„Guck dir das an.“
Verena zieht die Augenbrauen hoch. Auf der schönen Stirn meiner Freundin erscheinen zwei feine Linien. Und jedes Mal, wenn sie die Brauen etwas höher zieht, stoßen die Linien mittig zusammen. Man muss schon sehr genau hinsehen, aber sie tun es.
Ich finde es zauberhaft, wie diese beiden Linien einander ankumpeln. Verena kann damit nichts anfangen.
„Die Falten machen mich fertig. Mein Gesicht war immer so schön übersichtlich.“ Verena hat knapp die 40 überschritten. Ich bin 51. „Wie kommst du damit klar?“, fragt sie. „Los. Stärke mich. Do your magic.“
Da hat sie tatsächlich genau die Richtige erwischt. Ich habe die Faltenkrise nämlich weder vor noch hinter mir. Sie findet einfach nicht statt.
Dabei hat mir ein Satz geholfen, den ich in jungen Jahren irgendwo aufgeschnappt habe:
„Ich gebrauche mein Gesicht jeden Tag.”
Gamechanger. Nee, Facechanger.
Mein Gesicht steht nicht hinter Glas wie das gute Geschirr, das nur zu hohen Feiertagen rausgeholt wird. Es wird benutzt.
Hier, guck mal. Die feinen Risse neben meinen Grübchen erzählen von tagelangem Gelächter, wenn man's mal zusammenrechnet. Tagelang!
Zweifel und Bedenken haben die Region um meine Mundwinkel geformt. Wie Porzellan, das zu jedem Picknick mitgenommen wird.
Die beiden steilen Falten über meiner Nase sprechen von gelegentlichem Zorn. Und Durchsetzungsvermögen.
Kerben werden tiefer und es kommen mehr Risse dazu. Natürlich gibt es Tage, an denen ich nicht so genau hinsehe. Aber ich nehme mein Gesicht immer wieder mit.
Das sage ich Verena. Sie liebt es. Beim Lachen zieht sie die Augenbrauen hoch, und die Linien küssen sich.
🎵 Andrew Smith: Wrinkled🎶
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