Logbuch 2025, Teil 4
Eine Woche ist schnell rum, und noch schneller ist vergessen, was in diesen sieben Tagen alles passiert ist. Diese Wochenchronik gibt einen kleinen (subjektiven) Überblick:
Scusi. Eine Woche Pause. Himmeloaschundzwirn, so viel los, man schafft ja nicht mal mehr den Rückblick. Wie immer klammere ich möglichst andere Länder aus, weil allein innerdeutsches Geschehen den Rahmen sprengt. Obwohl wir durchaus so unsere Lehren aus dem derzeit stattfindenden Staatsstreich eines gewählten Präsidenten (Öffnet in neuem Fenster) und des Hitler grüßenden Megalomanen (Öffnet in neuem Fenster) in Übersee lernen könnten. So. Rein ins Gewese.
Die Woche begann stark mit dem Feiertag für Kerzen und Pappschilder in Linsen halten, geschichtskundigen Menschen auch bekannt als Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus. Neu auf dem Menü: Nachdenkliche Gesichtsausdrücke in Auschwitz. Markus Söder hat das Gedenken würdig mit einer ~Ausländer-Raus~-Kachel, Schildkröten und einem herzhaften Biss ins Leberkässemmel abgerundet. Friedrich Merz konnte aus Zeitgründen nicht.

Wie es sich gehört, wurde die anschließende Sitzung mit der Rede eines Holocaust-Überlebenden und einer Gedenkminute eröffnet. Dann hat die Union unter Steigbügelhilfe durch FDP und BSW gemeinsam mit der AfD abgestimmt (Öffnet in neuem Fenster). Damit müsste es eigentlich ein Ausschlussverfahren gegen die gesamte Unionsfraktion (Öffnet in neuem Fenster) geben, geschenkt.

Friedrich Merz hat mit diesem Stunt ziemlich viel erreicht: Die Kirchen finden die Union nicht mehr allzu christlich (Öffnet in neuem Fenster). Angela Merkel hat sich aus dem Ruhestand gemeldet und Fritz mahnend gegens Schienbein getreten (Öffnet in neuem Fenster). Es wurden vier Bundesverdienstkreuze zurückgegeben, eines von einem Holocaustüberlebenden (Öffnet in neuem Fenster). Von denen sprachen sich mehrere (Öffnet in neuem Fenster) gegen Merzs Politik aus. Der Zentralrat der Juden und das Auschwitz-Kommitee (Öffnet in neuem Fenster) sind nicht erfreut. Es gab mehrere Austritte bei den sogenannten Christdemokraten. Michel Friedman ist prominent aus der CDU ausgetreten (Öffnet in neuem Fenster) und sprach sogleich auf einer Großdemo gegen seine ehemalige Partei (Öffnet in neuem Fenster). Insgesamt sind seitdem, je nach Schätzung, mehr als 1,5 Millionen Menschen (Öffnet in neuem Fenster) gegen Rechts, die CDU und Friedrich Merz auf die Straße gegangen.

Ausgerechnet beim nicht rein symbolpolitischen Dammbruch scheitert Merz: Das Zustrombegrenzungsgesetz findet keine Mehrheit (Öffnet in neuem Fenster), obwohl die gesamte AfD-Fraktion dafür stimmt. Die Union allerdings nicht.
Vielleicht war ihnen Fritzs Instrumentalisierung von Aschaffenburg (Öffnet in neuem Fenster) nebst der Lüge über ~täglich stattfindende Gruppenvergewaltigungen aus dem Asylbewerbermilieu~ (Öffnet in neuem Fenster) dann doch zu viel. Fun Fact: Jemand von der AfD ist für die gleiche Behauptung bereits wegen Volksverhetzung verurteilt worden (Öffnet in neuem Fenster). An anderer Stelle nannte Merz Flüchtlinge ~tickende Zeitbomben~ (Öffnet in neuem Fenster), ~einen Schaden am deutschen Volk~ und verglich Migration mit einem Wespennest, das entfernt werden müsse (Öffnet in neuem Fenster). Ähnlich entmenschlichend und potentiell strafbar ist Kollege Söder unterwegs: Er verglich Flüchtlinge mit einer Art Zombies (Öffnet in neuem Fenster) und nannte Aschaffenburg ähnlich schlimm wie den Holocaust (Öffnet in neuem Fenster) – auf einer Holocaust-Gedenkveranstaltung.
Auch strafbar: Die Polizei in Aachen findet dass Nazis fressende Monster einem Aufruf zu einer Straftat gleichkäme (Öffnet in neuem Fenster)n und ermittelt deswegen gegen Kinder und ihr Demoschild. Und ganz gleich wie man das Zentrum für politische Schönheit bewertet – die Polizei Berlin scheint sich im Umgang mit deren Protestbus ~Adenauer~ komplett von rechtsstaatlichen Prinzipien verabschiedet (Öffnet in neuem Fenster) zu haben.

Weitere große und kleine Hallos der Union: Fritze Merz versteht die Aufregung nicht, sagt es habe keine Zusammenarbeit gegeben (Öffnet in neuem Fenster), die eine absolute Ausnahme (Öffnet in neuem Fenster) war und er definitiv noch mal so (Öffnet in neuem Fenster) und auch nach der Wahl machen würde und werde (Öffnet in neuem Fenster). Die Landesverbände von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sind beflügelt (Öffnet in neuem Fenster) und wollen in Zukunft auch Mehrheiten mit der AfD suchen. Thüringens Mettbrötchenspezialist Mario Voigt erklärt die Brandmauer für passé (Öffnet in neuem Fenster). Die CDU hat ihr Parteistatut geändert und die Basis entmachtet (Öffnet in neuem Fenster) – über künftige Koalitionen bestimmt nun nur noch ein kleinerer Kreis. Carsten Linnemann derweil kopiert einen alten AfD-Vorstoß und fordert Strafmündigkeit ab 12 Jahren. (Öffnet in neuem Fenster) Also so, wie es 1943 schon mal eingeführt wurde. Zufälle gibts. Andere nicht näher bekannten Christdemokraten beschweren sich über “Scheiß-Gerichte”.
Italien versuchts mal wieder mit seinen Lagern in Armenien und scheitert, Merz wittert darin seinen Madagaskar-Plan (Öffnet in neuem Fenster). Ein Unionler sagt zu Aschaffenburg: “Man stelle sich mal vor, ein Nazi hätte am hellichten Tag auf ein kleines Kind eingestochen, was glaube Sie was dann los wäre? (Öffnet in neuem Fenster)” – Die Begriffe “Walter Lübcke”, “NSU”, “Halle”, “Hanau, “Solingen” oder “Wehrsportgruppe Hoffmann” fanden wohl nicht in seine Suchzeile. Unionsvize Karin Prien bescheinigt der CDU eine antifaschistische DNA (Öffnet in neuem Fenster) und verbittet sich Nachhilfe. Markus Söder droht den Kirchen (Öffnet in neuem Fenster).
Die großen Demos führen zur konservativen Kernschmelze. Aus Angst vor Bürgis und den Sprüchen auf ihren Pappschildern wird das Konrad-Adenauer-Haus, naja, nicht evakuiert (Öffnet in neuem Fenster), aber die Bild schreibt es so. Ein Berliner Christdemokrat spricht von linksextremistischem Terror (Öffnet in neuem Fenster). In einer Kreisgeschäftsstelle werden Flyer auf den Boden geworfen, sogleich werden Gewalt und Verwüstung beklagt. Reichelts Trümmertruppe nennt Hunderttausende mit Handylichtern gruselig, Dieter Nuhr (Öffnet in neuem Fenster)vergleicht sie mit Nazi-Märschen. Verschiedene kleinere Unionslichter vergleichen die Demonstrant*innen durch die Blume mit der SA (Öffnet in neuem Fenster). Bild und Weld stellen die Frage des Ursprungs und wittern Demogeld – bezahlt durch grüne Ministerien.

Friedrich Merz erfindet kurz mal die Abschaffung von Bundesjugendspielen, dortigen Urkunden und Toren beim Kinderfußball (Öffnet in neuem Fenster), um sich für die Wiedereinführung von allem einzusetzen.
Kulinarisch ging es auch hoch her – Nachdem McDonalds einer der Sponsoren vom CDU-Parteitag war, schalteten sowohl Markus als auch Fritz Werbung für die kultige Burgermanufaktur.

Die Grünen zeigen sich von alledem entweder garnicht oder ziemlich beeindruckt, so klar ist es nicht: Die Parteivorsitzende (Öffnet in neuem Fenster) und der Kanzlerkandidat (Öffnet in neuem Fenster) zeigen sich nach wie vor zu einer Koalition mit der Union bereit (unter Vorbehalt). Annalena Baerbock erklärt Merz, dass ihre GEAS-Reform eigentlich genau so menschenfeindlich ist wie seine Idee vom Zustrombegrenzungsgesetz. Robert Habeck konnte Inspiration aus den großen Themen ziehen (Öffnet in neuem Fenster) und legte einen eigenen 10-Punkte-Plan für achtsameres Abschieben und eine ~Vollstreckungsoffensive~ vor; Bauchschmerzen scheinbar auskuriert (Öffnet in neuem Fenster).
Die FDP hat einen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst: Nicht mit den Grünen! (Öffnet in neuem Fenster) Gemeinsam mit Rechtsextremisten stimmen bereitet der Partei indes weniger Unbehagen (Öffnet in neuem Fenster). Christian Lindner weiß mehr über die Zusammensetzung der Demos – Hunderttausende Antifas und Kommunisten (Öffnet in neuem Fenster) – weniger aber über sein eigenes Abstimmungsverhalten. Und Friedrich Merz sieht die FDP als verschwendete Stimme (Öffnet in neuem Fenster) an und ruft Liberale zur Wahl der Union auf.

Eine einzige Partei will beim Rechtsruck nicht so recht mitmachen – Die Linke. Heidi Reichinnek haut im Bundestag aufs Rednerpult (Öffnet in neuem Fenster) und erklimmt die TikTok-Barrikaden, teils vorbei an der bis hierhin unangefochtenen Reichweite der AfD. An der Berichterstattung über die Linke ändert sich auch etwas: Sie findet nun immerhin statt, auch wenn die Partei eher müde belächelt und ungläubig kleingeschrieben wird (Öffnet in neuem Fenster).
Bild und FAZ graben weiter im Weimarer Wortschatz und stellen mindestens zwei Dolchstöße fest: Die Täter*innen sind abtrünnige FDPler und Merkel.
Alice Wiedel hat ihre Los Wochos: Sie darf sich bei Caren Miosga nicht entzaubern lassen, kriegt ein einfühlsames Porträt im Spiegel, wird nebst ikonographischen Fotos in der Zeit interviewt und bekommt von der ARD noch mehrere kultige Social Media Posts. Die Wahlwerbung wurde nirgendwo als solche gekennzeichnet.

Anstatt des Tatorts gibt es wahlkampfbedingt ein neues Fernsehlagerfeuer, das TV-Duell (Öffnet in neuem Fenster). Merz und Scholz streiten sich um die Frage, wer härter abschiebt und Sozialpolitik krasser kürzen will, Maybrit Illner und Sandra Maischberger sitzen in einem Raum und sind dennoch dieselbe Person, Das Pult stellt sich als die spannendste Persönlichkeit im Studio heraus.
A pro pos Abschiebungen: Hier eine Familientrennung, bei der die Mutter mit Hirntumor alleine in Deutschland bleib (Öffnet in neuem Fenster)t, dort ein suizidaler Flüchtling, der gewaltsam aus der Psychiatrie heraus abgeschoben (Öffnet in neuem Fenster) wird. Soziale Politik für dich!
Ferner liefen: Die Zahl der Femizide im Januar hat sich auf acht erhöht. Auch im Februar wurde bereits eine Frau ermordet (Öffnet in neuem Fenster). Das Verfassungsschutzgutachten zur AfD wurde geleakt (Öffnet in neuem Fenster), die Einordnung könnte nicht rechtsextremistische Teile der Bevölkerung verunsichern. Die Union will 10% Bonus auf die elektronische Patientenakte – wem wurden wohl die Daten verhökert (Öffnet in neuem Fenster)? Porsche hat sich entschlossen, einbrechenden Absatz mit mehr Verbrennern zu kontern (Öffnet in neuem Fenster), Vollgas im Rückwärtsgang. Gute Nachrichten: Die Einschlagswahrscheinlichkeit eines auf die Erde zurasenden Meteors hat sich vergrößert (Öffnet in neuem Fenster)
Das wars.
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