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#Ich (Teil 1)

Ich bin Stefan Glotzenburg. Ich schlendere in meinem nicen Dufflecoat über die Straße. Der Mantel ist eigentlich etwas zu lang für meine Körpergröße, aber das ist mir egal. Die anderen tragen den auch. Ich bin cool. Ich bin wichtig. Ich bin so wie die anderen.

Zum Mittagessen bin ich mit einem Typen aus der Personalabteilung verabredet. Dem Kollegen, den ich eigentlich viel sympathischer finde, habe ich deshalb spontan abgesagt. Wir gehen in dieses hippe Restaurant, wo das Essen zwar überteuert ist aber richtig schick aussieht. Ich lade nämlich eigentlich schon täglich ein Foto von meinem Essen bei Instagram hoch und verlinke, wenn das irgendwie vorteilhaft für mich sein könnte, auch die Person mit der ich gerade zusammen bin.

Natürlich hab ich mich auch heute Morgen schon im Fahrstuhl fotografiert und das Selfie bei Insta hochgeladen. Man kann dort sehen, dass ich trotz Corona im Büro bin. Weil ich so wichtig bin. Schon 45 Likes. Manchmal mach ich meine berühmten Fahrstuhlfotos auch in schwarz weiß, da wirke ich dann irgendwie verletzlicher. Und auch irgendwo künstlerisch.

Überhaupt finde ich meinen Instagram Account ziemlich gelungen. Ich lade da oft so Kochvideos von mir hoch wo ich vermeintlich wahllos die einzelnen Zutaten zerhacke, lieblos in die Pfanne schmeiße und am Ende- für den Zuschauer dann natürlich völlig überraschend- ein ziemlich geil aussehendes Gericht bei rauskommt. Da schreib ich dann „#foodporn“ runter. Oder manchmal „#picoftheday“, das sehen dann noch mehr Leute. Mein Profil ist natürlich öffentlich, wegen der Likes. Nachmittags fotografier ich gern meine Tasse Kaffe Crema, den ich wie jeder, der was auf sich hält, schwarz trinke, obwohl er mir mit Milch viel besser schmeckt. Dafür benutz ich dann meistens den Hashtag „workworkwork“, damit dann auch wirklich jeder rafft, dass ich im Büro und wahnsinnig wichtig bin.

Privat film ich mich auch ab und an beim Bahnfahren, also eigentlich nur meinen Fuß wie er in nem angesagten Freizeitschuh zu irgendnem coolen Song wippt, den ich auf das Bild lege. Daran sehen meine Follower dann, dass ich nen guten Musikgeschmack habe und immer auf Achse bin, trotz Reisebeschränkungen. Das wirkt irgendwie lässig und anarchisch zugleich, finde ich.

Sonst schipper ich gern in meinem Segelboot über den Wannsee und nehm irgendwen von der Arbeit mit, der in der Hierarchie über mir steht. Das bondet irgendwie und außerdem kann der dann Fotos von mir machen. Wenn ich so in Streifenshirt und Timbaland Bootsschuhen mit Emaillebecher in die Weite schaue, wirkt es so, als würde ich den Kameramann gar nicht bemerken und über irgendwas schlaues nachdenken. Meist krieg ich es irgendwie hin, dass die Person, die das Foto geschossen hat, es auch bei Instagram postet und mich verlinkt. Das wirkt dann einfach cooler.

Heute Abend habe ich ein Date mit so ner Truller aus dem Internet. Ich weiß jetzt schon was ich anziehe. Auf jeden Fall meinen neuen Rucksack, der keinen Reißverschluss hat, sondern den man oben so einrollen muss. Ist zwar ziemlich umständlich aber sieht einfach nice aus. Den tragen irgendwie alle im Prenzlauer Berg. Vielleicht cruise ich mit meinem Singlespeed Urban Bike hin, ist zwar ultra anstrengend aber sieht halt auch echt cool aus. Bei unserem Becher Cookie Dough werde ich versuchen, möglichst viele Anglizismen in die Unterhaltung einfließen zu lassen. Ich hoffe, sie wird sich dann irgendwann so durchs Haar fahren oder wie das heißt. In einem Pick-Up-Artist- Tutorial habe ich jedenfalls gelernt, dass das ein gutes Zeichen ist. Wenn alles gut läuft kann ich sie vielleicht noch auf eine Litschi-Bionade bei mir zu Hause einladen und sie mit meiner hippen Einrichtung beeindrucken. Ich hab so eine Monstera- Pflanze, die vor kurzem ziemlich in war, und ein paar James- Eames- Imitate. Ich schätze, spätestens mit meinem Bad wo ich so alte Mateteeflaschen zum Seifenspender umfunktioniert habe, kann ich sie überzeugen. Darauf könnte ich mir dann echt viel einbilden und gegenüber meinen Freunden ziemlich eindeutige Andeutungen machen, damit sie sehen, was für ein schlimmer Finger ich bin.

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