LöwenPost 2025/15
Sino Kolumne: China's Wirtschaftspolitik ~ Verhandlungsbereitschaft im Zollstreit ~ Alkoholverbot bei der KPCh

China stärkt seine eigenen Unternehmen, im Rahmen der Ankurbelung der Binnennachfrage. Dazu hat die People's Bank of China (PBOC) Anfang Mai zehn Maßnahmen angekündigt und teilweise nun schon umgesetzt. Im Zentrum stehen bei verschiedenen Finanzierungsbereichen Zinssenkungen. Außerdem werden für Technologiefinanzierungen, ländliche Kleinunternehmen und Investitionen im Altenpflegebereich Sonderkreditsummen bereitgestellt. Die chinesische Finanzaufsichtsbehörde möchte Rahmenbedingungen ändern, so dass neues Kapital von Versicherungen am Kapitalmarkt bereitgestellt werden kann und Geschäftsbanken neue Investmentfonds für Beteiligungen an Technologieunternehmen auflegen können. Geldströme sollen außerdem die Wirtschaftsbranchen erreichen, die vom Zollkrieg mit den USA betroffen sind. Aber reicht das aus? Wenn bisherige Märkte wegbrechen, so können betroffene Firmen neue Absatzmöglichkeiten suchen, aber in vielen Regionen der Welt sind chinesische Firmen schon dominant. Oder besteht die einzige sinnvolle Verwendung der Gelder darin, dass die chinesischen Firmen ihre Liefer- und Produktionsketten umstrukturieren, so dass die chinesischen Produkte irgendwann den Stempel "Made in Indonesien" erhalten und doch wieder in den USA landen? Die Senkung der Kreditzinsbelastung für Unternehmen und Privatkunden dagegen ist sehr sinnvoll, denn die eingesparten Zinszahlungen an die Banken können dann zum Konsumieren verwendet werden, was die Binnennachfrage tatsächlich ankurbelt und die Banken wegen der geringeren Einnahmen zu effizienten Prozessen zwingt. Liquiditäts- und Risikokontrolle verspricht die Finanzbehörde. Ob die Maßnahmen ausreichen, kann ich schwer beurteilen. Mir fehlen in China immer noch strukturelle Reformen im Sozialsystem. Wenn mehr Menschen - wie in Singapore - in ihrem eigenen Sozialfond sehen, was für Krankheitsfälle und Rente angespart ist und wie der Ansparplan verläuft, dann können sie auch besser ihre jetzigen Freizeitausgaben planen und müssen nicht besessen in Wohnungskäufe als Anlageobjekt investieren. Ich hoffe, da steuert die chinesische Regierung noch nach.
Bei der Beurteilung zu den Auswirkungen im Zollstreit zwischen den USA, China und der Welt traue ich mir gar keine Prognosen mehr zu. Nicht nur, dass die Nachrichten abrupt neue Wendungen verkünden. Auch in den Auswirkungen sind sich verschiedene Experten uneinig. Es stellen sich mehr Fragen, als wir zum heutigen Zeitpunkt Antworten parat haben: Beispiel pharmazeutische Industrie: Konzentrieren die Pharmaunternehmen ihre Zulieferung für den US-Markt verstärkt in die USA? Steigen deshalb dort die Preise für Medikamente? Und wenn ja, wann? Was für Auswirkungen hat das auf das US-Gesundheitssystem? Oder stärkt das wie von Trump gewünscht diesen Wirtschaftssektor in den USA? Werden Medikamente in China wegen der hohen Importquote teurer? Oder greifen Patienten in China deshalb eher zum einheimischen Produkt? Wie stark ist die pharmazeutische Industrie in China nicht nur bei den Grundsubstanzen, sondern beim Endprodukt aufgestellt? Wird China in diesem Wirtschaftszweig nun verstärkt einen autarken Weg gehen, was auch der europäischen Branche schaden könnte? Viele Faktoren und viele Fragen, wobei eine Auswirkungsprognose nur sehr schwer erstellt werden kann. Doch zunächst hat die US-Regierung nun den Kotau vor der chinesischen Regierung vollzogen und durch die Rücknahme der zusätzlichen Zöllen ihre Niederlage in der bisherigen Runde des Zollkrieges eingestanden. Die ruhige, überlegene, aber harte Art, wie China seine Gegenreaktion aufgebaut hat, war ein diplomatisches Meisterstück. Es hat in allen Belangen ausgedrückt: "Wir wollen kein Handelskonflikt, aber wir scheuen uns auch nicht vor dieser Konfrontation". Der große Anteilseigner der USA (China besitzt circa 760 Mrd. Dollar an US-amerikanischen Staatsanleihen) zeigt dem selbsternannten Weltführer, dass man sich nicht so leicht in die Knie zwingen lässt. Peinlicher kann eine Niederlage der US-Regierung gar nicht sein. Die amerikanische Seite versucht nun ihr Gesicht zu wahren, indem man die Zölle nicht abschafft, sondern nur für 90 Tage aussetzt. Aber welcher Gedanke folgt dieser Logik? Will man die Zölle dann wieder anheben, wenn kein gewünschtes Verhandlungsergebnis erzielt wird? Der negative Effekt für die USA würde erneut einsetzen. Der Vertrauensverlust der Wirtschaftsakteure ist unwiderruflich eingetreten und bremst meiner Meinung nach gewisse Investitionen und notwendige Reformen. Im Gegensatz dazu weiß die chinesische Regierung, wie wichtig politisches Vertrauen ist. Durch eigene politische Aktionen gegen private IT-Firmen hat man vor einigen Jahren viel Unruhe in die privaten Aktivitäten und Investitionen in China gebracht und bis zum heutigen Tag versucht man dieses Vertrauen mühsam zurückzugewinnen. Auch für die USA, so meine Einschätzung, wird die Rückgewinnung dieses Vertrauens in die US-amerikanische Wirtschaftspolitik mühsam und langwierig werden, egal welche Verhandlungsergebnisse bei den Zollgesprächen mit China erzielt werden.
In der Löwenpost 2025/11 (Öffnet in neuem Fenster) hatte ich schon die acht Bestimmungen der KP Chinas erläutert, welche der Korruptionsbekämpfung und der Vorbildfunktion der Beamten gilt. Nun hat Anfang Mai die Partei noch einmal konkretisierte Bestimmungen erlassen, welche ein Alkohol- und Zigarettenverbot bei Tagungen und Geschäftsessen, Verbot von üppigen Banketten und Verbot von Luxusausstattungen bei Dienstfahrzeugen vorsieht. Die neuen Regeln verbieten auch die Nutzung von Regierungsfahrzeugen für private Angelegenheiten. Besonders das Alkoholverbot steht im Fokus dieser neuen Leitlinie, da explizit erwähnt wird, dass übermäßiger Alkoholkonsum die Arbeitsleistung beeinträchtigt. In einem aktuellen Vorfall gab es sogar ein Todesfall in der Provinz Henan. Dort starb ein Beamter nachdem er während eines Mittagsbanketts mitten in einem Schulungsseminar mit neun anderen Beamten übermäßig Alkohol getrunken hatte. Die Beteiligten wurden disziplinarisch verwarnt, degradiert oder entlassen. Die neue Verordnung verpflichtet die Regierungsstellen Kontrollmechanismen einzurichten und Inspektionen und unangekündigte Besuche zu organisieren. Am vergangenen Sonntag hat Chinas großer Baijiu-Produzent Guizhou Moutai schon auf diese Regeln reagiert (zum Nationalgetränk Baijiu siehe auch meinen Blogbeitrag: Das (Brannt)Weinmuseum (Öffnet in neuem Fenster)) und hat auf seiner Aktionärsversammlung den traditionellen Branntwein durch einen selbst hergestellten alkoholfreien Blaubeersaft ersetzt und anstelle eines formellen Bankettessens gab es ein kostengünstigeres Buffet. Ob diese neuen Regeln das tief verwurzelte Baijiu-Trinken, welches ich in China auch immer erlebe, im Land ersetzen wird, sei dahin gestellt. Aber die Vorbildfunktion und das Signal, was von der Parteiführung und damit von den Parteikadern ausgeht, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ich finde diese neue Präzisierung der Regeln im Sinne der acht Bestimmungen eine außerordentliche positive Entwicklung und auch die Wirkung wird meines Erachtens eintreten, denn auch die vor Jahrzehnten abgeschafften Spucknäpfe sind heute überall in China verschwunden.