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Ein etymologischer Ausflug in die Mark

Jeden Morgen um acht Uhr veröffentliche ich eine kurze Weisheit auf der Facebook Fanpage (Öffnet in neuem Fenster) mit dem Hashtag #solltetihrwissen (Öffnet in neuem Fenster).
Interessantes, Lustiges, Schlimmes und manchmal auch reinen Unfug. Nicht groß recherchiert, es soll zum Stöbern einladen. Ich erlaube mir auch Nachlässigkeiten.
Ein Leser bezeichnete es einmal als „Wissenspralinchen“ und ich finde das beautiful.

Heute Morgen veröffentlichte ich eine Erklärung zum Begriff „Mark“.
Es kamen Hinweise, Fragen und Diskussionen, die eine ausführliche Antwort verdienen. Deshalb nehme ich mir in Spielmannslaune den Sonntagnachmittag Zeit, ein wenig zu plaudern. Abseits vom Kernthema meines Blogs.
Wen es nicht interessiert: Einfach wegklicken.

„Sie haben einen Klugscheißer in die Welt gesetzt“

Geschichte hat mich schon als Kind interessiert. Ich denke eine große Schuld daran trugen Asterix und Obelix, mehr aber „Was ist was“. Und der örtliche Ableger der städtischen Bibliothek, wenige hundert Meter von meinem Wohnort.
Später stand ich Dreikäsehoch mit meinen Eltern vor einer römischen Statue in Südfrankreich. Und als mein Vater meinte, das sei sicher Kaiser Caesar, erklärte ich beiläufig, dass sei Kaiser Augustus, der als Adoptivsohn von Caesar bürgerlich Octavian hieß (Die drei ???) und außerdem wäre Caesar nie Kaiser gewesen. Ohne das weise, kindlich Neunmalkluge. Wirklich beiläufig.
Spätestens da hätte meinen Eltern einiges klar sein sollen. Die offenen Münder verrieten, dass sie wohl etwas ahnten. „Sie haben einen Klugscheißer in die Welt gesetzt, Glückwunsch.“

Spannend fand ich aber nie die endlos erscheinende Abfolge von Schlachten und Herrschern. Das kommt so nebenbei. Sondern wie die Menschen damals wirklich lebten. Handel, Wirtschaft, Stände, Handwerk, Hierarchien, kurzum: Das Weltbild der Menschen. Denn es erklärt, wie wir wurden, was wir heute sind.
Meine Neugier wecken die „dunklen“ Zeitalter: Die Zeit der Seevölker und nach-Mykene und die Spätantike.

Diese Perspektive ist sicher auch der Grund, warum ich viele Konflikte und Kriege heute eher tiefer hinterfrage als Kommentatoren im Fernsehen. Und warum mein Verständnis für Deutschland und die deutsche Kultur ein völlig anderes zu sein scheint, als das vieler anderer.
Für mich war Deutschland nie eine eigenständige, homogene, geschlossene Kulturzone. Und ihre Bewohner erst recht kein „Volk“. Mit einem heutigen Sachsen habe ich geschichtlich, kulturell und sicher auch genetisch weniger gemein, als mit einem Niederländer. Die übrigens auch viel besseres indonesisches Essen machen, weit sympathischer sind und einen niedlicheren Akzent haben.
Deutschland ist ein wundervoller, multikultureller Schmelztiegel aller umgebenen und inneren Kulturen und Völker im Herzen Europas. Alle haben uns beeinflusst und wir haben alle anderen beeinflusst.

Wir sollten das Beste sein, das aus Tschechen, Polen, Franzosen, Dänen und Österreichern herauskommt. Aus Ungarn kann nix kommen, außer reitende Steppenvölker. Und ja, auch Luxemburgern und Liechtensteinern.
Nicht aus Schweizern. Die Schweizer haben der Menschheit nichts gebracht als Alphörner, gewissenlose Banker, Bewacher vom Papst (denen die Deutschen derbe in den Arsch getreten haben, sacco di roma: eat this suisse) und dreieckige Schokolade, an der man sich im Flugzeug den Gaumen aufreißt. Ich werde mein harsches Urteil überdenken, wenn jemand Beethovens Neunte auf dem Alphorn bläst. Bis dahin verhalte ich mich ihnen gegenüber neutral.
Wie gerne würde ich Schweizer hassen. Aber ihr Trick ist, immer so lieb rüberzukommen. Mal ehrlich: Niemand hasst Schweizer. Niemand. Einfach ein abgelegenes, geistig zerrüttetes Bergvölkchen, die sich nicht einmal untereinander versteht.

Danke, ich merke selber, wenn ich abschweife.

Die Sprache als Schlüssel

Selbst die Bezeichnung „deutsch“ ist ein hervorragendes Beispiel. Denn sie bezeichnet keinen Ort, wie bei den Nordwegen (Norwegen). Keine historische Herleitung, wie bei der römischen Provinz Hispania (Spanien) oder dem Reich der Franken (Frankreich). Und auch keine soziale Gruppe, wie beim Stamm der Belgen (Belgien) oder der Angeln (England). Nicht einmal verschüttete Urahnen, wie die Italiker.

Nein, nicht Italiener. Italiker. Ihr Nichtsnutze. Italiker.

Der alte Begriff „tiudisk“ (später sk = sch, ausgesprochen eher sowas wie „tjudisch“) bezeichnete jene, die im Gegensatz zum Latein der Herrschenden und Mönche die Gemeinsprache sprachen. Ein Mönch des neunten Jahrhunderts hätte sicher auch einen Böhmer oder Italiener als „tiudisk“ bezeichnet. Auch wenn sie sicher kein „Deutsch“ sprachen. Die Bezeichnung war nicht einmal erfunden.

Mein Interesse an der Entwicklung der deutschen Sprache wurde durch viele kleine Dinge geweckt.
Angefangen von Herleitungen aus dem Lateinischen, über die Spätantike und das frühe Mittelalter, als wir „Deutsche“ wurden. (Germanen ist eine Fremdbezeichnung und Mogelpackung) Bis hin zu dem für einen Berliner merkwürdig nah erscheinenden Französisch, das schon vor Napoleon das Englisch seiner Zeit war. (Etage, Bulette, Couch, Etikett)

Es gibt zwei wissenschaftliche Disziplinen, die sich damit auseinandersetzen. Das ist einmal die Etymologie, die die Herkunft von Wörtern untersucht. Und es ist einmal die Onomastik, welche die Herkunft von Namen untersucht. Vor allem von Flurnamen, denn deutsche Nachnamen sind zumeist recht einfach zu erklären.

Bezeichnungen von Dingen sind häufig jünger. Denn es ist leicht für einen Gegenstand schnell eine andere Bezeichnung zu übernehmen. Für Tätigkeiten, Abstraktes oder Konzepte sind die Bezeichnungen meist älter und verweisen auf das alte „Deutsch“.
Der Begriff „Mutter“ beginnt in fast allen Sprachen der Welt mit einem M. Und der Begriff „Wasser“ (Wada, Wata, Water) ist schon auf babylonischen Keilschrifttafeln zu lesen.
Für das „Deutsch“ zu Zeiten der Römer gibt es gar keinen Begriff. Da es so etwas nicht gab.

Sprache entwickelt sich, sie wuchert, sie wird benutzt und abgenutzt, sie verändert sich und sie mäandert. Und manchmal sterben Wörter aus, weil sie nicht mehr gebraucht werden. Wie das Wort „mäandern“, weil kaum ein Fluss noch die Chance hat, in unserer kanalisierten Kulturlandschaft zu mäandern. Und kaum jemand braucht noch einen Fasshersteller, weshalb der Beruf des Böttchers fast nur noch in Nachnamen zu finden ist.

Wörter durchlaufen eine Evolution. Manchmal bleiben sie auch erhalten, passen sich an ihre Zeit an. Niemand denkt bei „speichern“ heute noch daran, Wollballen auf den Speicher zu bringen. Außer, er war gerade in Hamburgs Speicherstadt. Oder hat bei einem sehr alten, sehr hanseatischen Berufsschullehrer Kaufmann gelernt. *zwinker

Wagen wir also einen Ausflug in die Mark.

Hinweis: Es geht um sehr alte Sprache. Also um eine Zeit vom 12. Jahrhundert bis mindestens zurück zu 800. Mit „Franken“ sind die ripuarischen Stämme gemeint, die heute als „Rheingermanen“ bezeichnet werden und die das Frankenreich begründet haben (Merowinger etc.). Mit „Sachsen“ die Norddeutschen, die im heutigen Niedersachsen, Hamburg und bis nach Dänemark lebten.
Fast alle Ortsnamen, die auf -hausen, -heim, -ingen oder -weiler enden, stammen aus dieser Zeit der „Fränkischen Landnahme“.
Die Franken haben das Deutschland als Kulturraum begründet. Wer das leugnet ist ein Sachse und selber doof.

Die Mark, die Mark, die Mark und die Mark

Im heutigen #solltetihrwissen (Öffnet in neuem Fenster) habe ich die Bedeutung des Begriffes „Mark“ erklärt.
Das ist ein spannendes Wort. Das eigentlich vier Bedeutungsinhalte hat. Die wenig miteinander zu tun haben. Erklärt habe ich bewusst nur eine Bedeutung.

Als erstes bedeutet Mark eine weiche Masse, die von einem härteren Äußeren umgeben ist. Deshalb spricht man bis heute von dem Schrecken, der einem in „Mark und Bein“ fährt.
„Bein“ ist eine aus der Mode gekommene Bezeichnung für Knochen. (Elfenbein, Gebeine)

Ob dieser Begriff tatsächlich etwas mit den übrigen Definitionen zu tun hat, ist wohl ungewiss. Im Althochdeutschen wurde es auch „marg“ geschrieben bzw. gesprochen. Was ungewöhnlich wäre, wenn es mit den anderen Erklärungen etwas zu tun hätte.
In jedem Fall ist es ein sehr altes, „deutsches“ Wort, das sich nicht aus anderen Sprachen herleiten lässt.

Ein Euro sind zwei Mark

Die zweite Bedeutung ist natürlich die Währungseinheit.
Es wurde in den Kommentaren gefragt, warum die so hieß. Von anderen Kommentatoren wurde die Erklärung aus der Maus (deutsches Mem) genannt, das käme von den Zeichen, die auf den Silberstab gezeichnet wurden, um die einzelne Münze abzutrennen. Das halte ich für Unfug. Tut mir leid für die Maus.
Ja, solches Münzschlagen gab es, aber das ist sicher nicht die Herleitung.

Eine solche detaillierte Erklärung ist gar nicht notwendig. Gemäß Ockhams Rasiermesser sind die einfachsten Erklärungen fast immer die richtigen. Umso detaillierter eine Erklärung ist, umso mehr Vorbedingungen muss sie erfüllen. Und umso häufiger liegt sie daneben.
Man braucht nur etwas Hintergrund und Abstraktionsvermögen.

Schon im 8. Jahrhundert ist „marc“ oder „marka“ als das Wort für „Zeichen“, aber auch für eine „Abgrenzung“, nachgewiesen. Bummelig 200 Jahre später ist „marc“ bereits mit der Bedeutung einer Maßeinheit nachgewiesen.
Ey, es ist ein einsilbiges, kurzes Wort mit einem einzelnen Vokal. Viel weiter zurück wird man kaum kommen. Was soll da noch kommen? Neandertaler, die sich einsilbig unterhalten? Was die Chinesen bis heute sehr erfolgreich tun?

Selbst die „Übersetzung“ der Mark als „Zeichen“ macht ja Sinn. Denn nur der Herrscher hatte die Macht darüber, Münzen zu prägen. Und fast immer wurde sein Abbild oder sein „Zeichen“ auf die Münze geprägt. Schon bei den Griechen. Die Währung war auch ein Zeichen seines Herrschaftsbereiches.

Wir haben also mit „marc“ ein Wort, das gleich zwei passende Bedeutungsinhalte hat. Da drängt sich die Frage auf: Wie sonst hätten die Menschen die Währung nennen sollen? Mark ist so naheliegend.

Der Streit darum, wer Nudeln erfunden hat, ist so überflüssig. Teig und Getreidebrei sind schon vor Jahrtausenden nachgewiesen. Als wenn vor Jahrtausenden nicht irgendwer mal auf die Idee gekommen wäre, den Teig in kochendes Wasser zu werfen. Zumal ja eh meist in einem Topf gekocht wurde.
Irgendwie glaube ich, das hätten Chinesen, Italiener und Deutsche schon gut alleine hinbekommen.
Es ist einfach naheliegend. Wie „marc“ als Währungseinheit.

In Dänemark gab es sogar eine Maßeinheit für Land, die „mark“ hieß.
Als die nach unserem heutigen Sprachverständnis passendste Übersetzung würde ich vielleicht einfach „Einheit“ vorschlagen. Eine Mark war eine Einheit des Geldes, Gewichtes oder Landes.

Wir haben heute Papiergeld. Das, was auf dem Schein steht, ist der Nennwert. Aber nur, weil das so festgelegt wurde. Das Material eines Hundert-Euro-Scheins ist ja wohl kaum einhundert Euro wert. Es sei denn, er ist von peruanischen Waisenkindern unter Wasser mundgeklöppelt und im Fair Trade verkauft worden.
Geld mit Nennwert hat sich aber erst später durchgesetzt. Auch wenn die „Erfindung“ eigentlich auch schon sehr alt ist. Wer es genauer wissen will, frage seinen Hausnumismatiker. Meiner ist gerade mit meinem Hauslogopäden bei meiner Hausornithologin.

Bei Edelmetallen wurde der Wert häufig in Gewicht bemessen. Falls sich jemand fragt, woher das englische Pfund kommt.
Im 4. Jahrhundert v. Chr. hat der Keltenfürst Brennus von den Römern einen Tribut in Gold-Gewicht gefordert. Als man ihm vorwarf, die Gewichte manipuliert zu haben, legte er sein Schwert auch noch auf die Waagschale und sagte „Vae victis!“ („Wehe den Besiegten“) Was übersetzt so viel heißt wie „Halt die Fresse, hier bestimme ich, sonst paar aufs Maul.“

Der Pfennig kommt übrigens aus dem Altsächsischen (nicht verwechseln mit dem heutigen Sachsen) und hat den gleichen Ursprung wie das Pfand. Und der Groschen kommt vom mittelhochdeutschen „grosse“ (groß), weil er ursprünglich immer eine höhere Einheit als beispielsweise der Dinar war. Was sich umgangssprachlich erhalten hat, obwohl es keine offizielle Maßeinheit mehr war. Fünf Groschen waren auch in meiner Jugend noch 50 Pfennige. Eigentlich könnte man auch zu 50 Cent „fünf Groschen“ sagen, aber die Jugend von heute…

Es gab viele Mark. Die sundische Mark, die Lübsche Mark, die dänische Mark, die Neuguinea-Mark, und so weiter.

Der frühmittelalterliche Mercedesstern

Der dritte Bedeutungsinhalt hat sich inzwischen auch sprachlich etwas geändert. Die Marke oder Markierung.

Ab dem 11. Jahrhundert ist die „marc“ auch mit der Bedeutung „Zeichen“ oder „Beweis“ belegt. (siehe oben)
In unserer Zeit denkt man natürlich an die Marke von Unternehmen, das Logo. Aber die Grundidee dazu gab es schon weit früher.

Beispielsweise sind aus dem Frühmittelalter Schwerter belegt, welche die Marke „+ Vlfberht +“ in die Klinge eingelegt hatten. Dabei handelte es sich um Hightech-Waffen, die sogar gefälscht wurden.
Sie stammten aus dem rheinfränkischen (ripuarischen) Raum, vielleicht sogar aus Köln oder dem eine Tagesreise entfernten Solingen, das noch heute für seine Messer bekannt ist. Das ist aber nur meine subjektive Vorstellung. Köln selber war bekannt für seine metallurgische Endfertigung, vor allem Schwertfeger, später Harnischmacher.

Aus irgendeinem Grund werden die Ulfbert-Schwerter häufig falsch als „Wikingerschwerter“ bezeichnet. Was schlicht daran liegt, dass sie häufig dort gefunden wurden, vielleicht weil sie als Tribute gezahlt wurden. Und weil viele Wikinger cool finden, obwohl es assoziale Wichser und Feinde der damaligen „Deutschen“ waren.
Ulfbert war also eine „marc“, eine Marke und eine Markierung.

Die Marken

Im #solltetihrwissen (Öffnet in neuem Fenster) habe ich aber die vierte Bedeutung erklärt: die geografische.

Als „Mark“ oder „Marken“ wurden Grenzregionen eines Reiches bezeichnet. Das Outback.
Und die Namen von Ortschaften oder Regionen verweisen bis heute darauf.

Mein Heimatstädtchen gehörte beispielsweise zur Grafschaft Berg. Einem mächtigen und einflussreichen Geschlecht, das mehrere Erzbischöfe von Köln stellte, an Kreuzzügen teilnahm und mit Engelbert I. den Reichsverweser von Friedrich II. stellte. Also quasi den Kanzler Deutschlands, während der Kaiser lieber im sonnigen Sizilien rumhing. Was seit 1960 viele Touristen nachmachen.

Schon Ende des 12. Jahrhunderts spaltete sich das Geschlecht durch Erbfolge. Und die daraus entstehende Grafschaft im Osten wurde einfach nur „Mark“ genannt. Es war das Grenzgebiet zu den bis heute barbarisch gebliebenen Westfalen, den damaligen Sachsen. Ein heimtückisches Völkchen, vom Autofahren oder Antragstellen in Ostwestfalen-Lippe sei abgeraten. Detmold ist für Rheinländer das zweite Bielefeld.
Die Region heißt bis heute „Märkischer Kreis“.

Schon bei Karl dem Großen wurde um 800 das heutige Dänemark als „Mark“ bezeichnet. In das später die Dänen „eingefallen“ sind. Wer das genau war und woher die angeblich kamen, ist nicht nachweisbar. Angeblich haben auch die Goten den Bereich so genannt, um sich von den Dänen zu differenzieren. Nachgewiesen ist, dass diese Grenze des fränkischen Reiches ab dem 9. Jahrhundert „Mark“ genannt wurde.

Und weil die „germanischen“ Stämme aus dem öden Osten abgewandert sind, was seit 1991 vor allem ostdeutsche Frauen wiederholen, wanderten dort slawische Stämme ein. Die aus Sicht der christianisierten Franken nur Wilde sein konnten. (Was in Berlin eine gewisse Siedlungskontinuität aufweist.) Diese wurden später als „Ukranen“ bezeichnet, weshalb ihr Siedlungsraum zur Uckermark wurde.

Aus der Nordmark wurde die Mark Brandenburg. Die Mark Meißen war für Franken auch nicht gerade der Mittelpunkt des Universums. Und die Fränkische Mark im heutigen Oberfranken diente zur Abwehr der Tschechen.

Mark: Ausnahmsweise wurde ein Wort nicht in die deutschen Lande importiert, sondern in andere Länder exportiert. Was übrigens viel häufiger so ist, als viele es wohl glauben.
Das „Marschland“ war zumeist ein nicht kultiviertes Gebiet, also meist Sumpfland (an mäandernden Flüssen), Moor, mitteleuropäischer Urwald oder ähnliches. In Italien und Frankreich wurde es als „marches“ übernommen.

Marquart, alter Grenzwächter

Ein tatsächlicher, echter, persönlicher Kumpel kommentierte auf der Fanpage (Öffnet in neuem Fenster), dass sein Nachname „Marquardt“ sich „angeblich“ (sein Wort!) auf den französischen Adelstitel „Marquis“ bezieht. Aber eigentlich „Markgraf“ bedeutet.

Dafür müssen wir aber nicht nach Frankreich reisen. Es ist wohl eher genau umgekehrt zutreffend.
Der „Markwart“ („marcwort“) war der Wart der Mark. Der Wächter des Grenzlandes.
Und weil dieser Begriff so alt ist, befinden wir uns damit in der Zeit, als das Französisch überhaupt erst entstand. Aus einem Mischmasch aus Gallisch, Latein und Altdeutsch.
Viel wahrscheinlicher ist, dass aus dem „deutschen“ Markwart ein Marquart und daraus ein „Marquis“ wurde.

Ähnliche Umformungen sind beispielsweise aus dem heute englischen Raum bekannt, also aus dem angelsächsischen Raum (Angeln und Sachsen), wo es beispielsweise den Vornamen „Urquart“ gab. Also einem Urkwart.
Der einzige englische König, der jemals den Beinamen „der Große“ erhielt, war übrigens der angelsächsische Ælfrēd. (Alfred = Alfrad; alb/alf = Naturgeist, vgl.: Elben; rad = Ratgeber; „Der von Naturgeistern beratene“ …was der Hardcore-Christ Alfred im 9. Jahrhundert wohl schon nicht mehr wusste, aber die hießen alle irgendwas mit Ælf… oder Æthel…)
Denkbar wäre auch ein Reimport. Dass ein „Marcwort“ irgendwo mal anders geschrieben wurde – es gab keine einheitliche Rechtschreibung und die Schreiber haben in Buchstaben geformt, was sie in ihrem Dialekt gehört haben – und die Schreibweise sich dann verfestigt hat.

Deshalb ist die Übersetzung vom Markwart zum Markgrafen eher schludrig.
Markgrafen hatten immer eine besondere Stellung. Beispielsweise musste jeder regionale Herrscher, Clanführer oder Warlord dem höherrangigen Herrscher eine gewisse Anzahl Kämpfer zur Verfügung stellen können. Was sehr teuer war. Es wurde häufig genau festgelegt, wie viele Berittene und Fußsoldaten man als Graf bereitzuhalten hatte. Bei den Norddeutschen und Angelsachsen hieß so eine Einberufung „Fyrd“.
Und so ein Schlachtross war der Maybach seiner Zeit, das konnte man nicht zum Pflügen einspannen. Das stand nur da rum, musste trainiert werden, frass einem die Harre vom Kopf und schiss einem die Bude voll.
Ein fränkischer Panzerreiter war die Hyperwaffe seiner Zeit, mit der auch die Strauchdiebe, die wir heute Wikinger nennen, sich nie anlegen wollten.

Markgrafen mussten nicht nur mehr Krieger stellen, ihnen war meist eine größere Zahl an Soldaten erlaubt. Um das jeweilige Reich nach außen zu schützen. Denn die zulässigen Kämpfer waren sonst häufig begrenzt, um Revolten gegen den König oder Kaiser zu verhindern.
Zudem wäre ein solcher „Dienstgrad“ wie Markgraf sicher schwerlich ein Nachname geworden. Auch wenn es heute noch viele mit Namen wie „Vogdt“, „Hofmann“ oder „Schuldtheiß“ gibt. Aber die waren nicht adelig, es war eine Nummer darunter.

Wahrscheinlicher ist, dass irgendwelche Eltern mal ihren Sohn „Marcwort“ genannt haben. Beispielsweise Franken, die während der Landnahme irgendwo angesiedelt wurden. Im barbarischen Hinterland, Bayern zum Beispiel. Und die nannten ihren Sohn dann auch so. Und der nannte seinen Sohn dann vielleicht Ullrich (uodal = väterlich, rihi = reich) und so wurde der „Ulrik der Marcwort“ oder „Ulrich aus dem Hause Markwart“. Und so wurde Markwart zu einem Nachnamen.
Oder vielleicht hat irgendwann mal ein Mönch in einem Taufregister einmal nach Gehör aus „Marcwort“ einen latinisierten „Marqard“ gemacht.
Das „dt“ am Ende wurde eh nur angefügt, um Schüler in den Suizid zu treiben.

Der römische Name „Marcus“ kommt eigentlich von „mart“ und bedeutet so viel, wie dem Kriegsgott Mars geweiht.

Aber wie gesagt, ich habe zum eigenen Vergnügen nur einen Sonntagnachmittag verplaudert.

Postscriptum: Ja, das Titelbild geht mir auch ahistorisch auf den Senkel. Aber es gibt einfach nichts Vernünftiges aus dem Frühmittelalter. Und selbst wenn ich sowas verwendet hätte, würden die meisten denken, es wäre ein römischer Legionär.
Weil die sich vom fünften bis zum neunten Jahrhundert nämlich kaum unterschieden haben. Sie hatten ein „state of the art“.
Wikinger unterschieden sich nur wenig von Franken. Es gab auch keine „Wikingerhelme“, es waren meist Spangenhelme, für die, die es sich leisten konnten. Oder Filzkappen.
Auch noch so sorgfältige Reenactments sind fehlerhaft, weil sich kaum einer einen Helm oder ein Schwer leisten konnte, die Reenactors aber natürlich alle geil aussehen wollen.
Und das Kettenhemd (eigentl.: Ringpanzer) war unfassbar teuer, weit gängiger war der Plattenpanzer oder noch besser einfach gefütterte Stepdecken-Klamotten. Und die Fäustlinge, die euch als Kind an die Ärmel genäht wurden. Es ging um Zweck, nicht sexy.

Ein spätantiker römischer Soldat sah so aus:

Ein fränkischer Krieger zu der Zeit, von der wir hier reden, sah so aus:

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