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Kapitel 3: Der gelöste Knoten

Gartenschlauch liegt ohne Anschluss im Kreis aufgewickelt im Gras. Das Bild wurde von einer KI generiert.

Auch die KI stand auf dem Schlauch als ich sie gebeten habe einen Schlauch mit einem Knoten drin zu generieren ;-)

Hallo alle zusammen 👋,

dies ist Teil 3 der Newsletter-Serie. Ostereier kann man sie nun schon gar nicht mehr nennen. Sagen wir ab jetzt, es sind die letzten Meter auf dem Weg zu Staffel III. 

Heute: Der gelöste Knoten

In diesem Newsletter erfährst du, wie ich plane zukünftig an tolle Geschichten zu kommen. Und das, wie sollte es anders sein, anhand einer Geschichte.

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Viel Spaß beim Lesen, hören und teilen.

Beste Grüße

Bastian

Der Knoten 

Nicht nur, wer im Sommer einen Garten bewässern muss, kennt das Phänomen: Dass man auf dem Schlauch steht, merkt man erst, wenn nichts mehr läuft. Dann hilft zumeist ein kluger Spruch von der Nachbarin, um zu merken, dass man selbst der Knoten ist, der gelöst werden muss. 

So auch in diesem Fall. Aber von vorne. 

Von interessanten Menschen zu faszinierenden Geschichten

Das neue, geschichtsorientierte Format bringt einige Änderungen in der Herangehensweise mit sich. Während ich bisher nach interessanten Menschen Ausschau gehalten habe, suche ich nun nach interessanten Geschichten. Klingt nach einem kleinen Unterschied, ist aber durchaus etwas anderes.

Ein Beispiel:

In der Vergangenheit war eine Person für mich interessant, weil sie einen spannenden und außergewöhnlichen Beruf ausgeübt hat oder etwas konnte, was sonst keiner kann.

Fragt man beispielsweise eine weltbekannte Tänzerin, wie sie so bekannt geworden ist, kann es sein, dass sie einfach sagt: Durch Übung. So mittel-spannend. In der Vergangenheit hätte ich dann einfach in andere Richtungen gefragt: Wie ist es, an der Staatsoper zu arbeiten? Wie läuft dein Tag ab? Und so weiter… All das sind Fakten, die ich abfrage, um ein tieferes Verständnis vom Beruf der Person zu bekommen und sie dabei etwas besser kennenzulernen. Dabei entsteht ein schönes Gespräch, aber häufig auch längere Strecken, die vielleicht nicht so erkenntnisreich sind. 

Von der Dunkelheit ins Licht und wieder zurück

Für die dritte Staffel suche ich anders.

Um beim Aufhänger „Tanz“ zu bleiben. Ich suche nicht nach der berühmten Tänzerin, sondern nach einer interessanten Geschichte, die z.B. mit Tanz in Berührung kommt. 

Denn es kann es sein, dass sich hinter einem durchschnittlichen Tänzer, der erst seit zwei Jahren einen Standard-Tanzkurs belegt, eine völlig faszinierende Geschichte versteckt. 

Zum Beispiel Viktor. Viktor ist 34 Jahre alt und aufgrund einer Fehlentwicklung in den Augen blind zur Welt gekommen. Seine Augen waren beinahe vollständig eingetrübt. Nur durch zwei kleine Löcher im linken Auge konnte er schemenhaft Farben und wenige Konturen erkennen. Sein Leben lang hat er versucht, Hilfe zu bekommen – vergeblich. 

So muss laut KI Viktors Blick auf seinen Spiegel ausgesehen haben

Vor zwei Jahren, mit 32 Jahren, dann die unerwartete Nachricht. Aufgrund neuer medizinischer Verfahren könne er mit einer nur wenige Minuten dauernden Laser-OP sein Augenlicht gewinnen. Er brauchte nicht überredet zu werden. Wenige Tage später fuhr er nach Amsterdam in eine Spezialklinik und legte sich auf die Behandlungsliege. Was hatte er schon zu verlieren?

Schon eine halbe Stunde nach der OP durfte er die Augenklappe abnehmen und konnte erstmals in seinem Leben die untergehende Nachmittagssonne sehen. Mehr noch als die Sonne faszinierte ihn der Spiegel im Wohnungsflur. Schon oft hatten ihn Freunde darauf angesprochen. In erster Linie fragten sie, wofür er den habe. Immer wieder fiel aber auch der Hinweis, dass der Spiegel außerordentlich staubig sei. Er sah es nicht, also störte es ihn auch nicht. Nun stand er da – zu Hause vor dem Spiegel, betrachtete sich das erste Mal in seinem Leben mit klaren Augen und inspizierte dabei jedes Staubkorn minutenlang. 

So stellt sich Dall-E Viktors Blick aus dem Klinikfenster vor

Als er nur wenige Wochen später zum ersten Mal beim Tanzkurs erschien, wollte ihm keiner glauben, dass er noch nie getanzt habe. Denn seine Bewegungen waren vom ersten Augenblick an weich, geschmeidig, einfühlsam. 

Seine Trainerin und Tanzpartnerin sagte: „Er war unheimlich sensibel und mit den Tönen der Musik verbunden, so etwas habe ich vorher noch nie gesehen.“ Sie stellten fest: Das Audiovisuelle, insbesondere die Musik, war bisher sein Ventil, die Welt wahrzunehmen. Daher fällt es ihm jetzt leicht, diese Wahrnehmungen in seinen Körper aufzunehmen und in Bewegungen umzuwandeln.  

Viktor sagt, dass ihm die Ärzte ein neues Leben geschenkt haben. Ein Leben ohne Diskriminierung, ohne den täglichen Kampf am Bahnhof den richtigen Zug zu finden. Ohne Menschen, die sich im Restaurant ungefragt zu ihm an den Tisch setzen und ihre Lebensgeschichte erzählen, weil sie die mal loswerden mussten und er sie ja schließlich nicht sehe. Alles Dinge, die ihm regelmäßig passiert sind. Davon erlöst zu sein, dafür ist er unheimlich dankbar. Gleichzeitig trauert er um sein Hörvermögen. Er merkt, dass er ungenauer wird, dass er Dinge nicht mehr so klar hören kann wie früher. So dankbar er um das Sehen, das Tanzen und sein neues Leben ist, es gibt Dinge, die er vermisst. Auch eine OP kann schöne Momente aus 32 Jahren Lebenszeit nicht ungeschehen machen. 

Heute, zwei Jahre später, sind Viktor und seine Tanzpartnerin ein Paar und gehen zusammen auf Tanzwettbewerbe. 

Merkt ihr den Unterschied? 

Viktors Geschichte ist eine gute Tanz-Geschichte. 
Zugegeben, Viktor habe ich mich ausgedacht. Um einen Punkt zu machen. 

Und ich hoffe, ich konnte ihn machen: Eine gute Geschichte braucht keine berühmten Menschen, es braucht Momente der Veränderung. Es braucht Ereignisse, über die wir nachdenken und die wir reflektieren können – es braucht Höhen und Tiefen. 

Woran es bei mir hakt

Wer mich persönlich kennt, der weiß, dass ich sehr viel reden kann. Während der Schulzeit sagte man mir nach, ich wäre „geborener Entertainer“. Oder auch negativer ausgedrückt: Wenn ich in einem Raum wäre, würde man das hören. Und da ist sicher auch was dran. 

Allerdings stimmt das nur bedingt. In dem Moment, in dem ich in einem Raum keine Person kenne, bin ich still wie ein Mäuschen. Der erste Kontakt bildet für mich eine riesige Hürde. Danach ist es einfach. So geht es mir auch bei Interviewanfragen. Während ich in der ersten Staffel beinahe alle Menschen persönlich kannte, ist das jetzt nicht mehr so. Jede Anfrage, die ich stelle, geht raus an Unbekannte. Das kostet mich viel Überwindung und vor allem viel Zeit. Bevor ich eine Anfrage rausschicke, recherchiere ich stundenlang, mache mir Mut, schreibe ewig lange E-Mails, um mein Gegenüber, vor allem aber um mich selbst zu überzeugen. Und natürlich, um den Moment des Mailversands so weit wie möglich hinauszuzögern.

In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich daher unheimlich viel Zeit damit verbracht, gute Geschichte zu suchen. Denn wie ihr euch vorstellen könnt, ist die Suche nach einer schönen Geschichte auch ohne Startschwierigkeiten anspruchsvoller als die nach bekannten Persönlichkeiten. Was also tun?

Wie ich zukünftig auf Ideen komme?  

Neben vier bereits begonnenen Geschichten für diese Staffel, bin ich auf 2-3 interessante Ergebnisse aus meiner direkten Umgebung gekommen, die passen jedoch nicht so recht zum Format. Alle sonstigen Anfragen, die ich bisher gestellt habe, sind ins Leere gelaufen.  

Nach wochenlanger Recherche habe ich meinen Freund und Fotografie-Kollegen Felix Adam (hier sein Interview aus Staffel 1 (Öffnet in neuem Fenster)) angerufen und um ein Treffen gebeten. Ich müsse meinen eigenen Such-Algorithmus ändern. Wie sucht man nach Geschichten? Wie finde ich eine Geschichte über eine tolle wissenschaftliche Erkenntnis? Wo finde ich eine Geschichte, die mit einem Clown zu tun hat? (Schon seit der ersten Staffel möchte ich eine Audiogeschichte über Clowns oder Zauberei machen)

Seine Antwort: „Frag Menschen. Du brauchst kein großes Team, das dir bei der Produktion hilft, wenn du Menschen hast, die dir die Geschichten vermitteln können. Dann ist dein größter Painpoint Geschichte.“ 

Ein kluger Satz, hatte ich ja auch schon länger überlegt, wie ich das Team vergrößern könnte, um selbst mehr Zeit für die Produktion der Folgen zu haben. 

So ist aus diesem Gedanken etwas völlig Neues entstanden. 

Vom gemeinsamen Hören zum gemeinsamen Machen 

Ich fragte Felix, wen ich denn fragen solle. Wäre es so einfach, hätte ich es ja schon längst gemacht. Wichtig sei, dass Menschen verstehen, was eine Geschichte braucht, um gut zu sein. Denn wie eingangs erwähnt, eine Geschichte ist eben kein Thema oder kein Beruf. 

Er fragte mich, wer das Konzept von viel schönes dabei am besten kennen würde und ob ich diese Personen bereits gefragt hätte. Klar, er sei ja auch einer davon. Und in diesem Moment fiel bei mir der Groschen. Niemand kennt das Projekt besser als ihr, ihr Supporter:innen und Newsletter-Lesende. Ihr seid das Rückgrat des Podcasts, diejenigen, die viel hören und sich immer wieder mit mir und miteinander austauschen. Und diejenigen, die an neuen Geschichten interessiert sind.

Warum also nicht euch fragen und euch zu einer mitgestaltenden "Redaktion" machen? 

Sicher habt ihr auf der Startseite schon den Button „Schick uns deine Themenidee“ gesehen. Das war ein erster Schritt im Januar, ohne, dass ich jemals über all das hier nachgedacht hatte. Nun heißt es dort „Schick mir deine Geschichte“. 

Und es muss auch gar nicht eure persönliche Geschichte sein. Vielleicht hat euer Onkel, die Schwiegermutter oder ein entfernter Verwandter etwas erlebt, dass unbedingt erzählt werden sollte. Eine unglaubliche Geschichte, etwas, von dem wir alle etwas lernen könnten oder eine kurze Anekdote aus der Wissenschaft. 

In diesen Podcast passen alle Geschichten rund um unsere Gesellschaft und die Wissenschaft. Und weil es alleine häufig schwierig ist, zu erfassen, welche Geschichten gut sind und wie sie funktionieren, möchte ich einen gemeinsamen „Redaktionsabend“ mit euch ins Leben rufen. Alle interessierten können zusammen kommen und wie sonst in Nachbesprechungen über zukünftige Geschichten sprechen. Erfahrungsgemäß (ich bin ja beruflich als Kurator unterwegs) kommt man vom Hölzchen aufs Stöckchen und so gemeinsam auf tolle Ideen. Ihr könnt die Redaktion sein und die neuen Themen mit vorschlagen.

Einen ersten Termin möchte ich für

Dienstag, den 16.5.
um 21.00 Uhr
bei Zoom

ansetzen. Wer also von euch Lust und Zeit hat, mit zu überlegen, der kann mitmachen. Einfach unten auf den Button klicken und mir kurz Bescheid geben, dass ihr dabei seid! 

Und als kleine Wiedergutmachung für die ausgedachte Geschichte von Viktor: Sie basiert auf zwei echten Geschichten. Zum einen auf der Geschichte von Bertan Selim, einem Kurator, den ich vor zwei Jahren einmal interviewen durfte (Öffnet in neuem Fenster). Zum Anderen auf dieser Geschichte von This American Life aus dem vergangenen Jahr.  (Öffnet in neuem Fenster)

VISUAL MINDS Podcast – What’s it like to see, Bertan Selim?

https://www.hamburgportfolioreview.de/visualminds/episode/270bf611/whats-it-like-to-see-bertan-selim (Öffnet in neuem Fenster)

The Possum Experiment - Act 1 – Now you see me

https://www.thisamericanlife.org/775/the-possum-experiment (Öffnet in neuem Fenster)

Viel Spaß beim Hören und bis zum nächsten Mal.

Euer

Bastian

Kategorie Goodies

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