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LöwenPost 2025/11

(ursprünglich am 7.4.2025 veröffentlicht)

Sino Kolumne: Acht Bestimmungen der KPCh ~ Wandel in China ~ Zollpolitik der USA
KI-Bild erstellt mit leonardo.ai

Im vergangenen Monat besuchte Xi Jinping die Provinzen Guizhou und Yunnan im Südwesten von China. Dabei hat er die Wichtigkeit der Umsetzung der "Acht Bestimmungen" (八项规定) der Kommunistischen Partei betont. Die "Acht Bestimmungen" wurden im Dezember 2012 vom Politbüro des Zentralkomitees der KPCh verabschiedet und zielen darauf ab, den Arbeitsstil der Partei zu verbessern und die Distanz zwischen Parteimitgliedern und der Bevölkerung zu verringern. Die Bestimmungen lauten in etwa wie folgt:

1. Verbesserung der Arbeitsweise von Führungskräften: Führungskräfte sollen sich auf praktische Arbeit konzentrieren, weniger formelle Reden halten und sich stärker mit den Realitäten vor Ort auseinandersetzen.

2. Effizientere Sitzungen: Sitzungen sollen kürzer, zielgerichteter und weniger bürokratisch sein, um Zeitverschwendung zu vermeiden.

3. Reduzierung von Dokumenten und Berichten: Die Anzahl und Länge offizieller Dokumente und Berichte soll verringert werden, um Bürokratie zu minimieren.

4. Einschränkung offizieller Aktivitäten: Überflüssige Zeremonien, Empfänge und formelle Veranstaltungen sollen reduziert werden; Sicherheitsmaßnahmen sollen die Bevölkerung nicht unnötig stören.

5. Vermeidung von Extravaganz bei Reisen: Führungskräfte sollen auf unnötigen Luxus bei Dienstreisen verzichten, einfache Unterkünfte nutzen und keine übermäßigen Empfänge erwarten.

6. Verzicht auf übermäßige Begleitung: Bei Besuchen vor Ort sollen keine großen Delegationen oder übertriebene Begrüßungen organisiert werden.

7. Begrenzung von Medienberichterstattung: Die Berichterstattung über Führungskräfte soll sachlich und ohne übermäßige Propaganda erfolgen, es sei denn, es dient einem wichtigen Zweck.

8. Förderung von Sparsamkeit und Integrität: Führungskräfte sollen ein Vorbild in Bescheidenheit und Ehrlichkeit sein, Korruption vermeiden und öffentliche Mittel verantwortungsvoll nutzen.

Diese innerparteilichen Bestimmungen haben zahlreiche Korruptionsprozesse nach sich gezogen und waren der Startschuss für eine intensive Korruptionsbekämpfung im ganzen Land. Fast eine Viertelmillion Parteikader wurde im letzten Jahr wegen dem Verstoß gegen die acht Bestimmungen bestraft. Es ist ein Zeichen, dass es die KPCh ernst meint. Die Parteibestimmungen sind aber vor allem ein Erfolgsrezept. Die chinesische Partei geht dabei einen anderen Weg als so viele andere kommunistische Parteien in der Welt, die nach der Machtergreifung entgegen der vorigen Propaganda eine elitäre Führungsschicht aufbaut, die sich ungehemmt bereichert und sich vom Volk entfernt, wie es bei anderen Parteien in allen Ländern heute allgemein üblich ist. Klar, die Fokussierung auf Aussagen von Xi Jinping in den chinesischen Medien ist für westliche Augen dominant und übertrieben. Allerdings haben die Menschen sich in der chinesische Kultur schon immer stark nach politischen Anführer ausgerichtet, egal ob zu Zeiten der Kaiserdynastien, Republik oder Volksrepublik und diesen Machthabern auch die Verantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung gegeben. Außerdem geht diese Fokussierung nicht von Xi Jinping selbst aus. Mit den acht Bestimmungen hat sich die Partei unter Xi Jinping einem Wertekatalog verschrieben, was die Führungsrolle der Partei im Land gestärkt hat, denn die Akzeptanz der Partei ist durch die Durchsetzung bis zu den kommunalen Parteikadern gestiegen. Eine ähnliche Agenda hat sich keine westliche demokratische Partei gegeben, vielmehr regieren diese in den westlichen Demokratien nach starren oder modischen Ideologien, sind in weiten Teilen der Bevölkerung unbeliebt (deswegen die häufigen regelmäßigen Machtwechsel) und erreichen immer niedrigere Zustimmungswerte bei der Bevölkerung, die sich bei jeder demokratischen Wahl täuschen und hinters Licht führen lässt. Dagegen ist nach 12 Jahren der "Acht Bestimmungen" in China die KPCh zwar noch nicht von allen elitären und korrupten Kadern befreit, aber die Wandlung zur werteorientierten und bürgernahen Partei schreitet mit großen Schritten voran und macht auch Hoffnung auf eine weiterhin positive Führungsrolle im Land in der Zukunft.

Die Expertisen und Aufsätze des Journalisten Robert Wu sind von Scharfsinnigkeit und kluger kritischer Reflexion gekennzeichnet. In seinen Einschätzungen schwingt immer die wohltuende Demut vor dem eigenen Unwissen mit, was seine Analysen undogmatisch ausfallen lässt. Trotzdem sind die Artikel meinungsstark und zeugen von einer feinen Beobachtungsgabe und der systematischen Einordnung der daraus resultierenden Denkschlüsse. Derzeit veröffentlicht er Aspekte zum Thema Vertrauen in der chinesischen Gesellschaft (China's "low-trust" society - Part 1 (Öffnet in neuem Fenster) und What's the winning strategy in China's "low-trust" society? (Öffnet in neuem Fenster)) und vielleicht werde ich zu einem späteren Zeitpunkt dieses Thema auch mit meinen familiären Erfahrungen in China aufgreifen. Heute möchte ich auf einen Kommentar zu seinem Artikel eingehen, den Robert Wu selbst herausgegriffen hat, um den gesellschaftlichen Wandel in China aufzuzeigen (China's "low-trust" society - intermission post (Öffnet in neuem Fenster)). Die Geschichte in diesem Kommentar ist für westliche Beobachter nicht nur amüsierend, sondern zeigt sehr deutlich den positiven Wandel in China mit Dingen des Alltagsleben auf, weshalb ich ihn hier übersetzt vortragen möchte:

"1986 wurde ich in 汉中 Hanzhong in Shaanxi von der Polizei am "ordnungswidrigen Fotografieren" gehindert. Ich machte ein Foto von einer winzigen, baufälligen Zahnarztpraxis mit Vorhängen anstelle von Fenstern und einem Paar falscher Zähne auf einem Fensterbrett.

In den nahegelegenen Goat Home Mountain hielten mich drei Polizisten in einem neuen Pekinger Jeep an und verweigerten mir den Zugang zu einem morgendlichen Markt entlang eines Straßenabschnitts. Am Tag zuvor hatte ich ohne Feilschen eine kleine Melone für ein paar Cent gekauft und die Leute sprachen darüber, wie reich ich sein müsse. Ich musste am Tor stehen bleiben und Freunde bitten, Dinge für mich zu kaufen.

Die Gesetze waren ungeschrieben und so vage, dass jeder Polizist jede Person jederzeit für irgendetwas verhaften konnte.

Große Veränderungen haben stattgefunden!

1. Heute schämen sich die Beamten in Hanzhong nicht mehr für die Armut.

2. Wenn du heute eine kleine Melone von einem Straßenhändler kaufst, ohne um ein paar Cent zu feilschen, prahlst du nicht mehr mit deinem Reichtum.

3. Heute werden in China Gesetze erstellt und veröffentlicht.

4. Heute wüsste die Polizei, dass ich einen Anwalt beauftragen und sie anzeigen könnte.

5. Und heute hat Jeep die Produktion in China aufgegeben."

Das letzte Thema dieser Kolumne soll der Zollpolitik der USA gelten, welche die Schlagzeilen der letzten Tage bestimmte. China hat ganz trocken mit gleichen Zöllen gegenüber Importen aus den USA reagiert, wobei sich nun die Bedingungen auf dem riesigen chinesischen Verbrauchermarkt für US-Firmen enorm verschlechtern. Es ist eine richtige Antwort Chinas auf die Politik der USA, nicht nur nachdem China mittlerweile schon mit mehreren Zollerhöhung konfrontiert worden ist. Auch die spieltheoretische logische Antwort von China (Tit-for-Tat-Strategie) ist die Zollfestsetzung in Höhe des Zolls der Gegenseite sinnvoll, um einerseits ein Aufschaukeln abzuschwächen und andererseits den positiven Effekt nicht einseitig beim Gegner zu belassen. Allerdings will und kann ich nicht in den einstimmigen Kanon der Politiker und Medienartikel über die US-Zollpolitik einstimmen. Alle wahrsagen sie eine Lose-Lose-Situation voraus und bejammern die Auswirkung auf die Weltwirtschaft. Damit keine Missverständnisse auftreten: ich bin absolut gegen diese Zollpolitik der Amerikaner und ein glühender Anhänger des Freihandels. Global betrachtet steigt damit der Wohlstand auf der Erde im Durchschnitt für alle Menschen. Außerdem berechtigt der hohe US-Handelsbilanzüberschuss bei Dienstleistungen und die Vormachtstellung des US-Dollars als globale Handelswährung die Begründung der Trump-Regierung nicht. Es ist allerdings nicht die Aufgabe eines amerikanischen Präsidenten, für das Wohlergehen der Menschen auf den gesamten Planeten zu sorgen. Er muss sich um die Menschen in den USA kümmern und da sind die gesellschaftlichen Veränderungen in den letzten Jahrzehnten eben durch die Deindustrialisierung gewaltig. Auch darf man strategische Überlegung hinsichtlich von Lieferketten nicht außer Acht lassen. Eine starke Wirtschaft definiert sich auch über die Industrieproduktion und nicht nur über eine starke Finanzwirtschaft, weil es zwar viele Finanzmanager, Rechtsanwälte, Anlageberater und Politiker reich macht, aber ein großer Anteil der Bevölkerung auf der Strecke bleibt. Trump ist sicherlich nicht unbedingt ein Anwalt der "kleinen Leute", aber er sieht die Probleme des Landes und versucht mit drastischen Maßnahmen eine Veränderung herbeizuführen. Nun traue ich Trump nicht zu, dass er die Wirtschaft erfolgreich umbauen kann, wie es beispielsweise China in den letzten Jahrzehnten getan hat, aber deswegen kann ich nicht seinen Schritt hin zum Vorteil der inländischen Produzenten verteufeln. Und das tausendfach gelesene Argument der 1920er Jahre mit der Weltwirtschaftskrise und die Entwicklung hin zum Weltkrieg greift zu kurz, weil eben in den 1920er Jahren noch andere Rahmenbedingungen eine große Rolle gespielt haben. Deshalb möchte ich vielmehr an die Abschottung der japanischen Märkte nach dem zweiten Weltkrieg erinnern, die der japanischen Wirtschaft stark geholfen haben und Japan zu einer führenden Wirtschaftsnation machte. Auch die südkoreanische Regierung hat bis in die 1990er Jahre sehr hohe Importzölle eingerichtet, um die eigene Wirtschaft zu stärken. Auf ausländische Fahrzeuge gab es neben der Luxussteuer bis zu teilweise 50%-Zölle. Der einheimische Hersteller Hyundai/Kia ist heute der drittgrößte Autoproduzent der Welt. Zum Schluss darf ich auch noch an die EU-Zölle, insbesondere gegen Autos aus China erinnern, die die europäische Heuchelei bei der Kritik zur US-Zollpolitik nur allzu deutlich werden lässt. Mir darf keiner etwas erzählen, dass nun alle verlieren würden. Ob allerdings die USA mit dieser Politik erfolgreich sein wird, steht auf einen anderem Blatt, denn kulturelle Merkmale und Investitionen in den Bildungsbereich und die technologische Modernisierung der Wirtschaft sind ein wichtiges Instrument neben der Infrastruktur und Systemstrukturpolitik, die einen Erfolg absichern müssen. Entscheidend werden Maßnahmen sein, die trotz Abschottung der US-Wirtschaft diese international wettbewerbsfähig hält. Und da sehe ich in den USA bisher noch keinen Ansatz.

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