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Kurzes Gedankenexperiment für Privilegierte

Nehmen wir an, wir seien mit der Vorstellung aufgewachsen, unser Körper sei uns untertan. Wenn er krank wird, machen wir ihm Vorwürfe. Wenn er auf die Toilette muss, lassen wir ihn eine Stunde warten. Wenn er langsam wird, treiben wir ihn an. Wird er müde, halten wir ihn zum Durchhalten an, wenn es sein muss unter Einfluss aufputschender Wirkstoffe. Hat er Durst, geben wir ihm erst zwei Stunden später etwas zu trinken. Wenn er anders aussieht als das, was wir für „normal“ halten, werten wir ihn ab. Wenn er nicht so funktioniert wie er soll, fragen wir ihn, was ihm eigentlich einfällt, nicht zu funktionieren. Wir platzieren ihn wo und wie und mit wem wir wollen, wo wir ihn gerade zu gebrauchen glauben. Meistens muss er über Stunden die gleiche Bewegung ausführen oder stillhalten. Wenn er Schmerzen hat, ignorieren wir sie. Solange wie möglich. Bis er schreit.

Klingt das bekannt?

Was lässt uns eigentlich glauben, dass wir in der Lage sind, anderen Körpern deutlich anders begegnen zu können, solange wir unserem eigenen Körper solcherart begegnen? Anders gesagt: Wir sind dann in der Lage, anderen Körpern respektvoll zu begegnen und das Wunder wertzuschätzen, dass sie sind, wenn wir unserem eigenen Körper respektvoll begegnen und das Wunder wertschätzen, das er ist.

Auszug aus meinem Text Muskelkater in den Ahnen„Ja“ zum Körper, Tor zur Befreiung. In: Or, Yari (Hg.): Praxisbuch Transformation dekolonisieren. Ökosoziale Transformation in der sozialen und pädagogischen Praxis. Weinheim und Basel: Beltz Juventa.

Die Anthologie erscheint am 13.9.2023 und kann bereits jetzt vorbestellt werden. Ebook und Audiobuch sind ab 13.9.2023 kostenlos hier (Öffnet in neuem Fenster) erhältlich.

Save the Date! Der Booklaunch findet im Rahmen der Online-Fachtagung „Beziehungen dekolonisieren“ (Öffnet in neuem Fenster) am 2. & 3. November 2023 statt.

#unlearningoppressionthroughthebody @thelovinggaze (Öffnet in neuem Fenster)

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