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Meer-Montag #14 - Der monochrome Spitzenprädator

Ahoi zum Meer-Montag an diesem grauen, letzten Märztag. Heute habe ich euch ein paar spannende Fakten zu Orcas herausgesucht. Ich muss zugeben, dass ich bei diesen Tieren noch unsicher bin, ob ich ein echter Fan werde oder nicht. Den Grund hierfür werdet ihr vermutlich im Laufe des Artikels herausfinden aber in jedem Fall sind sie unglaublich faszinierend. Ihre Kultur, ihre sozialen Bindungen, ihr Jagdverhalten: es gibt so viel zu erzählen, also legen wir los! Es ist ein etwas längerer Artikel geworden aber neben vielen kurzen Fakten findet ihr auch Empfehlungen für Büche rund Dokumentationen.


1. Orcas mit Hüten.
(Liebe geht raus an meine digital native Millennials, die noch Paul & Carl kennen)

Ende der 80er Jahre wurden vor der Küste des Washington State in den USA mehrere Orcas gesichtet, die tote Lachse auf ihrer Stirn umher trugen. Die hier beheimatete Orca-Population wird “Southern Residents” genannt und ernährt sich ausschließlich von Lachs. Es wurde beobachtet, dass ein Weibchen mit dem Tragen der Lachs-Hüte begann und schon nach wenigen Monaten hatte sich der Trend auch bis in andere Familien ausgebreitet. Diese sozialen Tiere sind dafür bekannt, voneinander zu lernen und so gab es in den letzten Jahrzehnten immer wieder einzelne Sichtungen von Lachs-Hüten. Aber nie wieder so gehäuft wie vor 40 Jahren. Zuletzt erregt der Schwertwal J27 Blackberry am 25. Oktober 2024 Aufmerksamkeit, als er mit einem Lachs auf seiner Stirn fotografiert wurde. HIER (Öffnet in neuem Fenster) könnt ihr den Bericht zur Sichtung sehen. Spannend ist, dass dieser Orca zu jung ist, um den Trend in den 80er Jahren miterlebt zu haben. Wir sollten also nicht davon ausgehen, dass unsere menschliche Kultur etwas Einzigartiges auf diesem Planeten ist: auch im Ozean kommen die 80er zurück!

2. Orcas leben im Matriachat

Hier sind sie uns weit voraus: Sie leben in Familien, sogenannten Pods zusammen, die sich aus dem leitenden, ältesten Weibchen, ihren Kindern und deren Kälbern zusammensetzt. Die Leitkuh trifft die Entscheidungen und ist für den Jagderfolg und das Überleben ihrer Familie verantwortlich. Paarungen finden immer zwischen verschiedenen Familien statt. In der neuen Dokumentation “Unter Orcas” von Christina Karliczek, die ihr in der ARD Mediathek findet, werden super spannende Beobachten beschrieben, die so aussehen, als hätten zwei Familien über große Entfernungen hinweg ein Date geplant, bei dem es tatsächlich zur Paarung kam.

Ebenfalls spannend an dieser Stelle: Orcas erleben als eine von wenigen Tierarten eine Menopause. Mit etwa 40 Jahren hören sie auf, Junge zu bekommen, leben aber noch bis zu 50 Jahre weiter und führen ihre Familie durch die Meere. Grund hierfür könnte sein, dass die Großmutter ihre Ressourcen nach der Zeit der Fruchtbarkeit darauf verwenden kann, ihr Wissen an ihre Kinder und Enkel weiterzugeben und damit erheblichen Einfluss auf das Überleben ihrer Familie hat.

3. Orcas eat the rich

Mittlerweile kann man nicht mehr von Einzelfällen sprechen: Im Golf von Biskaya kommt es seit 2020 immer wieder zu Zwischenfällen mit Iberischen Orcas, die die Ruder der Segelboote rammen und zerstören. Betroffen sind hierbei vor allem Segelyachten mit einer Länge zwischen 8 und 15m. Theorien für die Gründe gibt es viele: Spielverhalten, Rache nach einer Verletzung durch ein Segelboot, Futterneid und Konflikte mit der Fischerei oder Erkrankungen durch die Anreicherung von Giftstoffen werden immer wieder erwähnt. Und egal, was es ist, das gibt uns ein bisschen “Der Schwarm” - Vibes, oder? Forschende können bisher aber keine Hinweise auf Aggression feststellen, weshalb nicht von Angriffen, sondern von “Interaktionen” gesprochen wird.

Eine zurzeit wahrscheinlichste Theorie ist, dass es sich um Neugierde und Spielverhalten handelt. Die Hauptbeute der dort beheimateten Orca ist der Rote Thunfisch, deren Population sich durch Meeresschutzmaßnahmen in den letzten Jahren erholt hat. Die Orcas finden schneller Nahrung und haben somit einfach mehr Freizeit, können ihre Umwelt mehr erforschen und geben dieses Verhalten auch wieder an ihren Nachwuchs weiter: eine Kultur entsteht.

Wichtig ist nun, dass nicht-invasive Lösungen für solche Interaktionen gefunden werden. Segelnde beginnen leider, mit Gewalt zu antworten und die Tiere zu verletzen. Dass dies keine nachhaltige und sinnvolle Möglichkeit ist, sollte selbstverständlich sein: wir sind Gast im und auf dem Meer und sollten uns auch so verhalten. Denn auch, wenn meine kleine Überschrift hier etwas reißerisch ist: Menschen gehören eindeutig nicht zum Speiseplan des Orcas.

Ein Buch, in dem diese Vorfälle genauer beschrieben und verschiedene Expert*innen zu Wort kommen ist “Das Rätsel der Orcas: Wie Orcas sich das Meer zurückholen. Warum sie Boote angreifen.” von Thomas Käsbohrer. Sollte euch das Thema also interessieren, kann ich es euch als weiterführende Lektüre sehr empfehlen.

4. Orcas töten Haie

Und hier sind wir an dem Punkt, wo sich meine Faszination mit einem “och menno”-Gefühl mischt. Ihr wisst, ich liebe Haie und einzusehen, dass sie nicht die absolute Spitze der Nahrungskette bilden, tut schon ein wenig weh. Ihr denkt jetzt vielleicht, dass so ein Orca sich manchmal einen am Grund liegenden kleinen Katzenhai snackt? Nope, voll daneben.

Südafrika ist bekannt für seine großen Robbenkolonien und somit auch für die Tiere, die sich davon ernähren: Weiße Haie. Doch seit 2017 werden immer wieder zwei männliche Orcas, Starboard und Port (die englischen Begriffe für Steuerbord und Backbord, da ihre Rückenflossen zu jeweils einer Seite gekippt sind) bei der Jagd auf Weiße Haie beobachtet. Außerdem wurden mehrere Kadaver dieser großen Räuber angespült. Denn während ein Hai sein gesamtes Beutetier vertilgen würde, haben es die Schwertwale nur auf eins abgesehen: die fettreiche Leber. Mit chirurgischer Präzision öffnen sie den Hai und entnehmen wirklich nur die Leber! Egal, wie oft ich das lese, sehe oder schreibe: ich finde es immer noch zu krass.



Das Ergebnis der Orca-Aktivitäten ist, dass die Weißen Haie das Gebiet, in dem sie so lange jagten, immer mehr meiden. Das ist für den Tourismus vor Ort ein harter Schlag und somit auch für das Meer selbst: wenn die Menschen vor Ort ihr Einkommen nicht mehr durch das Käfigtauchen mit Weißen Haien generieren können, beginnen sie womöglich wieder vermehrt zu fischen. Und dabei ist es leider oft egal, was in den Netzten landet. Aber wie Tourismus zum Meeresschutz beitragen kann ist ein Thema für einen anderen Meer-Montag.

Die Orcas vor Südafrika haben sich bereits angepasst und jagen nun auch Siebenkiemerhaie. Und sie sind damit nicht allein: auch vor Neuseeland wurde dieses Jagdverhalten gefilmt:

https://www.youtube.com/watch?v=-_gL6xA7Ttw (Öffnet in neuem Fenster)

5. Orcas sind nicht gleich Orcas

Ich habe euch schon von den Lachs jagenden Southern Residents vor Seattle, den Iberischen Orcas nahe der Straße von Gibraltar erzählt, die dem Roten Thunfisch nachjagen und von den wenigen Exemplaren, die sich an Haien probieren. Denn auch, wenn wir allgemein vom Orca sprechen, so hat jede einzelne Population ihre Besonderheiten und sich auf eine Nahrungsquelle und dazu passende Jagdtechniken spezialisiert. Die Orcas in Argentinien stehen auf am Strand liegende Seelöwen und verlassen hierfür sogar kurz das Wasser: sie preschen mit hoher Geschwindigkeit auf den Strand, schnappen sich eine unvorsichtige Robbe und wiggeln sich dann zurück ins Wasser.

Die Orcas in der Antaktis (genannt B1) hingegen haben herausgefunden, wie sie Weddelrobben von ihren Eisschollen herunter bekommen. Sie erzeugen herunterspülende Wellen, die zerbrechen die Scholle Stück für Stück oder ziehen die Robbe an ihren Flossen herunter : je nach Art des Eises haben sie ganz spezielle Strategien. Schaut euch hierfür unbedingt die entsprechende Folge in der Dokumentation “Tiere hautnah” von Bertie Gregory an! Absolut atemberaubend.

Noch werden die einzelnen Populationen nicht als getrennte Arten bezeichnet aber ich könnte mir vorstellen, dass es nicht mehr lang dauert, bis das tatsächlich passiert. Wenn mehr über diese Tiere herausgefunden wird und es sich zeigen sollte, dass sich die Populationen untereinander nicht fortpflanzen können, erleben wir es vermutlich noch, dass sich hier Neuerungen in der Artenbezeichnung ergeben.

Danke, wenn ihr bis hierhin durchgehalten habt! Ich gebe zu, ich bin im absoluten Rabbithole verschwunden und habe etwa fünf Mal so viele Informationen recherchiert, wie ich hier aufschreiben konnte. Also ja, Orcas sind faszinierende, starke und uns so ähnliche Tiere, dass man wohl einfach Fan sein muss. Hinterlasst im Kommentar gern euren Lieblingsfakt über Orcas oder unterstützt uns mit einer Steady Mitgliedschaft, die solche Artikel möglich macht.

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