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Grüner streamen

Initiative Think Digital Green gibt      Tipps zum digitalen CO²-Einsparen

Wenn der Bildschirm im Dark Mode schwarz bleibt und der E-Mail-Papierkorb jeden Abend geleert wird, spart das jede Menge CO². Echt jetzt? Ja, sagt Susanne Grohs-von Reichenbach. Die Digitalexpertin aus München ist Geschäftsführer von Think Digital Green und hat mit ihrem Team aus Umweltingenieuren einen Calculator entwickelt, mit dem jeder seinen CO²-Fußabdruck messen kann. Firmenkunden stellt sie das Tool in Seminaren zur Verfügung; für Privatpersonen sucht sie aktuell einen Kooperationspartner, um das Modell kostenfrei anbieten zu können.

Es gibt jede Menge Tipps, wie wir CO2 einsparen können: weniger Fleisch essen, weniger heizen, weniger Auto fahren. Aber auf die Internetnutzung wird selten bis nie geschaut. Das möchtest Du ändern.

Das ist richtig. Wir haben ein Potenzial, das weitgehend unentdeckt ist. Wir machen unnötigen CO²-Verbrauch sichtbar und helfen mit einfachen Tipps, sofort CO²-Ausstoß zu vermeiden.

Fotos: Think Digital Green

Wie verbrauche ich denn im Internet konkret CO²?

Wir brauchen Informationen, um diese Frage gut beantworten zu können. Welche Daten landen auf meinem Endgerät? Das ist unsere Messgröße. Der Weg dahinter von Datenbanken, Servern, Routern kann man anteilig mit Faktoren berechnen, denn die Infrastruktur wird man nie tagesgenau für Endgeräte und Services abbilden können. Deshalb gibt es Wissenschaftler, die für den Datentransfer aus Endgerät einen Schlüssel entwickelt haben, der die üblichen Infrastrukturen und genutzten Geräte anteilig abbildet.

Wenn ein Gigabyte aus meinem Netflix auf mein Handy fließt, verbraucht das eine gewiWenn sse Menge an Energie, denn um Daten zu bewegen, wird Energie benötigt. Der aktuelle Wert für die Bewegung eines Gigabytes sind fast ein Kilowatt, 0,8. Daraus kann ich auf den CO²-Verbrauch rückschließen. Für die Energieerzeugung jeder Nation wurde ebenfalls ein Schlüssel entwickelt. Dieser ist für Deutschland 485g CO². Damit kommen wir auf 390g CO² pro Gigabyte. Ich weiß also, wann immer meine Daten fließen, verbrauche ich CO². Wir als Think Digital Green haben diese Daten auf verschiedene Anwendungen heruntergebrochen und den Fußabdruck ausgerechnet. Wir haben einen Calculator entwickelt, mit dem jeder seinen CO²-Konsum messen kann.

Wir müssen einmal die Problematik aufschlüsseln. Der Konsument ist ja nur ein Teilbereich des Problems, auch die Herstellung und Infrastruktur sind es.

Ja, das ist genau die Situation. Es ist ein komplexes System, die hinter digitalen Geräten steckt. Gleichzeitig ist diese Technologie intransparent für uns. Was passiert auf dem Weg durch die Technologie, wenn ich eine simple Suchanfrage schicke? Das ist nirgends aufgeschlüsselt, und ich brauche schon Fachliteratur, um hier Prozesse zu verstehen. Wir wissen eher, wie ein Fernseher funktioniert, als dass wir wissen, was beim Datentransfer passiert.

Es geht Dir also sowohl darum, das Problembewusstsein überhaupt zu schaffen, als auch konkrete Lösungswege aufzuzeigen.

Genau. Ich wollte zeigen, was mit unseren Daten technisch passiert, wenn wir streamen oder Social Media nutzen. Wir brauchen mehr Transparenz.

Was wir nicht dürfen: Sagen, dass die Menschen etwas aufgeben wollen. Wir als Think Digital Green wollten Verzicht nicht einbeziehen in unser Konzept, denn Verzicht funktioniert nicht. Unser System musste deshalb mehrere Voraussetzungen erfüllen: Es muss einfach sein, kostenfrei, ohne technische Vorkenntnisse funktionieren, für jeden verständlich sein. Und, der wichtigste Punkt: Es muss natürlich CO² einsparen, sonst brauche ich gar nicht erst anzufangen.

Wenn wir nicht verzichten sollen, was machen wir dann?

Der Verzicht war mir von Anfang ein Dorn im Auge, weil ich ein freiheitliebender Mensch bin und es schwierig finde unsinnige Verbote in meinem Leben zu akzeptieren. Der Anreiz war, für alle täglichen elektronischen Anwendungen wie Emails oder Internetrecherche Einstellungen zu finden, die den Energieverbrauch senken und damit das CO². Auf LinkedIn zum Beispiel kann ich Videos anschauen. Um etwas fürs Klima zu tun, kann ich bei dort unter Profil die Funktion Data Saver einstellen. So werden Videos nicht automatisch abgespielt, wenn ich mich im mobilen Datennetz befinde, sondern nur, wenn ich sie anklicke. Bei Facebook und Instagram haben wir diese Einstellungsmöglichkeit auch gefunden.

Aber ich muss sie suchen!

Ja, das ist der springende Punkt. Das muss gesucht, verstanden und selbst eingestellt werden. Ich muss wissen, wo ich suchen muss. Im Moment wird uns Klimaschutz im digitalen Alltag ziemlich schwer gemacht.

Ich frage mich, ob es ganz ohne Verzicht geht.

Auch in unseren Sessions mit unseren Kunden kreisen die Gespräche häufiger um diesen Punkt und ob man es nicht um verändertes Nutzerverhalten gehen sollte. Das macht mich immer glücklich, weil die Menschen selbst in einen Denkprozess kommen, wenn sie sich mit einem achtsamen digitalen Nutzungsverhalten auseinandersetzen.

Welche konkreten Vorschläge macht ihr als Think Digital Green?

Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn wir die Kamera in einem digitalen Jour fix nicht einsetzen, sparen wir bis zu 90 Prozent des CO²-Verbrauchs mit Kamera, weil die mobile Bewegtbilddaten-Übertragung viel Energie verbraucht. Hier einzusparen ist gerade in Unternehmen eine riesige Motivation – und auch, privat weiterzudenken. Manche Menschen sagen zu mir nach der Session, sie hätten die halbe Nacht damit verbracht mehr als 10.000 Emails zu löschen, auch aus dem Papierkorb. Oder jemand sagt, meine Handynutzung hat sich für immer verändert, ich mache den Flugmodus rein, habe den Dark Mode drin, ich schalte es nachts aus, und das tut mir so gut.

Die Anzahl der Emails allein im Business-Bereich erreicht schnell tausende, und oft hängen große Datenvolumina an. Nur weil digital immateriell erscheint, bedeutet es nicht, dass es keinen Fußabdruck hat. Es gibt bereits Firmen, die Clean Up Days machen und nicht mehr benötigte Daten löschen.

Es gibt Wissenschaftler wie Jens Gröger oder Journalist Kirk de Dekker, die sagen, dass es ohne politische Regulierung nicht geht. Wie stehst Du dazu?

Ich sehe, dass die Politik sich hier in den vergangenen Jahren verändert hat. Ich schaue aber auch gerne auf Unternehmen, die schon freiwillig diese Schritte gehen, weil sie diese richtig finden. Da gibt es in Deutschland sehr viele Unternehmen. Auch die Bundesregierung geht hier voran, es gibt eine Corporate Digital Responsibility-Initiative, das finde ich auch großartig. Für die neu zu bauenden Rechenzentren soll es eine Blaue Engel-Zertifizierung geben. Diese zu erlangen ist ziemlich schwierig. Im privaten Bereich sehe ich im Moment wenig Angebote, obwohl es ganz einfach wäre, diese Thematik bekannt zu machen über Social Media.

Wie bist Du überhaupt selbst auf dieses Thema gekommen?

Es gab nicht den Tag X, an dem mir klar war, dass wir dieses Problem haben und ich eine Lösung entwickeln möchte. Ich beschäftige mich seit längerem mit digitalen Kompetenzen, so habe ich mich an die Thematik herangetastet. Eines Tages stolperte ich über einen Artikel, der ungelogen mein Leben verändert hat.

Worum ging es in dem Artikel?

Er deckte schonungslos auf, mit welchem Energiekonsum der digitale Alltag einhergeht. Er hat Serverparks beschrieben, den Energiehunger des Internets, die riesigen Trinkwassermengen, die für das Kühlen von Servern in vielen Ländern notwendig ist. Wenn das so weitergeht, sei die Digitalisierung ein Brandbeschleuniger für die Klima-Krise und nicht die Lösung, die wir uns alle wünschen.

Ich fragte mich: Wer kümmert sich darum, dass die beschriebenen Szenarien nicht eintreten? Ich habe mich auf die Suche gemacht…

… nach Informationen.

Genau. Ich wollte wissen, ob es wirklich so dramatisch ist, was der Artikel beschrieben hat. Er hat noch untertrieben, doch die Vielzahl an Informationen hat mich erst einmal verwirrt. Ich wollte wissen, was hinter meiner spiegelblanken Handydisplay-Oberfläche passiert. Ich habe Informationen gefunden, aber nichts, was wirklich einfach gewesen wäre, und schon gar keine Tipps, was ich selbst tun könnte.

Und das hieß selbst entwickeln.

Ja, genau. Denn auch niemand, den ich gefragt habe, wusste eine Lösung. Teillösungen haben mich nicht zufriedengestellt. Also habe ich mir gesagt: Mach es selbst!

Wie hat sich Dein eigener Alltag durch Think Digital Green verändert?

Anfangs war mein Alltag wegen der fehlenden Transparenz der möglichen CO²-Einsparung kompliziert. Seit wir das Modell haben, wo ganz klar zu erkennen ist, wo welche Handlung was bringt, fühle ich mich sehr optimistisch. Ich arbeite wieder viel lieber digital. Ich war eine Zeitlang verzagt, dass ich mit meinem digitalen Konsum dem Klima schaden zufüge. Jetzt bin ich wieder viel zuversichtlicher, fühle mich Herrin meiner Tastatur und meines Displays. Ich bleibe neugierig, wie ich neue Erkenntnisse gewinnen kann. Beispiel Smart Home: Es kann ja sein, dass ich eine Wohnung miete, in der ich diese Technologie mitmieten muss. Dann will ich wissen, wie ich damit umgehen muss. Die Aufgeschlossenheit ist gewachsen, die Freude am Digitalen ist gestiegen.

Welche Vision hast Du?

Ich habe die Vision, dass es für viele Menschen möglich ist, mit einem digitalen Assistenten durch ihren digitalen Alltag zu gehen und zu sehen, wo sie CO² einsparen können.

Mehr über die Hintergründe erfahren?

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