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#02

Aus dem Treibhaus schreibt dir heute Manuel. Ich nehme dich mit auf einen Tauchgang; wir vertiefen uns in den Zusammenhang zwischen Eisschmelze und globaler Ungleichheit.

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Wie die Eisschmelze die globale Ungleichheit verschärft

Die vielleicht schlimmste Auswirkung der Klimakrise trifft arme Menschen am stärksten. Welche Probleme bringt die Eisschmelze mit sich und wie gehen wir damit um? ~ 11 Minuten Lesezeit

Saúl Luciano Lliuya will es nicht einfach so hinnehmen. Lliuya gehört zu den Menschen, die von den Folgen des Klimawandels unmittelbar bedroht sind.

Der peruanische Landwirt und Bergführer muss fürchten, dass sein Haus in seiner Heimatstadt Huaraz von einer Flut mitgerissen wird – weil der nahegelegene Palcaraju-Gletscher in den Anden schmilzt und der Gletschersee überzulaufen droht.

Statt tatenlos zuzusehen, zieht Lliuya vor Gericht, verklagt RWE; der Energiekonzern sei für die Erderhitzung mitverantwortlich, die wiederum das Eis der Welt und somit auch den Palcaraju-Gletscher schmelzen lasse.

Du hast von Lliuyas Fall vielleicht schon in den Medien gehört; da taucht seine Geschichte immer wieder auf. Sie vereint beispielhaft alle Aspekte, denen ich in diesem Text auf den Grund gehen möchte: Was richtet die Eisschmelze an, wer steht in der Verantwortung, wer bekommt welche Folgen zu spüren und warum?

Der Mann, der RWE das fürchten lehren will. 📸: Alexander Luna, WikiCommons (Öffnet in neuem Fenster), CC BY-SA 4.0 (Öffnet in neuem Fenster)

Die Eisschmelze ist eine der heftigsten Auswirkungen des Klimawandels – allein deshalb lohnt es sich, einen genaueren Blick auf das Phänomen zu werfen. 

Wie die Schmelze mit globaler Ungleichheit zusammenhängt, ist dabei ein Aspekt, den ich besonders wichtig finde. Denn ich bin überzeugt: Wir können ökologische und soziale Dimensionen nicht voneinander trennen; wir können Klimawandel nicht ohne Ungleichheit denken.

Die Eisfachtür der Welt steht offen – ein kurzer Lagebericht

Das Eis der Welt schwindet immer schneller. Eine vor kurzem erschienene Überblicksstudie (Öffnet in neuem Fenster) zeigt, dass sich die Schmelze in der Kryosphäre* seit Mitte der 1990er Jahre um 57 Prozent beschleunigt hat – von 0,8 auf 1,2 Billionen Tonnen pro Jahr. Am stärksten betroffen sind das arktische Meereseis, das antarktische Schelfeis und Gebirgsgletscher.

Die Schmelze hat verschiedene tragische Folgen. Dazu gehört, dass sie:

  • die Meeresspiegel ansteigen lässt

  • zu einer Häufung von Fluten führt

  • die Meeresströmungen durcheinanderbringt

  • die Trinkwasserversorgung gefährdet

  • die Erderwärmung beschleunigt (Albedo-Effekt*).

Allein der Anstieg des globalen Meeresspiegels taugt für düstere Zukunftsszenarien. Wie stark der Anstieg sein wird, hängt sehr davon ab, wieviel Treibhausgasemissionen wir noch ausstoßen werden. Ein Bericht des Weltklimarats über den Ozean und die Kryosphäre (Öffnet in neuem Fenster) zeigt, dass sich das Schmelzen weiter beschleunigen wird, sollten wir unsere Emissionen nicht senken. Wenn der Ausstoß von Emissionen ungebremst weitergeht, könnte es bis 2100 einen Anstieg um mehr als einen Meter geben, bis 2300 um 5,40 Meter.

So viel Masse Eis ging seit 1994 verloren. Blau ist schwimmendes Eis, Lila ist Landeis, welches die Meere steigen lässt (siehe rechte Y-Achse). 📸: Review article, Earth's ice imbalance (Öffnet in neuem Fenster), CC BY-SA 4.0 (Öffnet in neuem Fenster)

Unsicher ist, bei wie viel Grad Erderwärmung die Kipppunkte erreicht sind, die ein komplettes Schmelzen der Eisschilde an den Polen auslösen würden. Das Überschreiten eines Kipppunkts ist ein unumkehrbarer Zustand. Das Schmelzen würde also voranschreiten, egal wie sehr wir die Emissionen dann noch reduzieren würden.

Laut neuester Forschung sind wir gar nicht mehr so weit davon entfernt, zumindest nicht beim Eisschild der Westantarktis (Öffnet in neuem Fenster): Hier ist der Schwellenwert wahrscheinlich schon bei 1,5 bis 2 °C Erwärmung überschritten. Das komplette Schmelzen des Eisschilds wäre dann abgemachte Sache. Beim Grönlandeis (Öffnet in neuem Fenster) gibt es sogar Hinweise, dass der Kipppunkt schon überschritten sein könnte.

Allein das Schmelzen des Grönland-Eises würde zu einem Meeresspiegelanstieg von sieben Metern führen – das der Antarktis zu 60 Metern. Dieser Prozess würde wahrscheinlich mehrere Jahrtausende dauern, wäre aber unumkehrbar sobald die Kipppunkte überschritten sind. Weltweit würden sich die Küsten drastisch verändern (Öffnet in neuem Fenster). Gehen wir davon aus, es könnten keine drastischen Gegenmaßnahmen getroffen werden, müsste man für einen Touri-Trip nach London dann schon die Tauchausrüstung einpacken. Und die Niederlande würden ebenso versinken wie weite Teile von Dänemark.

Ungleiche Auswirkungen: Sturmfluten und Hochwasser treffen die einen mehr als die anderen

Bleiben wir beim Meeresspiegel. Der Anstieg ist allein deshalb so bedrohlich, weil so viele Menschen an Küsten oder auf kleinen Inseln leben – ungefähr 680 Millionen.

Besonders folgenschwer: Der Anstieg hat eine verstärkende Wirkung bei Extremwetter-Ereignissen. Vor allem an der Küste erhöht sich durch den Meeresspiegelanstieg das Risiko schwerer Sturmfluten. Er führt aber auch zu stärkerer Küstenerosion und dazu, dass Salzwasser ins Grundwasser eindringt und die Trinkwasserversorgung sowie die Landwirtschaft gefährdet.

Dabei trifft der Meeresspiegelanstieg die einen härter als die anderen. Schon allein deshalb, weil das Wasser nicht überall gleichmäßig steigt. Es gibt regionale Unterschiede, unter anderem wegen der Wassertemperatur, dem Salzgehalt und der Strömungen. 

Derzeit sind in Asien am meisten Menschen vom steigenden Meeresspiegel betroffen. Teile der Philippinen könnten versinken. Und Indonesien ist sogar schon so weit, die eigene Hauptstadt aufzugeben. Weil Jakarta zu versinken droht, soll sie nach Borneo verlegt werden.

Betrachtet man den Anstieg der Meeresspiegel weltweit, wird klar: Ärmere Länder an Küsten sind den Folgen am stärksten ausgesetzt. Also ausgerechnet die, die am wenigsten Verantwortung für den Klimawandel tragen. Diese Länder trifft es aber nicht nur aufgrund des höheren Risikos von Extremwetter-Ereignissen härter als reiche Industriestaaten. Sie sind zudem besonders anfällig für die Auswirkungen: Sie haben weniger Ressourcen, um sich zu schützen und größere Schwierigkeiten beim Wiederaufbau. Schauen wir uns diesen Gegensatz etwas genauer an.

Für die einen: Unsichtbare Flutbarrieren und Schiffstransporte durch arktisches Eis

Natürlich treffen die steigenden Meere auch wohlhabendere Staaten. Allerdings haben diese weitaus mehr Möglichkeiten, sich an die Folgen anzupassen. Die Niederlande sind da ein beliebtes Beispiel, weil sie besonders niedrig liegen. Ein Viertel der Fläche liegt unter dem Meeresspiegel.

Dank Wohlstand und technologischen Ressourcen müssen wir uns um unsere holländische°n Nachbar°innen keine Sorgen machen. Vor einigen Jahren wurde in einem Dorf nahe Amsterdam die längste flexible Flutbarriere (Öffnet in neuem Fenster) der Welt errichtet. Eine Barriere, die in die Straße eingelassen ist und damit unsichtbar bleibt. Erst bei Hochwasser wird sie nach oben getrieben. Einen Erdwall wollte man nicht bauen, um das Ortsbild nicht zu zerstören. Diese 300 Meter lange Flutbarriere hat 6,6 Millionen Euro gekostet.

Kein hässlicher Damm stört die Idylle des Fischerdörfchens Spakenburg  – flexible Flutbarriere sei Dank.  📸: Ben Bender (Öffnet in neuem Fenster), CC BY-SA 3.0 (Öffnet in neuem Fenster)

Ähnlich ist es in Deutschland: Auch hier besteht an den Küsten eine erhöhte Gefahr durch Sturmfluten. Gefährdete Gebiete sind aber längst geschützt, etwa durch Deiche, Dünen oder Deckwerke. Um auf zukünftige Risiken vorbereitet zu sein, müssen solche Schutzmaßnahmen noch ausgebaut werden, was für ein Land wie Deutschland technologisch und wirtschaftlich aber keine Herausforderung darstellen dürfte.

Russische Frachtschiffe fahren dieser Tage gar durch arktisches Eis. Zwei Schiffe nahmen Mitte Februar die Nordostpassage, um von China zu einer sibirischen Insel zu fahren – und sparten sich dadurch Zeit und Geld. Das ist zu dieser Jahreszeit vorher noch nie möglich gewesen; das arktische Meereis erreicht dann nämlich seine maximale Ausdehnung und ist für Schiffe zu dick – normalerweise. 

Freie Fahrt für russische Frachter. So sieht es aus, wenn man "das Beste" aus dem Klimawandel rausholt. 📹: Screen-Aufnahme von YouTube (Öffnet in neuem Fenster)

Offenbar öffnet hier die Eisschmelze sogar neue Türen, und zwar für diejenigen, die die Mittel haben, um von den neuen Bedingungen zu profitieren. So haben sich Ölkonzerne auf diesen Moment Mitte Februar schon seit Jahrzehnten vorbereitet. Sie haben neue Tanker, Bohrausrüstung und Offshore-Plattformen (Öffnet in neuem Fenster) konstruiert, um für Durchfahrten und Mineralgewinnung (Öffnet in neuem Fenster) in der schmelzenden Arktis bereit zu sein.

Für die anderen: Cholera, überschwemmte Häuser und verlorene Ernte

Ein eindrückliches Gegenbeispiel ist Bangladesch. Die Gefahren durch den Meeresspiegelanstieg sind hier besonders hoch, weil das Land so flach ist und so niedrig liegt – große Teile nicht einmal einen Meter über dem Meeresspiegel.

Von Correctiv (Öffnet in neuem Fenster) veröffentlichte Daten zeigen, dass der Meeresspiegel an der Küste Bangladeschs um mehr als sieben Millimeter pro Jahr steigt. Zum Vergleich: Im globalen Mittel sind es etwa drei Millimeter. Ein Fünftel der Landesfläche könnte überschwemmt werden… theoretisch. Nämlich dann, wenn das Land gar keine Schutzmaßnahmen ergreift und der Meeresspiegel um einen Meter steigt (was laut Weltklimarat (Öffnet in neuem Fenster) bis 2100 durchaus passieren könnte).

Wer solche Fotos schießen will, probiert es am besten mal in Bangladesch. 📸: Afifa Afrin (Öffnet in neuem Fenster), CC BY-SA 4.0 (Öffnet in neuem Fenster)

In Bangladesch leben mehr als 30 Millionen Menschen in Regionen, die von Überflutung bedroht sind. Erst kürzlich hat der Deutschlandfunk (Öffnet in neuem Fenster) einen umfassenden Überblick veröffentlicht, der zeigt, wie heftig die Auswirkungen des steigenden Meeresspiegels für diese Menschen sind. Lange wurden große Hoffnungen in Anpassungsmaßnahmen gesetzt. So wurden tausende Bunker gebaut und das ganze Land mit Deichen durchzogen, um die Menschen vor Fluten zu schützen.

Damit ist das Problem aber nicht gelöst. Plötzliche, heftige Regenfälle, Fluten und vor allem versalzte Böden gefährden weiterhin die Landwirtschaft, die Trinkwasserversorgung und die Gesundheit. Vor allem in Slumbezirken führen Überschwemmungen dazu, dass Durchfallerkrankungen wie Cholera ausbrechen, dass ganze Dörfer mitgerissen werden, dass die Menschen ihre Ernte verlieren – immer wieder.

Was die Eisschmelze für Geflüchtete bedeutet

Neben armen Bevölkerungsschichten in Ländern wie Bangladesch gibt es eine weitere Gruppe, die den Auswirkungen der Eisschmelze extrem ausgesetzt ist: Geflüchtete. Ihre Zahl wird in Zukunft noch steigen, auch weil immer mehr Menschen durch den Meeresspiegelanstieg ihre Heimat verlieren.

Hier nimmt die durch die Eisschmelze verschärfte Ungleichheit besonders drastische Ausmaße an. Denn auf der Suche nach Unterstützung und Schutz landen diese Menschen oft in Gebieten mit hoher Gefährdungslage – weil die Regierungen der Staaten, in denen sie Schutz suchen, sie dorthin drängen. Diesen Zusammenhang zeigen die beiden Forscher William Pollock und Joseph Wartmen in ihrer Studie No Place to Flee (Öffnet in neuem Fenster) auf.

Die neue Heimat befindet sich oft in tief liegenden Gebieten, wo Sturmfluten drohen. Oder in der Nähe von Schluchten und Abhängen, wo die Gefahr von Erdrutschen hoch ist (übrigens oft auch eine Folge der Schmelze, denn das schwindende Eis in Gebirgen lässt diese instabiler werden).

Der New Yorker (Öffnet in neuem Fenster) veröffentlichte vor kurzem ein Feature, dessen Autorinnen mehr als 150 Interviews mit Vertriebenen, Klimawissenschaftler°innen und Regierungsvertreter°innen führten. Sie sehen einen globalen Trend darin, dass Regierungen die Auswirkungen des Klimawandels auf Migrant°innen und flüchtende Menschen vernachlässigen oder sogar ausnutzen, um etwa Abschiebungen voranzutreiben.

Nach Bangladesch geflüchtete Rohingya im Jahr 2017: Der Verfolgung entkommen; jetzt warten die Klimarisiken. 📸: Video-Screenshot (Öffnet in neuem Fenster) von Zlatica Hoke (VOA (Öffnet in neuem Fenster))

Ein Beispiel: Bangladesch nahm in den vergangenen Jahren Tausende Rohingya auf, die vor Verfolgung in Myanmar flohen, und schickte sie ins Flüchtlingslager Kutupalong. Die Regierung verbot den Bau von festen Unterkünften und errichtete einen Stacheldrahtzaun um das Lager. Sie schränkte die Bewegungsfreiheit der Geflüchteten ein und ließ sie gleichzeitig wissen: Auf lange Sicht könnt ihr hier nicht bleiben.

In der vergangenen Monsunzeit wurden dort laut New Yorker mindestens 84.000 Geflüchtete durch Extremwetter und Naturkatastrophen verletzt.

Und jetzt?

Eisschmelze… das Problem klingt erstmal sehr abstrakt. Wir sehen aber, dass uns das Eis regelrecht unter den Füßen wegschmilzt – und zwar den einen schneller als den anderen. Wir können beobachten, wie konkret die Auswirkungen sind, und wie sie die globale Ungleichheit verschärfen. Angesichts des immer schneller schwindenden Eises kommt das Thema viel zu selten auf die Agenda.

Aber wie können wir dem Problem entgegentreten? Grundsätzlich sind hier – wie bei der Klimakrise generell – zwei Bereiche wichtig: Erstens, den Klimawandel abschwächen. Zweitens, sich an die Folgen anpassen.

Zu Ersterem gehört beispielsweise, den CO₂-Ausstoß weltweit auf Null zu bringen. Mindestens genauso wichtig, aber im Vergleich kaum auf der Tagesordnung, ist der zweite Bereich. Die Klimakrise ist längst da und bedroht immer mehr Menschen. Wo sich die Folgen nicht mehr abwenden lassen, müssen sich die Menschen an die erhöhten Risiken anpassen.

Jetzt ist es aber nun mal so, dass ausgerechnet diejenigen stärker betroffen sind, die nicht die nötigen Ressourcen haben für Dammbau, Forschung oder gar den kalkulierten Rückzug aus gefährdeten Gebieten. Deshalb sollten für nötige Maßnahmen reiche Länder Hilfszahlungen leisten – zumal sie für den Klimawandel hauptverantwortlich sind.

Auf solche Hilfszahlungen hatte man sich in Paris auch geeinigt. Der aktuelle Adaptation Gap Report der UNEP (Öffnet in neuem Fenster) zeigt aber, dass viel zu wenig passiert. Die Lücke zwischen aktuellen Finanzierungshilfen und der, die nötig wären, schließt sich nicht, während die Kosten für Anpassungsmaßnahmen in Ländern des globalen Südens weiter steigen. Momentan werden sie auf 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt. Zum Vergleich: Allein Deutschland subventioniert fossile Brennstoffe (Öffnet in neuem Fenster) jährlich mit mehr als 37 Milliarden Euro (knapp 44 Milliarden US-Dollar).

Ob sich wohlhabende Staaten zu mehr finanzieller Hilfe durchringen werden, hängt auch davon ab, wie die diesjährigen Gespräche und Klimagipfel ablaufen. Laut UN müsste die G7-Ländergruppe ihre aktuellen Hilfszahlungen verdoppeln (Öffnet in neuem Fenster). Zielmarke sind 0,7 Prozent des BIP (für alle Klima-Hilfen wohlgemerkt, nicht nur für die Finanzierung der Anpassungsmaßnahmen). Das klingt nicht nach sehr viel, wenn man bedenkt, dass sich NATO-Mitgliedsstaaten verpflichten, zwei Prozent des BIP und damit fast drei mal so viel für Rüstung auszugeben.

Faire Klimapolitik und andere Lösungen 

Es gehört aber natürlich mehr dazu, als nur auf diese beiden Bereiche (Abschwächungs- und Anpassungsmaßnahmen) zu setzen, wenn man die Klimapolitik gerecht gestalten möchte. 

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) beispielsweise empfiehlt verschiedene Fairness-Initiativen (Öffnet in neuem Fenster). Darunter der Vorschlag, Menschen, die durch den Meeresspiegelanstieg ihre Heimat verlieren, einen Klimapass auszustellen. Dieser Pass würde ihnen ein Aufenthaltsrecht in den Staaten gewähren, die hauptsächlich für den Klimawandel verantwortlich sind.

Abseits des Politischen gibt es für gefährdete Gruppen noch eine weitere Möglichkeit, sich zu schützen: der Klageweg. Schon heute werden viele Klimaklagen vor Gericht verhandelt, darunter gegen die EU (Öffnet in neuem Fenster) und Shell (Öffnet in neuem Fenster). In den vergangen drei Jahrzehnten ist die Zahl der Klagen stark gestiegen. 2019 und 2020 gab es laut der London School of Economics (Öffnet in neuem Fenster) einen regelrechten Boom – vor allem wegen Klagen von Interessengruppen und Aktivist°innen.

Der Palcaraju-Gletscher schmilzt in den See, der wiederum droht überzulaufen und das peruanischen Dorf Huaraz zu überschwemmen. 📸: Percy Dextre (Öffnet in neuem Fenster), WikiCommons (Öffnet in neuem Fenster), CC BY-SA 4.0 (Öffnet in neuem Fenster)

Dass eine Klage vielversprechend sein kann, zeigt der Fall des Peruaners Lliuya. Er darf sich zumindest berechtigte Hoffnungen auf einen Erfolg machen. Das Oberlandesgericht Hamm hat seine Klage für zulässig befunden und ist in die Beweisaufnahme gegangen. Kann nachgewiesen werden, dass RWE zu einem erhöhten Flutrisiko in Huaraz beiträgt, muss sich der Energiekonzern tatsächlich an den Kosten für Schutzmaßnahmen vor Ort beteiligen.

Was dem Peruaner dabei enorm helfen könnte: In einer im Februar erschienenen Studie (Öffnet in neuem Fenster) haben Forscher:innen gezeigt, dass das erhöhte Flutrisiko in Huaraz auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen ist – und haben damit die nötige Beweiskette geliefert.

Kurzgefasst

  • Das Eis der Welt schwindet immer schneller. Das hat tragische Folgen. Der Meeresspiegelanstieg zum Beispiel erhöht das Risiko schwerer Sturmfluten.

  • Die Auswirkungen treffen die Länder des globalen Südens heftiger als die Industrienationen. Ärmere Länder haben kaum Ressourcen, um nötige Anpassungsmaßnahmen zu treffen, während reiche Staaten hauptverantwortlich sind für den Klimawandel.

  • In Paris haben sich die wohlhabenden Staaten bereit erklärt, Hilfszahlungen zu leisten. Noch fehlt es aber an nötiger finanzieller Unterstützung. Die G7-Staaten müssten ihre Zahlungen verdoppeln. Zielmarke sind 0,7 Prozent des BIP.

  • Auch andere Lösungsmöglichkeiten sind denkbar, etwa der Klageweg oder ein Klimapass für Menschen, die durch den Meeresspiegelanstieg ihre Heimat verlieren.

Das war ein ziemlicher Rundumschlag. Ich würde bald gerne mehr und konkreter nachdenken über die Frage: “Wer bekommt die Krise am meisten zu spüren und warum?”. Oben habe ich behauptet: Wir können Klimawandel nicht ohne Ungleichheit denken. Was denkst Du über diese These? Was bedeutet sie für dich?

Antworte einfach auf diese Mail. Auch wenn Du noch andere Ideen und Gedanken hast – wir freuen uns auf Deinen Input!

Viele von euch haben uns schon geschrieben. Dabei kam oft der Wunsch nach konkreteren Denkanstößen, vor allem zur Frage, was man als Einzelne°r tun kann. Finden wir gut! Julien legt in zwei Wochen vor – mit einem kleinen (Gedanken-)Spiel zum Thema Ernährung.

Frohe Ostern 🐰
Manuel

Treibhaus-Vokabeln

* Kryosphäre = der Teil des Erdsystems, der aus gefrorenem Wasser besteht, also alles von Permafrost über Schneedecken und Flusseis bis hin zu großen Eisschilden.

* Albedo-Effekt = Weniger Eis bedeutet weniger helle Fläche, die die Sonneneinstrahlung reflektiert: Das dunkle Meer nimmt die Wärme auf und führt zu noch stärkerer Erderwärmung und Schmelze.

Kategorie Gerechtigkeit

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