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Fehlwahrnehmung mit Folgen

11. August 2023

Liebe Lesende,

erholen Sie sich gut in diesem Sommer? Oder konnten Sie angesichts der vielen Krisendebatten - Klima, Asyl, Krieg, Innenpolitik - gar nicht richtig abschalten? Und machen Sie sich Gedanken, wohin wir als Gesellschaft eigentlich driften? Eine neue Studie (Öffnet in neuem Fenster) gibt Aufschluss darüber, wie es uns im vierten Krisenjahr nach Beginn der Pandemie geht. Die internationale Forschungsgruppe "More in common (Öffnet in neuem Fenster)" ("Mehr gemeinsam") untersucht gesellschaftliche Fragestellungen anhand von sechs gesellschaftlichen Typen innerhalb der Bevölkerung, die aufgrund ihrer Werte und Grundüberzeugungen jeweils eine eigene charakteristische Sichtweise auf Gesellschaft haben (s.u.). Fazit (Öffnet in neuem Fenster) der aktuellen Befragung: Immer mehr Menschen nehmen unsere Gesellschaft als zunehmend egoistisch und ungerecht wahr.

Das Paradoxe dabei ist: Die Menschen wünschen sich mehr Zusammenhalt und Zusammenarbeit, sie trauen aber genau diesen Wunsch den anderen nicht zu. 62 Prozent der Befragten gaben an, sich „regelmäßig Gedanken über den Zusammenhalt“ zu machen. Danach befragt, ob sich auch die meisten anderen Menschen im Land zum Zusammenhalt Gedanken machen, antworteten nur 30 Prozent positiv. "Wir sehen also eine enorme Wahrnehmungslücke zwischen Selbst- und Fremdbild", schlussfolgern die Studienautoren. "So kann es kommen, dass Menschen, die es eigentlich gut meinen, von anderen als nicht vertrauenswürdig oder böswillig eingestuft werden." Die Folge könne ein Teufelskreis sein, bei dem sich Menschen umso egoistischer verhalten, je weniger sie von den anderen erwarten bzw. gespiegelt bekommen. Die Gesellschaft sitze einer Fehlwahrnehmung mit Folgen auf.

Grundsätzlich lebe die Demokratie vom "Gefühl ihrer Bürgerinnen und Bürger, einen Unterschied machen zu können", heißt es in der Studie - also davon, ob die Menschen ihr Handeln als wirksam empfinden. Mit dem Einsetzen der aktuellen Inflation sei ein deutlicher Dämpfer bei der seit 2019 erhobenen "Bürgerwirksamkeit" zu beobachten, schreiben die Studienautoren: "Lediglich 41 Prozent stimmen derzeit der Aussage zu, dass 'Bürger durch ihre Entscheidungen und Handlungen die Gesellschaft verändern' können. Vor der Inflation hatte dieser Wert stets über 50 Prozent gelegen." Allerdings speise sich nicht bei allen Menschen die empfundene Bürgerwirksamkeit primär aus dem eigenen Mitmachen und Mitreden. Vielen Menschen gehe es in erster Linie um eine gute Politik, "die ihre Lebenswelten berücksichtigt und ihre Bedürfnisse aufgreift". Hier gehe es um ein "Gefühl des kollektiven Gehört-Werdens".

Gleichwohl gilt aus Sicht der Studienautoren: Wer in einer solchen Lage Zukunftsangebote mache, sehe sich mit einem starken Bedürfnis der Menschen nach Normalität und Berechenbarkeit sowie einer Skepsis gegenüber Veränderung konfrontiert. Gerade stark politisch unzufriedene Gruppen wie die Enttäuschten neigten mehrheitlich in diese Richtung, während nur die ausdrücklich progressiven Typen der Offenen und Involvierten deutlicher zum Wandel neigen. "Das vermeintliche Paradoxon aus Zukunftswünschen einerseits und Normalitätsbedürfnis andererseits offenbart, wie voraussetzungsvoll die politische Aufgabe ist, Hoffnung zu geben, ohne wichtige Teilgruppen der Bevölkerung 'transformativ' zu überfordern", schlussfolgern die Studienautoren über die Botschaft, die die Untersuchungsergebnisse an die politisch Handelnden aussenden.

Abschließend fragen sie: "Und was ist eigentlich mit uns Bürgerinnen und Bürgern? Auch wir sollten uns auf ein Gespräch darüber einlassen, was wir als Einzelne für diese Gesellschaft – und damit unsere Mitmenschen – tun können." Das sei insbesondere schwierig in Zeiten, da ein großer Egoismus vor allem den anderen zugeschrieben werde. "Wir könnten zum Beispiel damit anfangen, uns genau diese Vorbehalte gegenseitig einzugestehen. Vielleicht würde uns dann auffallen, dass wir ironischerweise ähnlich denken", so die Studienautoren.

Was das Ganze mit Dahme-Spreewald zu tun hat? Dazu berichte ich weiter unten aus meinen Beobachtungen im Landratswahlkampf.

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