 15 Minuten der ganzen Aufnahme, die es direkt ins Album geschafft haben.

Mario: Deswegen sind es immer die ersten oder die letzten Takes. Bei dem Ersten denkt man sich – Ja, da kommt noch ganz viel. Und bei dem Letzten – Ja, jetzt ist auch egal! Da ist so ein bisschen der Druck raus.

Jan: Es kann aber auch so Situationen geben, wie gerade eben, dass wir uns unterhalten und eine witzige Idee haben, mehr so als Scherz gemeint – lass mal Moll gegen Dur spielen.

Mario, E-Gitarre

(Wie kann ich nur so ungläubig sein?!) Nochmal – jedes Stück ist also improvisiert?

Mario: Ja genau. Wir spielen ziemlich viel zusammen normalerweise. Kommt so ein bisschen auf die Pandemiesituation* an. Aber dadurch hat man natürlich seine Safe Spaces, wo man automatisch darauf zurückgreifen kann. Man kennt sich – Ok, wenn er jetzt das hier spielt, dann kann ich das hier machen. Das kann man nur machen, wenn man viel zusammen improvisiert hat. Das ist dann nicht immer neues Gewässer. Aber es ist nicht festgelegt, was wir machen.

Wäre ich jetzt ein Profi, würde ich verstehen, wie ihr miteinander „sprecht“? Oder ist das von außen nicht erkennbar?

Jella: Ja, das ist eigentlich immer Interpretationssache für jede zuhörende Person. Ich glaube Musiker würden schon hören, was passiert. Ob wir jetzt aufeinander reagieren, oder ob die Gitarre gerade ein Solo spielt und wir zwei sie begleiten. Also, was musikalisch abgeht kann man, glaube ich, schon ganz gut durchhören. Aber sonst ist das total situativ, was die Leute so wahrnehmen in dem Moment.

Zu Jella und Mario: Ihr beiden habt eine akademische Ausbildung und Musik studiert?

Mario: Ich habe klassische Gitarre studiert bis zum Bachelor und Jella Kontrabass.

Jella: Genau, ich habe einen Master im klassischen Kontrabass.

Mario: Wir sind eigentlich beide Klassiker.

Und Du Jan?

Jan: Ich habe Schlagzeugunterricht gehabt als Kind und Jugendlicher.

Kurz nachdem ich dich kennen gelernt habe, Jan, hast du mal Gitarre im Wohlerspark gespielt. Ich saß dann da und hatte meine Kinnlade irgendwo da unten, weil du so gut warst. Wo hast du das denn gelernt?

Jan: Ich habe autodidaktisch Gitarre gelernt.

Mario, Jan und Jella in ihrem Bandraum.

Jella: Uuga ist halt immer spannend, wenn Leute zuhören. Wenn man das nur hier im Bandraum macht, dann ist das wirklich nur so Safe Space. Da kann man über 20 Minuten scheiße sein und denken: Das passt jetzt nirgendwo rein, was mache ich da bloß?! Bäm, Bäm, Bäm. Aber wenn Leute da sind, dann ist es immer total interessant, finde ich. Da merkt man, irgendwie sind die da drin, obwohl sie ja gar nicht wissen, was wir machen. Ich glaub aber, jeder hat einen eigenen Film dabei und denkt einfach an irgendwas ganz anderes. Das finde ich so geil!

Mario: Ja, das ist schon ein anderes Gefühl einfach. Wir hatten ganz schön viel Material. Aber das was auf der CD ist, ist eigentlich am letzten Tag entstanden. Ein typisches Last-Take-Ding.

Jella: Das war aber auch witzig beim Aufnehmen, weil an dem einen Abend war ich so ultra genervt von euch beiden. Ohne Grund. Dann ist es auch total schwer zusammen zu spielen. Ich kann ja mich nicht in meine Noten stürzen und da professionell trotzdem aufnehmen. Ich muss mich einlassen. Ich habe gar nichts, wo ich mich verstecken kann.

Und kannst du nicht deine Wut dann raus lassen?

Jella: Habe ich dann versucht. War aber nicht so schön musikalisch.

Jan: Wir haben zwei Tage lang für den Tag Drei geübt. Wir haben aber auch vorher lange nicht zusammen gespielt.

Mario: Ich finde, das ist aber auch ein Projekt, das man nicht überproben darf. Ich finde es immer sehr erfrischend, wenn man sich eine Zeit lang nicht musikalisch gesehen hat und dann wieder in so einem Kontext zusammen kommt. Dann kommt plötzlich irgendwas anderes raus. Weil da viel rein fließt, was man aktuell im Kopf oder in den Fingern hat. Es ist dann immer spannend, wenn man sich mal Off Time hatte und sich dann neu entdeckt. Dann kommen auch wieder neue Sachen bei rum.

Habt ihr so Zeichen, wenn jemand abschweift, dass man ihn oder sie wieder zurückholt?

Jan und Mario: Ne, haben wir nicht.

Mario: Das muss man alles aushalten.

Jella: Ja genau, aushalten ist eine gute Idee!

Jan: Jetzt gerade eben beim letzten Stück, da habe ich gefühlt, dass wir so drohen, in ein kleines Metal-Stück abzudriften. Und bevor das zu kitschig wird, habe ich es zerbrochen …

Wie hast du es zerbrochen?

Jan: Ich habe einfach aufgehört und was anderes gemacht.

Mario: Wenn man keinen Bock mehr hat, dann kann man immer was anderes machen. Das ist ja das Schöne!

Die anderen müssen dann reagieren …

Mario: Ja genau!

Jella: Du hast immer drei Optionen: Du kannst mitspielen, du kannst es kaputtmachen, oder du kannst schweigen. Oder noch eine Option: Du kannst das Zepter an dich reissen, was anderes machen und gucken, ob da jemand mitmacht. Manchmal machen sie’s nicht mit, dann eben nicht.

Des vorletzte Albums mit den Titelnamen. Auf dem Cover ist meine Skizze von einem Auftritt im Gängeviertel 2019.

Ich habe das Stichwort "Ebbe" vorgeschlagen als Thema für eine Improvisation.

Jan: Wir haben zunächst Listen mit Namen erstellt, wie „Dschungel“, oder „In der Fabrik“, „In der Kirche“ und das waren eigentlich Szenen, die wir beim Aufnehmen der Improvisationen hineingepackt haben. … wenn Du sagst „Ebbe“ – das reizt mich auf jeden Fall. Was ist das? Wie klingt das? Aber das schränkt auch ein.

Mario: Allerdings haben wir irgendwann gemerkt, dass das stresst.

Jan: Genau, wir haben dann zu sehr – oder das war zumindest unsere Wahrnehmung – zu den Szenen hin gehetzt.

Jella: Das ist aber auch vielleicht ein Teil des Prozesses, denn so näherst du dich dem ja auch an, indem du über solche Images gehst. Also, dass man echt an diesen Punkt kommt und sagt, guck mal, was da kommt.

Sägender Klang des Kontrabasses, wie eine sehr langsame Stichsäge. Stichsäge auf Gras. Irrende Gitarre – ein torkelnder Betrunkener. Dumpfes Schlagzeug. Gleich kippt er in einen Graben. Höre ich da eine Krähe? Wie spielt man einen Krähenvogel? Alle drei umarmen sich in einem stolpernden Tanz. Die „Säge“ wird mal schneller, mal langsamer und immer tiefer. Eine helle Glocke blitzt auf in der wabernden Dunkelheit. Die Gitarre macht daraufhin krächzende Geräusche. Mit fällt das Wort „Abkratzen“ ein. Und gleich danach der monotone, regelmäßige Ruf eines unsichtbaren Wasserhuhns im Schilf. Ich frage mich, ob man das, was ich hier aufschreibe auf dem Album hören kann … immer noch nicht kapiert … Nein, dieses Bild bleibt höchstens in diesem Text.

Alle stürzen in den Graben. Kurze Stille. Andere Akteure kommen auf die Bühne: Ein streunender Hund schnuppert besorgt die Luft über der „Unfallstelle“. Auf einem naheliegenden Dach hält eine Katze kurz Inne und läuft weiter. Ein Maulwurf streckt überrascht seine Nase aus der Erde, rümpft sie und gräbt sich wieder ein …

Musik erzeugt Bilder in meinem Kopf. Ich frage mich, ob ihr dann auch Bilder im Kopf habt, wenn ihr spielt.

Mario: Nicht unbedingt. Ich bin ein sehr analytischer Mensch, das sind dann einfach so musikalische Geschichten. Wenn man spielt, ist man ja auch viel beschäftigt mit seinem Instrument. Es ist auch ein bisschen die Frage, wie man Musik denkt. Ich komme von einer sehr verkopften Seite, deswegen neige ich auch manchmal dazu, Muster zu spielen.

Jan: Ich habe gar keine Zeit, über Bilder nachzudenken. Ich versuche einfach nur gut zu reagieren und manchmal auch zu führen. Und bin mit der Auswahl der Werkzeuge beschäftigt. Ich muss ja auch jedes Mal, bevor ein Stück los geht, festlegen, welches Schlagzeug ich jetzt spiele. Ich lege Tücher drauf, ich nehme die Sticks, ich lege irgendwas auf die Trommeln. Die Auswahl der Sticks ist schon nicht so einfach. Oder ein Element, das sich vielleicht nicht richtig anfühlt, abzulegen, damit es das Bild nicht stört. Ich versuche immer nur harmonisch oder disharmonisch zu sein, die Bilder kommen dann danach.

Jella: Oder mit Stimmung. Wenn Jan zum Beispiel mit der Tröte da spielt, das sind so hohe Töne, sowas Flirrendes, Wärmendes, man sieht Sonnenstrahlen … Aber dann wird es absichtlich schief … mir passiert es oft, ich will was Schönes dazu spielen, aber es ist halt der falsche Ton und dann muss ich umschwenken, und dann mache ich es absichtlich komisch und schief und ein Bisschen schlammig. Ja, dann muss man halt da weiter machen und dann zerfällt es halt und man muss es aushalten …

Ich finde, dass die Lappen und Küchentücher auf den Trommeln auch ein Bild abgeben, das sich mit der Musik verbindet. Dass es eben keine schönen Tücher sind, sondern karierte Trockentücher und Lappen. Die optische Verwirrung, die mich von Anfang an fasziniert hat. Als ich auf den ersten Auftritten dabei war und wahrgenommen habe, wie Jan Fahrradklingeln auf den Boden geworfen hat … Die Bewegung gehörte für mich zur Musik dazu.

Jan: Die Klingeln habe ich immer noch, aber ich setze sie nicht mehr so oft ein. Die sind zum Schmeißen ganz gut …

Konzert im Grünen Jäger 2018

Das ist auch eine Performance, die dazu kommt. Man denkt so: Hä? warum schmeißt er jetzt mit Dingen um sich?

Jan: Deswegen will ich jetzt auch Triangeln besorgen, weil die so schöne hohe Klänge machen und die kann man gut hinhängen und die machen einen leichten und schönen Sound.

Ja, aber das wäre mir dann zu schön! Ich fand das Schmeißen eigentlich ganz geil.

Jan: Ich kann sie auch behalten und ich schmeiß sie auch mal, aber die Idee war eigentlich, dass ich sie mir hinlege und sanft anschlage. Das hat schon funktioniert. Zum Beispiel im Stück „Mit dem Fahrrad ist man schneller“

Der Name des letzten Albums ist „Triage“. Warum? 
Ich fand den ganz schön brutal.

Triage ist ein aus der Militärmedizin herrührender Begriff für die – ethisch schwierige – Aufgabe, etwa bei einem Massenanfall von Verletzten oder anderweitig Erkrankten darüber zu entscheiden, wie die knappen personellen und materiellen Ressourcen aufzuteilen sind. { Wikipedia (Öffnet in neuem Fenster) }

Mario: Der Name ist ganz schön brutal, richtig. Da geht es um verschiedene Sachen: Erstmal ist dieses Wort immer wieder in den Medien aufgetaucht, es hat uns in der Pandemie* immer wieder begleitet. Auf der anderen Seite spiegelt das ganz gut diesen Auswahlprozess wider, den man nach so einem Aufnahmewochenende hat. Wir haben ja fünf Stunden Material aufgenommen.

Jella: Waren es nicht sogar neun Stunden?

Mario: Es war richtig viel. Man muss am Ende irgendwie entscheiden, was kommt auf das Album, was lebt und was stirbt … Ein sehr schmerzhafter Prozess – diese Entscheidung zu treffen, welche Stücke jetzt wirklich drauf kommen, welche nicht. Manchmal ist es aber auch klar, dass irgendwas nicht lebt. Und dann natürlich noch eine phonetische Assoziation – da wir ein Trio sind. Es funktioniert auf mehreren Ebenen.

Ich fand den Namen ziemlich emotional. Und der letzte Titel – „Das wütende Lamm schreit nach seiner Mutter, sein Fell ist rot benetzt“ – tat richtig weh, den zu lesen.

Jan: Das ist ein Titel, den es vor dem Album gab.

Mario: Genau, „das Lamm“ ist eigentlich unsere Zugabe gewesen.

Jan: Aber bei dem war das so – Mario hat gesagt, wir müssen mal einen Song machen, der „Das wütende Lamm schreit nach seiner Mutter, sein Fell ist rot benetzt“ heißt und wir dann so: „Ja, ok.“ Und das haben wir dann gemacht …

Mario: Ich finde die Assoziation schön, die das Bild hervorruft.

Das erinnert mich an „Das Schweigen der Lämmer“.

Mario: Ja, man hat jetzt natürlich ein Bild von einem Lamm aus dem Horrorfilm vor sich, aber vielleicht ist das einfach nur ein Lamm, das gerade frisch geboren und jetzt wütend ist, weil es das Licht der Welt erblickt hat, irgendwie hineingeworfen wurde und ganz böse darüber ist. Ist vielleicht ein gar nicht so negatives Bild.

Stimmt, du hast Recht. So habe ich das nicht gesehen …

Jan: … wir haben uns ja auch vorgenommen, das jetzt einmal positiv zu spielen und das neue Lamm auf dem Album ist ja auch positiv.

Jella: Es ist halt auch sehr witzig …

Mario: … und sehr wütend

Jan: … genau, es ist ein sehr wütendes Lamm. Vorher war es im Mutterleib, da war es schön chillig – immer Essen, wenn man was will, schön dunkel. Und dann kommt man raus und merkt, das ist eigentlich scheiße.

Mario: Es ist halt tatsächlich die Assoziation mit so einem kleinen Kind, das auch richtig wütend ist. Das darf man aber nicht runterspielen.

Jan: Ja, aber unsere Titel sind eigentlich nie ernst, sondern immer mit Humor zu betrachten.

Trommeln, wie ein sich annäherndes Gewitter. Der Kontrabass verstärkt die dröhnende Wirkung mit einem tiefen langgezogenen Ton. Die Gitarre steigt ein – drei unterschiedliche Noten, monoton. Ich sehe eine Ruine. Das Gewitter ist noch nicht da und einzelne Sonnenstrahlen brechen durch die heraufziehende Wolken … aber dann zieht das Gewitter vorbei. Die E-Gitarre übernimmt und die hellen Klänge lassen den Sonnenschein über die verstaubten Trümmer irren …

Das Cover für das letzte Album „Triage“ mit meiner Reportage-Zeichnung , die ich bei einem Auftritt der Band im Oberhafen gemacht habe.

*Das Interview habe ich im Juli 2022 geführt. Da war Corona-Pandemie noch nicht ganz aus dem Alltag verschwunden.

Du findest die Musik von Uuga auf Bandcamp (Öffnet in neuem Fenster), Spotify (Öffnet in neuem Fenster) oder Apple Music (Öffnet in neuem Fenster) zum Reinhören und Bestellen. Außerdem sind sie aktiv auf Facebook und Instagram.

Hier (Öffnet in neuem Fenster) findest Du eine meiner früheren Reportagen über die Band.

Tschüss!

Julia Zeichenkind

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