Zum Hauptinhalt springen

Messer-Anschlag auf Extremist Stürzenberger in Mannheim

Der islamfeindliche, politische Aktivist Michael Stürzenberger und sein Team sind in Mannheim von einem jungen Mann mit einem Messer angegriffen worden. Mehrere Personen wurden verletzt.
Aufgrund der populistischen Instrumentalisierung – vor allem auf X – habe ich mich entschieden, mich dazu zu äußern.

Zur Person

Michael Stürzenberger ist u.a. ehemaliger Pressesprecher der CSU München und ehemalig Mitglied der rechten Kleinpartei Die Freiheit.

Stürzenberger hat offensichtlich einen Weg gefunden, durch „Islamkritik“ seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Er kritisiert vor allem auf kleinen Kundgebungen ausdrücklich den Islam, nicht den Islamismus. Ich hatte bereits das zweifelhafte Vergnügen, mir eine solche Kundgebung anzugucken.
Zudem produziert er Videos, schreib häufig für den rechtsextremistischen Blog „Politically Incorrect“ (PI-News) und war bei PEGIDA aktiv.

Er ist wegen Beleidigung eines Polizeibeamten, Verhetzung und Herabwürdigung vorbestraft.
Der bayrische Verfassungsschutz hat Stürzenberger wiederholt im Jahresbericht erwähnt. Er ordnete ihn allerdings als „neuen Extremismus“ ein. Das deckt sich mit meiner Einschätzung, da Stürzenberger im Grunde wenig bis nichts Rechtsextremistisches abseits der Islamfeindlichkeit vertritt.

Stürzenberger wurde mehrfach bedroht. Es ist zu erwarten, dass so jemand sich zum Ziel von Linksextremisten und Islamisten macht. Wobei erstere statistisch signifikant seltener dazu neigen, in einem solchen Kontext Personen anzugreifen.

Das Attentat

Das Nachfolgende ist innerhalb von etwa 25 Sekunden passiert.

Das Team von Stürzenberger hatte sich auf dem Marktplatz in Mannheim positioniert und war dabei, die üblichen Infostände und Schautafeln vor einem Transporter aufzubauen. Das übliche Setting.
Da das ganze live gestreamt oder zumindest aufgezeichnet wurde, war unter den Helfern einer mit einer Kamera unterwegs.

Von einer unbeobachteten Seite näherte sich ein junger Mann mit Brille und Vollbart und Griff Stürzenberger an, dabei gingen beide zu Boden.
Drei Helfer bzw. Umstehende kamen unmittelbar zur Hilfe, der Kameramann eilte hinzu.

Die Helfer registrierten offenbar da erst, dass der Angreifer mit einem großen „Combat“-Messer bewaffnet war und wichen wieder zurück.
Beide kamen wieder auf die Beine, worauf hin der Angreifer sich zunächst die anderen mit Messerschwüngen vom Leib hielt und erneut auf Stürzenberger zu rannte.
Beide gingen erneut zu Boden, währenddessen stach der Angreifer mehrfach vehement und deutlich zum Kopf zielend auf Stürzenberger ein.

Drei Passanten oder Helfer aus dem Team überwältigten an der Stelle bereits den Angreifer.
Außerhalb der Kamera waren sofort mehrere Polizisten hinzugeeilt. Ab da hört man, dass eine Polizistin begann, kontinuierlich „Messer weg“ zu schreien. (Später kurz auch ein Polizist.)

Ein Polizist riss einen der Helfer daraufhin zu Boden und kniete sich auf ihn, um Ihn zu fixieren.
Der Angreifer ist dadurch wieder auf die Beine gekommen, schwang erneut nach anderen um sich Raum zu verschaffen, und Griff daraufhin den Polizisten von hinten an, der auf dem Helfer kniete. (Titelbild) Er stach zweimal Richtung Hinterkopf zu. Der Polizist bemerkte den Angriff erst nach dem ersten Stich und rollte sich dann ab.

Ein weiterer Beamter kam von der anderen Seite, hatte freies Schussfeld und gab einen Schuss ab, der den Angreifer in den Bauch traf. Dieser ging daraufhin zu Boden.

Interpretation

Den Angreifer würde ich dem Augenschein nach eher einem islamistischen als dem linksextremistischen Umfeld zuordnen. Informationen dazu werden sicher veröffentlicht werden.

Nach meiner Einschätzung waren die meisten Polizeibeamten heillos überfordert. Was mich ganz persönlich sehr erschreckt hat.

Nach meiner Einschätzung sind drei massive Fehler gemacht worden.

Zum ersten hat der Polizist, der den Helfer umgerissen hat, die Lage nicht übersehen können.
Ich habe gelernt und gelehrt: wer die Lage nicht versteht, sollte höchstens passiv handeln. Sonst passieren eben solche Fehler.
Dass die Polizistin bereits vorher „Messer weg“ gerufen hat zeigt, dass sehr wohl erkannt wurde, dass es sich um einen Messerangriff handelt. Und somit auch, wer das Messer hat.
Diesen Fehler hätte der Polizist leicht mit seinem eigenen Leben bezahlen können. An den Aufnahmen ist auch zu sehen, dass er sofort unter Schock stand. Seine Kollegen waren nicht in der Lage, ihn dazu zu bewegen, sich hinzusetzen.

Edit, 01.06.24, 07:30h: In einem nun aufgetauchten zweiten Video ist zu sehen, dass der Helfer in der blauen Jacke nicht den Angreifer fixiert hat, sondern massiv auf den Helfer in der schwarzen Jacke mit hellgrauer Hose eindrosch, der seinerseits den Attentäter fixierte. Er hat also ebenfalls eine Fehlentscheidung getroffen.
Das Handeln des Polizisten, den Helfer umzureißen, bleibt eine Fehlentscheidung. Wird dadurch aber nachvollziehbar und hatte einen erklärbaren Auslöser.

Der zweite Punkt ist die Beamtin, die ständig „Messer weg“ geschrien hat.
Ich weiß, dass dieses laute und aggressive Anrufen bei vielen Polizeieinheiten gelehrt wird. Dadurch soll der psychische Druck auf einen möglichen Angreifer aufgebaut werden, so dass er beispielsweise starr wird oder tatsächlich ad hoc eine Waffe fallen lässt. Ich selber lehne das ab, da es für alle den Stress erhöht. Es kann eine solche unübersichtliche Situation entgleiten lassen.

Ich traue mir da aber keine abschließende Beurteilung zu. Da ich ehemaliger Soldat bin. Und das Ziel eines Soldaten ist ein anderes, als das eines Polizisten. Die Ausbildung ist eine andere.
Beispielsweise hätte ich zumindest Double Tap gefeuert, also zweimal schnell hintereinander. Oder vielleicht sogar das Magazin entleert. Alleine aufgrund des Trainings.

Was in diesem Fall aber nach meinem Wissen absolut keinen Sinn macht, ist noch „Messer weg“ zu schreien, während der Angreifer auf einen anderen – zum Kopf – einsticht. Denn er wird diese Handlung sicher nicht mehr abbrechen.
Absurd lustig erschien es mir, dass die Polizistin noch „Messer weg“ schrie, als der Schuss gefallen und der Angreifer am Boden lag, das Messer neben sich fallengelassen.

Dazu eine kurze Anekdote:
Ferdinand von Schirach schilderte einen Fall, in dem ein mutmaßlicher „Profi-Killer“ zwei Skinheads an einem Bahnhof in Notwehr getötet hat, sich auf eine Bank setzte und auf die Polizei wartend eine Zigarette anmachte.
Die erste Polizistin sah die beiden Toten, sah den Mann ruhig auf der Bank sitzend, zog ihre Waffe und schrie „Das Rauchen ist hier verboten“.
Exakt das passiert, wenn das Adrenalin einschießt und das Hirn nicht mehr in der Lage ist, Informationen nach Priorität einzuordnen. Das ist psychologisch normal, ich habe menschlich Verständnis.
So etwas muss durch Drill abtrainiert werden. Was nach meinem Wissen bei der Polizei so nicht passiert.

Da in dem Fall die Beamtin aber auch noch zurückgewichen ist und ihre Waffe nicht gezogen hat, obwohl der Angreifer unmittelbar vor ihr auf mehrere Personen eingestochen hat, zwei Kollegen bereits die Waffen gezogen hatten und sie ein mögliches freies Schussfeld haben konnte, sehe ich das als nicht zu entschuldigendes Fehlverhalten an.
Und das tut mir tatsächlich leid. Aber es ist so.

Der dritte Fehler war, dass die Beamten auch die Helfer noch länger am Boden fixiert haben. Das dann aber eher halbherzig.
Wenn man bei Beteiligten nicht sicher ist, welche Rolle sie gespielt haben, ist es normal und richtig sie zu kontrollieren. Auch wenn es vielen schwer fällt, das einfach mal stoisch über sich ergehen zu lassen. („Ich hab doch nichts gemacht!“)

In diesem Fall wurde aber sogar eine Person am Boden gehalten, die sich mit erhobenen Händen Richtung Polizei gerettet hatte.
Und sogar der Helfer, der von dem Polizisten umgerissen wurde, wurde auf dem Bauch liegend fixiert.

Er war es, der geistesgegenwärtig und am Boden liegend das fallengelassene Messer aufgehoben und Richtung Polizisten geworfen hatte. Und nachdem eine Polizistin über ihm stand, hob er am Boden liegend die Hände und verhielt sich vollkommen ruhig.
So jemandem kann man zur Not die Handschellen anlegen und dann ist gut. Zumal er auch hätte verletzt sein können, ebenso wie der andere, der mindestens einen Stich am Rücken abbekommen hatte.

Ich betone aber ausdrücklich, dass ich das nicht als großen Fehler ansehe. Kann man nacharbeiten, ohne Meldung, weitermachen. Es zeigt nur sehr deutlich, wie überfordert die Polizisten mit der Situation waren.

Warum es überhaupt zu dem Angriff kommen konnte, kann ich nicht beurteilen.
Im Hintergrund waren große Mannschaftswagen abgestellt. Wo die Polizisten zum Zeitpunkt des Angriffs waren, ist nicht ersichtlich.
Um da eine Nachlässigkeit zu konstruieren, müsste man aber auch wissen, wie die Bedrohungslage war, wann der Einsatz tatsächlich beginnen sollte und so weiter. Auch ein Trupp Soldaten hätte nicht zwangsläufig alle fünf Meter einen Bewaffneten mit fertig geladener Waffe positioniert.
Das Ergebnis ist unschön, aber aufgrund der derzeitigen Informationen kann man sich daraus kein Urteil bilden. Wie zu Vielem. Man muss auch aushalten können, etwas nicht beurteilen zu können.

Der Beamte, der den Schuss abgegeben hat, hat vorbildlich gehandelt. Vorgehen, Ruhe, klares Handeln, Schuss perfekt.

Einschätzung

Die rechtspopulistische Blase auf Social Media geht natürlich steil. Mit den üblichen Argumenten.

Zunächst einmal hat jeder Mensch Persönlichkeitsrechte.
Das gilt vor allem auch für die Opfer und die Polizisten. Deshalb ist es üblich, anständig und respektvoll, Bilder zu verpixeln.
Das rechtsextremistische Hetzblatt Compact hat sich natürlich beeilt, das Video des Angriffs frei online zu stellen. Und die Plattform von Stürzenberger selber hat das Video online gelassen. Das ist ja eine sehr gute Publicity für deren Sache. Mehr Werbung geht kaum.

Zudem wurde nicht nur zwischenzeitlich behauptet, dass Stürzenberger verstorben sei.
Im Video erkenne ich lediglich eine Stichwunde am Bein. Teammitglieder bestätigen das später in einem Gespräch untereinander und sprechen von einer wohl kleineren Verletzung im Gesicht.
Darüber hinaus wurde ständig behauptet, Stürzenberger würde „notoperiert“. Woher man diese Info haben will, bleibt ein Geheimnis.
Unter „Not-OP“ verstehe ich eine lebensrettende Operation. Selbstverständlich wird auch eine Stichwunde sofort versorgt, das ist aber nicht zwangsläufig eine „Not-OP“.

Die Persönlichkeitsrechte gelten auch für den Angreifer.
Ich bin kein Freund davon. Aber so funktioniert es in einem Rechtsstaat nun einmal. Ich bin auch vehement gegen die Todesstrafe. Auch wenn einige das vielleicht moralisch verdient hätten. Es gibt Wichtigeres, die Rechtsstaatlichkeit und das Verhindern von Fehlurteilen beispielsweise.

Der mehrfach geäußerte Spruch, dass man die virale Party von Sylt ja auch veröffentlicht hätte, ist juristischer Unfug. Denn da hatte eine Teilnehmerin das Video ja selber veröffentlicht.
Unnötig zu erwähnen, dass die meisten nun natürlich wieder auf den PEGIDA-Zug aufspringen, der eigentlich schon auf dem Abstellgleis rostete.

Das Video hat zumindest einen Nutzen.
Unbedarfte konnten dort sehen, wie ein solcher Messerangriff tatsächlich abläuft. Irgendwelche wilden Allmachtsfantasien von „Mit mir hätte der das nicht gekonnt“ bis zu „Ich kann Karate“ werden ad absurdum geführt. Gegen einen wild fuchtelnden Messerträger hat man im Close Combat kaum eine Chance, es sei denn, man ist selber Suizidal oder hat jeglichen Überlebensinstinkt abtrainiert.

Dass „die Medien“ nicht sofort berichten, ist auch völlig normal.
Ich habe hier nur meine Interpretation des Videos wiedergegeben. Als Blogger kann und darf ich das. Ein Medium muss aber mindestens so stoisch bleiben, die Aussagen der Polizei abzuwarten. Und da mindestens sowohl Stürzenberger als auch der Angreifer erst einmal operiert werden, wird es heute auch sicher keine große, aufklärende Pressekonferenz mehr geben.

Politisch ist das natürlich übel. Denn es wird entgegen der tatsächlichen Bedeutung genau den Populisten auftrieb verleihen, die gerade erst auf dem absteigenden Ast waren. Emotionales verkauft sich nun einmal gut.
Statistisch werden heute in Deutschland knapp zehn Tötungsdelikte verübt, zehn gestern und zehn morgen. Und fast ausnahmslos durch Deutsche.
Doch dieses Video ist ein Werbefilmchen für die AfD.

Ich erwarte in den nächsten Tagen einige Politiker, die mal wieder eine Verschärfung des Waffenrechts fordern. Das macht keinerlei Sinn, geht aber immer wie geschnitten Brot.
Die Medienagenturen der AfD sitzen sicher schon im Meeting, um zu überlegen, wie sie das ausschlachten können.
Spannend wird höchstens die Pressekonferenz der Polizei, wegen einiger Details.

Selbstverständlich wünsche ich allen Beteiligten eine baldige, körperliche und psychische Genesung.

Ich suche mir aus, wer meine Empathie verdient.
Was mit dem Täter ist, ist mir furzegal.

Kategorie Medien und Politik

6 Kommentare

Möchtest du die Kommentare sehen?
Werde Mitglied von U.M. und diskutiere mit.
Mitglied werden