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Herrenhemd 2.0

Katharina Funke-Braun steht mit Limo Wardrobe für zeitlos schicke Damenmode

Die Pandemie hat Dr. Katharina Funke-Braun gut genutzt - und ist zuversichtlich. „Seit September weiß ich, dass mein Geschäftsmodell funktioniert“, sagt die 39-Jährige. „Ich bin positiv gestimmt.“ Im vergangenen Jahr hat die gebürtige Österreicherin mit dem sanften Wiener Sing-Sang in Kronberg im Taunus ihr eigenes Modelabel gegründet und schneidert seitdem aus neuwertigen, aussortierten Herrenhemden zeitlos tragbare, klassisch elegante Damenmode. Limo Wardrobe hat sie ihr Startup genannt. Limo. Less-is-more.

Mit ihrem Business bedient Katharina Funke-Braun ein Segment auf dem Modemarkt, das stark im Wachsen ist und langsam seinen Öko-Touch verliert: Umweltbewusste Konsumenten wollen nicht mehr nur bequeme, stylische und stilvolle Mode. Sie soll auch nachhaltig, ressourcenschonend und langlebig sein. Slow Fashion statt Fast Fashion.

Fotos: Katharina Funke-Braun

Werte, die bis vor wenigen Jahrzehnten bei Kleidung selbstverständlich waren. Doch in Zeiten von Billigproduktion in Osteuropa und Asien, von Allverfügbarkeit und Allerersetzbarkeit schienen diese völlig verloren gegangen. Kleider sind heute für den Kunden häufig Wegwerfware. Mehr noch: „Viele große Unternehmen produzieren heute so viel Überschuss, dass sie ihre Ware verbrennen, um nicht zu viel Kleidung auf den Markt zu werfen“, sagt Katharina Funke-Braun.

Das muss man sich einmal überlegen: In Bangladesch brennt eine Textilfirma ab, weil Sicherheit und Arbeitsbedingungen so miserabel sind, in Deutschland brennt die Kleidung, die in diesen Fabriken produziert worden ist. Im Modemarkt hat das lange niemanden gestört, Hersteller nicht, Kunden nicht. Man hat sich daran gewöhnt, dass mehrmals pro Jahr in Farbe und Stil aufeinander abgestimmte Kollektionen kaufbar sind, Rabattaktionen sollen die Kauflust anreizen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Was nicht in kurzer Zeit verkauft werde, sei nicht mehr verkäuflich, sagt Katharina Funke-Braun.

Laut einer repräsentativen Umfrage von Greenpeace aus dem Jahr 2015 besitzt jeder Deutsche im Schnitt 95 Kleidungsstücke, ohne Unterwäsche und Socken, pro Jahr kommen 60 hinzu, ebenso viele werden weggeworfen. Die Umweltorganisation schätzt, dass pro Jahr etwa 1,3 Millionen Tonnen Kleidungsstücke im Müll landen; in Deutschland wird nur etwa ein Viertel der aussortierten Kleidungsstücke recycelt. Anderen Schätzungen zufolge hat sich der Konsum an Kleidung in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren auf rund 100 Milliarden neu gekaufter Stücke verdoppelt, die Qualität der Hemden, Hosen und Kleider ist wegen billiger Stoffe oder Kunstfasern oft minderwertig.

Hier gegenzusteuern ist das Ziel mehrerer jüngerer Startups in der Modebranche. Mit ihrer Idee zu mehr Nachhaltigkeit ist Katharina Funke-Braun nicht allein auf dem Markt. Gut so, findet sie. „Je mehr wir sind, desto besser. Nur so wird awareness für diese Themen geschaffen und kann sich ein Markt und damit eine Nachfrage etablieren.“

Die Startups setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Die einen upcyceln gebrauchte Jeans, andere legen Wert auf „grüne“ Materialien oder nähen aus Stoffen, die ursprünglich nicht für Kleidung gedacht waren. Dritte setzen auf fair produzierte Mode. Mit Limo Wardrobe geht Katharina Funke-Braun einen eigenen Weg. Sie hat sich für Upcycling aus neuen, ungetragenen Herrenhemden entschieden, die für den Markt untauglich sind wegen Überproduktion oder kleiner Fehler. Daraus schneidert sie Einzelstücke für Damen. Röcke, Blusen, Kleider. Sie näht alles selbst.

Die Hemden bekommt sie auf Verhandlungsbasis von namhaften Herstellern, die ihre Überschüsse zum Beispiel auch an caritative Einrichtungen spenden. Die gelernte Damenschneiderin ist im Hinblick auf Farbe und Stoff wählerisch, aber nur in ganz engem Rahmen. Die verfügbare Stückzahl darf nicht zu gering sein, denn Unikate fertigt sie nicht. Große Größen sind gut, denn für höhere Konfektionsgrößen braucht es mehr Stoff. „Der kreative Prozess beginnt mit der Auswahl, weil ich aus dem Vorhandenen etwas erschaffen muss.“

In 2020 hat Katharina Funke-Braun gegründet, und das wäre im Film oder Buch eine wunderbare Stelle für den Durchbruch. Das wahre Leben sieht ein wenig anders aus. Obwohl die 39-Jährige in ihrem Berufsleben zahlreiche Startups begleitet hat und weiß, dass im ersten halben Jahr durchaus auch wenig bis nichts passieren kann, war sie doch nicht begeistert, dass es bei ihr ganz genauso ist. Im Online-Shop herrschte erst einmal tote Hose, eine schwierige Erfahrung.

Denn Erfahrung hat die Gründerin eigentlich genug. Ihr Händchen fürs Kreative hat sie bereits zu Schulzeiten professionalisiert, auf der ModeDesignKunst Herbststraße, der Höheren Bundesanstalt für Mode und Design in Wien. Schüler lernen dort parallel zum Gymnasialunterricht einen Handwerksberuf, in Katharina Funke-Brauns Fall: Damenschneiderei. Die wirtschaftliche Seite hat sie an der Uni Wien studiert, bis hin zur Promotion in Entrepreneurship und Innovation. Entrepreneurship: Unternehmertum und Gründergeist.

Bis 2013 arbeitete sie in der Metropole Wien, dann zog sie der Liebe wegen in die Metropolregion Rhein-Main-Gebiet. Taunus statt Prater. Dort ergibt sich bald die Chance den Unibator der Goethe-Universität Frankfurt zu leiten. Studentische Gründer bringen hier ihre Startup-Idee unter wissenschaftlicher Begleitung und Anleitung zur Marktreife. Katharina Funke-Braun hat etwa 20 bis 25 Startups wachsen sehen. Etwa ein Drittel der Firmen gebe es immer noch, schätzt die 39-Jährige. „Es kam kein Einhorn heraus, aber durchaus einige mittelständische Unternehmen.“ Parallel lehrt sie an der Universität Business Modelling, Kundenentwicklung und Marktanalyse.

So hätte es weitergehen können. Doch dann wird Katharina Funke-Braun schwanger. Die Leitung des Unibators „war eine schöne Position, die mir die nötige Flexibilität geboten hat, die ich der Kinder wegen gebraucht habe“. Doch das vierte Kind ist, erzählt die 39-Jährige, offenbar zu viel des Guten für manchen Kollegen. Man habe laut gezweifelt, ob sie den Job auch mit vier Kindern noch packe. „Wenn ich es mit drei Kindern packe, warum soll ich es dann mit vier Kindern nicht packen?“

Für eine Mutter, die es gewohnt ist berufstätig zu sein, eine rhetorische Frage. Nicht aber für Kollegen und Mitarbeiter. In dieser Situation entscheidet Katharina Funke-Braun, dass sie ihren Job gar nicht mehr packen will und die Startup-Szene trotz aller netter Kontakte und Netzwerkmöglichkeiten „auch nicht so meins ist“. Sie will etwas Eigenes, Neues, und besinnt sie sich auf Werte, die schon in ihrem Elternhaus wichtig waren: Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, Recycling, Upcycling. Nur, was könnte sie machen?

Die Frage klärt sich bald von selbst. Als Katharina Funke-Braun vor einer Hochzeit ihr Outfit überlegt und einen ganzen Kleiderschrank voll nichts zum Anziehen hat, näht sie sich kurzerhand aus einem abgelegten Hemd ihres Mannes ein neues Kleid. Die Geburtsstunde von Limo Wardrobe.

„Ich habe bestimmt ein halbes Jahr lang vor mich hingenäht und ausprobiert, die ersten Kleidungsstücke verschenkt und dann den Online-Shop eröffnet.“

Schnell merkt sie, dass sie trotz guter Vernetzung auch in den sozialen Medien einen langen Atem braucht, und dass der Online-Shop allein nicht unbedingt ausreicht. Werden die Innenstädte auch immer wieder für tot erklärt: „Ohne Laufkundschaft funktioniert ein neues Modegeschäft nicht.“ Online kaufe man gerne bei Labels, die man kenne, bei denen man wisse, in welche Größe man passe. Bei neuen sehe das anders aus. Einen dreistelligen Betrag auszugeben, wie in Katharina Funke-Braun für die mehrtägige Arbeitszeit ansetzt, fällt mancher Kundin schwer, auch wenn Retouren möglich sind. „Preise festzulegen fand ich schwierig“, sagt die Gründerin. „Letztlich muss man ausprobieren, was Kunden zu zahlen bereit sind.“

Im September hat die Gründerin deshalb erstmals einen Pop-Up-Store in ihrer Heimatstadt Kronberg eröffnet, der sehr gut gelaufen sei. Für einen dauerhaften Store sei das Taunusstädtchen zu klein, doch Pop-Ups könnten eine Lösung sein. „Ich weiß jetzt, dass mein Geschäftsmodell groß und klein funktioniert. Es ist skalierbar“, sagt Katharina Funke-Braun. "Das oberste Ziel ist es, eine Arbeit zu haben, die mich erfüllt. Denn ich kann ungleich mehr Energie freisetzen, wenn ich eine Arbeit mache, die mir Spaß macht.“